April 1982: Der Falklandkrieg

Die britische Premierministerin Margaret Thatcher

Wie Sozialist*innen die Kriegsziele der argentinischen Militärdiktatur und Thatchers ablehnten und sich für einen Kampf der Arbeiter*innenklasse einsetzten, um beide zu stürzen

Am 5. April 1982 verließ eine eilig zusammengestellte Einsatztruppe der britischen Kriegsmarine den Hafen von Portsmouth und fuhr über 12.800 Kilometer in den Südatlantik, um argentinische Streitkräfte zu bekämpfen. Diese sind Tage zuvor in spärlich bewohnten Landstrichen eingedrungen, die als britische Falklandinseln oder in Argentinien als „Malvinas“ bekannt sind.

Wie war es möglich, dass die drei Jahre alte Regierung von Margaret Thatcher der argentinischen Militärjunta scheinbar aus heiterem Himmel den Krieg erklärte?

Von Dave Carr, Socialist Party London-Ost

Die Regierung Thatcher hatte zuvor wenig Interesse an der Verteidigung der Falklandinseln gezeigt. Im Jahr 1980 hatte sie Minister Nicholas Ridley entsandt, um die Bewohner*innen der Falkland-Inseln und Argentinien davon zu überzeugen, einen 99-jährigen Pachtvertrag zu akzeptieren – was beide Parteien ablehnten.

“Freundliche Beziehungen”

Vor dem Konflikt unterhielt die britische Regierung freundschaftliche Beziehungen zu dem mörderischen Regime von General Galtieri in Argentinien.

Der “freie Marktwirtschaftler” der argentinischen Junta und Thatcher-freundliche Finanzminister José Martínez de Hoz war im Juni 1980 zum Sitz der britischen Premierministerin in die Downing Street 10 eingeladen worden. Und trotz der weithin bekannten Menschenrechtsverbrechen der Junta wurde er Berichten zufolge von den Führungskräften von British Aerospace, GEC, Shell, Rolls-Royce und Plessey gefeiert.

Thatchers Regierung hatte sich intensiv um Waffengeschäfte mit der Junta bemüht und jedes Jahr wurden argentinische Militäroffiziere in Großbritannien ausgebildet.

Die vorherige Labour-Regierung unter Callaghan hatte ebenfalls Waffen an Argentinien verkauft, allerdings mit der mickrigen Auflage, dass sie nicht zur Unterdrückung von Dissident*innen oder zur Invasion der Falklandinseln verwendet werden dürften!

Im März 1982, wenige Tage vor Ausbruch des Krieges, lobte der britische Botschaftsbeamte David Joy in Buenos Aires die Diktatur und schrieb: “Obwohl ich für die Menschenrechte bin… habe ich bereits den mehr als nur leisen Verdacht, dass das Land unter dem gegenwärtigen Regime, das die Ordnung und die Regierung wiederhergestellt hat, eher materielle Fortschritte machen wird als unter einer Regierung, die von dem fanatischen kommunistischen/linksgerichteten peronistischen Taxifahrer gewählt wurde, der mich heute Morgen ins Büro fuhr.”

Die Vorkriegspolitik

Argentiniens Generäle hatten 1976 die Macht übernommen und mit finanzieller und militärischer Unterstützung der USA einen brutalen “schmutzigen Krieg” gegen militante Gewerkschafter*innen, Sozialist*innen und andere politische Gegner*innen begonnen. In der Folgezeit „verschwanden“ bis zu 30.000 Menschen, d. h. Sie wurden verhaftet, gefoltert und ermordet.

Bis 1982 war die Diktatur jedoch wirtschaftlich, politisch und sozial am Ende.

Die organisierte Arbeiter*innenbewegung des Landes ging mutig auf die Straße und forderte den Sturz der Junta. Nur zwei Tage vor der militärischen Inbesitznahme der Malwinen rief der Gewerkschaftsbund CGT trotz Massenverhaftungen zu einem breit unterstützten Generalstreik auf.

Die tiefe Unbeliebtheit des Regimes und das immense soziale Gewicht der Arbeiter*innenbewegung führten dazu, dass die Junta in einem verzweifelten Überlebenskampf alles auf ein nationalistisches Abenteuer zur Beschlagnahmung der Inseln setzte.

