Neuer Senat enttäuscht
Monate nach der Tarifeinigung warten Krankenhaus-Beschäftigte auf höhere Löhne bzw. Entlastung. Beim Umgang mit dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ erfüllt der Berliner Senat bisher alle Befürchtungen. DIE LINKE sowie Aktivist*innen der Krankenhaus- und Mietenbewegung müssen daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.
von Michael Koschitzki, Berlin
Die regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey ist mittlerweile so unbeliebt wie ihr Vorgänger Michael Müller. Ihr fällt die Rolle zu, die neoliberale Sparpolitik wieder anzuziehen. Im Juni wird der Haushalt beschlossen und der muss mit Milliarden-Defiziten nach Einnahmeausfällen umgehen. Eine linke Regierung würde für die Besteuerung der Reichen eintreten und für deren Umsetzung beim Bund protestieren statt Kürzungen umzusetzen. Doch stattdessen hat der Senat bereits Budgets von Schulen gekürzt.
Keine Entlastung im Krankenhaus
Rund um die Wahl streikten die Beschäftigten der öffentlichen Berliner Krankenhäuser für Entlastung der Pflege und bessere Bezahlung der Tochtergesellschaften. Die erkämpften Tarifverträge sollten zum 1. Januar umgesetzt werden. Vier Monate später ist jedoch vor allem bei den landeseigenen Vivantes Kliniken kaum etwas passiert. Während sie auf Plakatwerbung für neues Personal mit dem Tarifvertrag werben, ist bisher von Entlastung nichts zu spüren. Vivantes erfasst die Personalstärke pro Schicht noch gar nicht detailliert. Für die Tochtergesellschaften soll erst im Mai und Juni der neue Lohn kommen. Es droht ein Unterlaufen der Tarifverträge – toleriert durch die grüne Gesundheitssenatorin Ulrike Gote und dem Rest der Regierung.
Volksentscheid umsetzen
Über eine Million Berliner*innen bzw. 57,6 Prozent stimmten letztes Jahr für die Enteignung der großen Immobilienkonzerne. Um die Umsetzung dieser Entscheidung zu verhindern, berief der Senat eine Expertenkommission ein – aber langsam. Ende April sollte die erste Sitzung stattfinden, um dann ein Jahr lang zu arbeiten. Egal, was die Kommission dann sagt: Die Hoffnung ist, dass eineinhalb Jahre später der Volksentscheid schon länger aus dem Gedächtnis verschwunden ist und eine Missachtung des Votums nicht mehr so viel Empörung auslöst. Um auch das Ergebnis möglichst uneindeutig zu machen, hat die SPD Gegner*innen der Enteignung in das Gremium berufen.
Fehler der Initiative
Tragischerweise hat die Initiative des Volksentscheids dazu beigetragen, dass diese Taktik aufgehen könnte. Statt die Expertenkommission abzulehnen, wird die Initiative sich daran beteiligen. Ihrerseits schickt sie auch drei Professor*innen in das Gremium, die den produzierten Papierstapel weiter vergrößern werden, statt die Verzögerungstaktik zu entlarven. Rechtsfragen sind letzten Endes Machtfragen und keine akademischen.
Es braucht stattdessen eine starke Bewegung, aber auch den Aufbau einer politischen Kraft, welche die Enteignung durchsetzen kann. DIE LINKE hat den Volksentscheid zwar als einzige Partei voll unterstützt, ist aber erneut in die Regierung mit SPD und Grünen eingetreten. Das war falsch. In diesem pro-kapitalistischen Bündnis kann sie die Enteignung nicht nur nicht durchsetzen, sondern muss auch diese Verzögerungstaktik und die falsche Haushalts- und Gesundheitspolitik mittragen.
Widerstand stärken
Die Bewegungen in der Stadt wären in einer besseren Ausgangslage gewesen, hätte die Initiative und DIE LINKE die Expertenkommission abgelehnt und hätte sie zusammen mit den unterstützenden Gewerkschaften und Bewegungen für die Umsetzung ihres von ihnen geprüften und erarbeiteten Gesetzentwurfs mobilisiert. Keine Frage: Das wäre keine einfache Sache und ein langer Kampf. Doch die Mietenbewegung muss auf der Umsetzung des Volksentscheids beharren und gleichzeitig den Kampf unter anderem gegen aktuelle Miet- und Betriebskostensteigerung fortsetzen. Sie sollte die große Enteignungs-Konferenz vom 27. bis 29. Mai nutzen, sich neu zu orientieren.
In den Krankenhäusern spekulieren die Klinikleitungen darauf, dass niemand so genau hinschaut und die Gewerkschaften nicht stark genug sind, wieder Protest zu organisieren. Das Gegenteil sollte ihnen bewiesen werden. Auf allen Ebenen müssen die Betriebsgruppen aufgebaut, unterstützt und nächste Proteste für Entlastung und Bezahlung vorbereitet werden.
Es waren historische Erfolge, den Volksentscheid zu gewinnen und den größten Krankenhausstreik der deutschen Geschichte zu organisieren. Doch die Bewegungen dürfen nicht nachlassen und müssen zu nachhaltiger Selbstorganisation führen, damit diese Erfolge auch materiell zu Verbesserungen führen. Dafür lohnt es sich, aktiv zu werden oder zu bleiben.