Der Ukraine-Krieg und DIE LINKE

Dokumentiert: Stellungnahme des AKL-Landessprecher*innenrats Baden-Württemberg zum Ukraine-Krieg

Wir dokumentieren hier eine Stellungnahme des Landessprecher*innenrates der Antikapitalistischen Linken (AKL) in der Linkspartei Baden-Württemberg zum Ukraine-Krieg:

Stellungnahme des AKL-Landessprecher*innenrats Baden-Württemberg zum Ukraine-Krieg

Wir verurteilen den russischen Eroberungskrieg in der Ukraine und fordern einen sofortigen Rückzug aller Truppen und die Einstellung aller Kriegshandlungen.
Wir betrachten den Krieg als imperialistischen Krieg durch ein kapitalistisches und autoritäres Regime. Dieses Regime repräsentiert die „Oligarchen“, die die neuen Großkapitalisten Russlands sind, und ist für die wachsende soziale Ungleichheit verantwortlich. Die demokratischen Rechte sind vollständig abgeschafft, es regiert gegen die Opposition nur noch der Polizeiknüppel.
In der Konfrontation zwischen der NATO einerseits und der Regionalmacht Russland andererseits gibt es keine gerechte Seite.


Das Selenskyj-Regime

Als Internationalist*innen und Antikapitalist*innen stehen wir auch in Opposition zur prokapitalistischen korrupten Regierung unter Selenskyj. Genauso wie in Russland stehen hinter der Regierung Oligarchen, die sich durch Privatisierung und Diebstahl am Volksvermögen bereichert und die Mehrheit der Bevölkerung in Armut getrieben haben. Die ukrainische Regierung hat die Gesellschaft durch Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung gespalten und arbeitet offen mit Faschisten zusammen. Alle Oppositionsgruppen wurden inzwischen verboten. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2022 in München hat Selenskyj den Anspruch auf atomare Bewaffnung der Ukraine erhoben.


Die NATO


Kritik an der NATO und den Herrschenden in Deutschland bleibt notwendig, nicht um die Verbrechen des Putin-Regimes in irgendeiner Form zu relativieren, sondern um die Vorstellung zurückzuweisen, dass die NATO und die Herrschenden in Deutschland eine positive Antwort auf Putins Krieg darstellen würden. Sie haben mit der NATO-Osterweiterung und der Schaffung eines prowestlichen korrupten hochgerüsteten Regimes in der Ukraine an der Eskalation mitgewirkt und befeuern sie mit Waffenlieferungen. Wir lehnen das kategorisch ab und fordern einen sofortigen Rückzug aller NATO-Soldat*innen aus Osteuropa und den sofortigen Stopp der NATO-Osterweiterung.


* Wir lehnen die deutschen Waffenexporte und Auslandseinsätze der Bundeswehr ab.
* Wir betrachten Forderungen nach einer Flugverbotszone als einen potenziell verhängnisvollen Eskalationsschritt und lehnen sie vehement ab.
* Wir widersprechen der Erzählung, der Ukraine-Krieg sei der erste Krieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir halten fest, dass die NATO 1999 mit Beteiligung der Bundeswehr unter der SPD-Grünen-Regierung völkerrechtswidrig monatelang Serbien bombardiert hat.
DIE LINKE steht in Deutschland vor der besonderen Verantwortung, sich jetzt klar gegen das Kriegsbündnis NATO und den deutschen Imperialismus zu stellen! Wir bekräftigen die Ablehnung der Hochrüstung der Bundeswehr zu einer „der handlungsfähigsten Armeen in Europa“ (Scholz), die Forderung nach einem sofortigen Stopp aller Waffenexporte, nach Auflösung der NATO und Austritt Deutschlands daraus, wie sie noch im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 aufgestellt wurden. Wir lehnen jede noch so geringe Aufweichung dieser friedenspolitischen Position ab.
Die Ampel-Regierung
Wir betrachten die Aufrüstungspläne der Scholz-Regierung als einen Versuch, den deutschen Imperialismus von den letzten militärischen Beschränkungen zu befreien, die für ihn nach zwei verlorenen Weltkriegen bestanden. Wir werden sie offensiv bekämpfen und fordern die Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Kräfte auf, das ebenfalls zu tun und sich nicht mit einer „kritischen Sicht“ zu begnügen. Dass solche Beschlüsse unter maßgeblicher Beteiligung von SPD und Grünen gefällt werden, zeigt drastisch, dass es eine Illusion ist, die Führungen dieser Parteien als Teil eines gemeinsamen „linken Lagers“ zu betrachten.
In Sachen Öl- und Gasimporte betreibt die Ampelregierung eine unfassbare Heuchelei. Mit dem Argument, das Putin-Regime nicht länger zu finanzieren, soll jetzt mehr Öl in Saudi-Arabien und mehr Gas in Katar eingekauft werden. Verschwiegen wird dabei, dass die Saudische Diktatur mit ihren Öl-Einnahmen den Krieg im Jemen finanziert, in dem bisher bereits 250.000 Menschen gestorben sind und aktuell Tausende vom Hungertod bedroht sind. Robert Habecks neuer Gaslieferant Katar finanziert bekanntlich nicht nur den IS, sondern auch andere islamistische terroristische Organisationen. Keines dieser Regimes ist
demokratischer als das Putin-Regime: Wer in Katar oder Saudi-Arabien auf die Straße geht, wird genauso schnell verhaftet wie in Russland.