In Großbritannien war die Tory-Regierung Thatchers ebenfalls unpopulär. Sie hatte eine rapide ansteigende Inflation herbeigeführt und dann ihr brutales Heilmittel des Neoliberalismus angewandt, womit sie die tiefste Rezession des Jahrhunderts herbeiführte. Massenarbeitslosigkeit war die Folge.

Als Reaktion darauf organisierte die Labour Party, einschließlich der von „Militant“ (Vorgängerorganisation der Socialist Party, heutige Schwesterorganisation der Sol in England und Wales) geführten Jugendorganisation der Partei und die Gewerkschaften Ende 1980 und Anfang 1981 riesige Demonstrationen gegen die Regierung in Städten in ganz Großbritannien, was heute unter Keir Starmer undenkbar wäre.

Zwischen April und Juli 1981 kam es in London, Liverpool, Birmingham, Leeds und Manchester zu innerstädtischen Ausschreitungen, die mit der Massenarbeitslosigkeit unter Jugendlichen und dem institutionellen Rassismus zusammenhingen.

Internationales Ansehen

Die abgelegenen Falklandinseln waren ein wirtschaftlich unrentables Überbleibsel des britischen Imperialismus des 19. Jahrhunderts und abgesehen von Briefmarkensammler*innen hatten die meisten Menschen in Großbritannien vor dem Krieg noch nie etwas von ihnen gehört.

Aus der Sicht der herrschenden Klasse Großbritanniens hätte die argentinische Invasion, wenn sie nicht abgewehrt worden wäre, eine verheerende Demütigung für den britischen Imperialismus bedeutet, der sich seit dem Zweiten Weltkrieg im rapiden Niedergang befand.

Sein Status und sein Prestige auf internationaler Ebene standen auf dem Spiel. Wie Galtieri setzte auch Thatcher auf Risiko – und gewann.

Der Krieg und die Nachwirkungen

Die Versenkung des argentinischen Kriegsschiffs “General Belgrano” durch ein britisches U-Boot (das sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb des Konfliktgebiets befand) führte in den etablierten Medien zu einer Welle des Chauvinismus. “Gotcha” (etwa: “erwischt!”) lautete die berüchtigte Schlagzeile in der Murdoch-eigenen Massenzeitung “Sun”.

Diese chauvinistische Stimmung beeinflusste auch viele Arbeiter*innen und wurde nur teilweise gedämpft, als argentinische Jets, bewaffnet mit Exocet-Raketen aus französischer Produktion, zwei Tage später das britische Kriegsschiff HMS Sheffield versenkten.

Die französische Regierung unter Mitterrand, die öffentlich die britische Regierung unterstützte, wurde von Thatcher vorgeworfen, das argentinische Militär mit technischer Hilfe zu versorgen.

Die US-Regierung unter Präsident Reagan, die sowohl mit dem argentinischen Regime als auch mit der britischen Regierung verbündet war, plädierte zunächst für eine diplomatische Lösung des Konflikts, schwenkte aber im weiteren Verlauf des Krieges schnell auf die Seite Thatchers um.
Der mit zehn Wochen kurze, dafür aber blutige Krieg (1.000 Tote und 2.500 Verwundete) führte zu einem nur knappen militärischen Sieg der Tory-Regierung sowie zur Niederlage und zum raschen Zusammenbruch der argentinischen Diktatur.

Thatcher, die sich in dem durch den Krieg erzeugten Glanz des Nationalismus sonnte, schlug die Labour Party unter der Führung des erfolglos verbliebenen linken Michael Foot und errang im folgenden Jahr einen massiven Wahlerfolg bei den Parlamentswahlen.

Thatcher, die nun den Spitznamen „Eiserne Lady“ trug, fühlte sich dank der überraschend sprudelnden Öleinnahmen aus der Nordsee äußerst selbstbewusst, es mit den “großen Bataillonen” der organisierten Arbeiter*innenklasse aufzunehmen, insbesondere mit der „National Union of Mineworkers“ (Minenarbeiter*innengewerkschaft; von Thatcher als “innerer Feind” bezeichnet) in den Jahren 1984-85 und anderen.

Die Bergarbeiter*innen kämpften heldenhaft für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und Gemeinden, nur um vom Gewerkschaftsdachverband TUC und den Führer*innen der Labour Party im Stich gelassen zu werden.

Der von Militant geführte sozialistische Rat in Liverpool (1983-87), der die Arbeiter*innenklasse der Stadt mobilisierte, kämpfte ebenfalls gegen Thatcher und konnte ihrer Regierung bedeutende finanzielle Zugeständnisse abtrotzen.

Doch erst die von Militant angeführte Bewegung gegen die Kopfsteuer (Poll Tax) konnte acht Jahre später die Eiserne Lady zu Eisenspänen verarbeiten!

Die Reaktion der Linken in Großbritannien

Die Reaktion der Führung der Labour Party auf den Krieg war erbärmlich. Die Abgeordneten des rechten Flügels der Partei unterstützten den Militäreinsatz voll und ganz, während Labour-Chef Michael Foot eine Verhandlungslösung forderte – als ob eine der beiden Kriegsparteien nachgeben würde.
Foot war ein lebenslanger Unterstützer der Kampagne für nukleare Abrüstung (CND, “Campaign for Nuclear Disarmament”), obwohl er – wie auch Starmer heute – das westliche Militärbündnis der Nato unterstützte. Dennoch wurden seine CND-Sympathien von den rechten Medien und dem politischen Establishment aufgegriffen, die ihn als Pazifisten darstellten, der sich nicht gegen Diktatoren wie Galtieri wehren würde.

Linke Abgeordnete wie Tony Benn riefen gegen Ende des Konflikts zu einem “Friedensmarsch” auf und forderten, dass die Vereinten Nationen (UN) vermitteln sollten, um den Krieg zu beenden – eine utopische Forderung, da sich die UN aufgrund der blockierenden Vetos der Protagonisten des “Kalten Krieges”, des westlichen Imperialismus auf der einen und der stalinistischen Staaten Russland und China auf der anderen Seite, in ständiger Lähmung befanden.
Die Forderung von Benn und Co. stieß in der Öffentlichkeit auf wenig Gegenliebe, erlaubte es aber den kapitalistischen Medien, die Vorstellung zu verstärken, Linke seien “Defätisten”, die die “Demokratie” und die “Freiheit” der Falklandbewohner*innen nicht verteidigen würden.

Einige revolutionäre Gruppen in Großbritannien unterstützten die nationalen Ansprüche Argentiniens “kritisch, aber bedingungslos”, was in Wirklichkeit bedeutete, dass sie die Junta unterstützten. Damit entfremdeten sie sich von der überwältigenden Mehrheit der Arbeiter*innen in Großbritannien, die die Galtieri-Diktatur verabscheute.

Die Unterstützer*innen Militants (Vorläufer der Socialist Party, CWI in England und Wales), die die herrschenden Klassen beider Länder verurteilten, wurden von diesen Pseudorevolutionären in ultralinker Manier angegriffen, indem sie den marxistischen Revolutionär Leo Trotzki aus dem Zusammenhang gerissen zitierten. Dieser wandte sich in den 30er Jahren gegen die Drohung des britischen Imperialismus, im damals diktatorisch regierten Brasilien einzumarschieren.

Trotzki hatte argumentiert, dass die britischen Invasor*innen die brasilianische Arbeiter*innenklasse sowohl als Nation als auch als soziale Klasse doppelt versklaven würden und dass es daher notwendig sei, Brasilien im Falle eines Krieges kritisch zu unterstützen.

Wir argumentierten, dass die Situation dem von Trotzki skizzierten Szenario ähnlich gewesen wäre, wenn der britische Imperialismus in Argentinien einmarschiert wäre und es besetzt hätte – wodurch die argentinischen Arbeiter*innen doppelt versklavt worden wären. Aber dieses Szenario hat sich im Falkland-Krieg nicht abgespielt, und es war auch nicht zu erwarten.

Militant prangerte sowohl die Junta als auch Thatcher an und wandte sich gegen die Kriegsziele von beiden. Wir argumentierten, dass die unterdrückten Arbeiter*innen in Argentinien kein Interesse daran hatten, die Kriegsziele der Generäle zu unterstützen. Dies wurde durch die demoralisierte argentinische Armee bewiesen, die aus vielen armen Jugendlichen bestand, die keinen Grund sahen, zu kämpfen.

Stattdessen forderten wir einen revolutionären Sturz Galtieris durch die Arbeiter*innenklasse in Argentinien und einen unerbittlichen Kampf zum Sturz des Kapitalismus und zum Aufbau einer demokratischen sozialistischen Gesellschaft.

In Großbritannien riefen wir die Arbeiter*innenbewegung auf, weiterhin einen entschlossenen und umfassenden Klassenkampf zu führen, um Neuwahlen zu erzwingen und die Thatcher-Regierung zu stürzen.