Sanktionen …


Sanktionen, die die arbeitende Bevölkerung in Russland und anderswo treffen, lehnen wir ab. Es genügt nicht, wenn Parteiund Fraktionsführung solche Maßnahmen nicht fordern. Sie haben die Aufgabe, derartige Sanktionen, die bereits beschlossen sind oder diskutiert werden, offensiv abzulehnen. Sie sind Wasser auf die Mühlen von Putin, der den Westen für Mängel verantwortlich machen und seine Unterstützung für den Krieg dadurch wahrscheinlich eher stärken kann.
Genauso lehnen wir jeden Ausschluss von Sportler*innen, Künstler*innen, Autor*innen und Musiker*innen sowie den Boykott von russischen Läden, die Aufkündigung von Städtepartnerschaften und jegliche Diskriminierung russischsprachiger Bevölkerung ab. Wer zur Herausbildung einer Wagenburg-Mentalität in Russland beiträgt, hilft Putin.


… oder internationale Solidarität


Wir haben große Achtung vor den Menschen, die in Russland trotz schärfster Repression gegen den Krieg auf die Straße gehen und erklären uns solidarisch mit ihnen.
* Wir begrüßen, dass belarussische Eisenbahner*innen aufgrund eines Appells ukrainischer Gewerkschaf-ter*innen die Eisenbahnverbindung zwischen Belarus und der Ukraine gekappt haben, um Truppentransporte über Belarus in die Ukraine
zu verhindern.
* Wir begrüßen, dass sich in Italien Arbeiter*innen am Flughafen Pisa geweigert haben, Waffen für die Ukraine, die als „humanitäre Hilfe“ getarnt waren, zu verladen. Diese zeigen, dass die arbeitende Bevölkerung über Grenzen hinweg die gleichen Interessen hat und die organisierte Arbeiter*innenklasse die Machtmittel in der Hand hat, effektiven Widerstand gegen den Krieg zu entwickeln oder – wie in den Revolutionen 1917 in Russland und 1918 in Deutschland gezeigt haben – den Krieg beenden kann.
* Wir fordern eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung aller Geflüchteten, ob aus der Ukraine oder von anderswo. Dazu sind auch Maßnahmen wie die Beschlagnahme von leerstehendem Wohnraum geeignet.
* Wir begrüßen es, wenn Waffenstillstände oder Friedensschlüsse das Blutvergießen stoppen, wir warnen aber vor der Illusion, dass Abkommen zwischen kapitalistischen Regierungen die Kriegsursachen beseitigen und einen stabilen Frieden schaffen werden.
* Wir fordern umfassende Hilfe beim Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg und lehnen jegliche dem schon vor dem Krieg hochverschuldeten Land aufgezwungenen „Strukturanpassungsprogramme“ und sonstigen neoliberalen Maßnahmen ab.
* Wir unterstützen die Forderung, die Schulden der Ukraine zu streichen.
* Wir setzen uns für Hilfe für die Menschen weltweit ein, die durch den kriegsbedingten Anstieg der Getreidepreise noch mehr vom Hunger bedroht sind.
* Wir betrachten es als eine unserer Aufgaben, antikapitalistische und sozialistische Bewegungen und Organisationen in Russland, der Ukraine und anderen Ländern der Region zu unterstützen. Wir setzen uns in den Gewerkschaften für die
Unterstützung unabhängiger und klassenkämpferischer Gewerkschaften in der Region ein.
Antikapitalistisches Profil schärfen
Jetzt geht es auch darum, weitergehende antikapitalistische Forderungen aufzustellen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Enteignung der Kriegsgewinnler*innen: Rüstungsbetriebe und Energiekonzerne müssen in Gemeineigentum überführt und demokratisch verwaltet und kontrolliert werden. Auf dieser Grundlage können die Energiepreise gesenkt, die Energieerzeugung
auf dezentrale erneuerbare Energie und die Rüstungsindustrie auf sinnvolle gesellschaftliche Produktion umgestellt werden.
Wir unterstützen dazu bereits vorhandene Strukturen wie die Kampagne „Rheinmetall enteignen“.
Für uns liegen die Ursachen dieses und anderer Kriege auf der Welt im kapitalistischen System, das auf Ausbeutung,
Profitmaximierung und Konkurrenzkampf beruht. Je schärfer der Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt, desto stärker wächst die Kriegsgefahr. Denn Kriege sind heute die Fortsetzung des kapitalistischen Konkurrenzkampfes um Rohstoffe,
Absatzmärkte, Handelswege, Arbeitskräfte mit militärischen Mitteln. Der Satz von Rosa Luxemburg: „Solange das Kapital herrscht, werden Rüstungen und Kriege nicht aufhören“ stimmt noch immer. In der gegenwärtigen Periode der Schwächung
des US-Imperialismus und des Aufstiegs Chinas ist die Kriegsgefahr zusätzlich erhöht. Wir betrachten es als eine wichtige Aufgabe der LINKEN, auf den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Krieg hinzuweisen und in der Antikriegsbewegung für antikapitalistische Positionen einzutreten.
Wir kämpfen für weltweiten Widerstand gegen den Ukraine-Krieg und alle anderen Kriege, gegen Aufrüstung, Militarismus und Kapitalismus und für sozialistische Demokratie.


25.03.2022