Sri Lanka zwischen Revolution und Konterrevolution

Die Krise vertieft sich

Vorbemerkung: Dieser Artikel wurde vor dem gestrigen Sturm des Präsidentenpalastes und dem Rücktritt des Präsidenten Rajapaksa verfasst und ist in der Juli/August-Ausgabe der “Solidarität” erschienen. Berichte und Artikel zu den aktuellen Ereignissen in Sri Lanka folgen in den nächsten Tagen.

Welche Richtung wird Sri Lanka in der kommenden Periode einschlagen? Wird das Establishment versuchen, seine Position zu festigen oder wird die Massenbewegung der Jugend in der Lage sein, die korrupten kapitalistischen Führer*innen zu verjagen und dem Aufbau einer neuen Gesellschaft näher zu kommen?

von Srinath Perera, Vereinigte Sozialistische Partei

Der Jugendkampf, der als Reaktion auf die repressiven Maßnahmen des gegenwärtigen Regimes begann, nahm am 9. April mit dem Beginn einer anhaltenden Besetzung des Präsidentenbüros in Colombo eine neue Wendung. Die Besetzung, im Volksmund als „der Kampf” bezeichnet, konnte die meisten Gesellschaftsschichten anziehen. Die Gewerkschaften, die lange Zeit lethargisch waren, sahen sich gezwungen, auf positive Weise zu reagieren. Das Ergebnis war der äußerst erfolgreiche Generalstreik am 28. April. Dann kam der Hartal (Generalstreik, an dem sich aus kleinbürgerliche Schichten wie Ladenbesitzer*innen beteiligen) am 6. Mai mit Streiks, Besetzungen und Boykotten, der das Land vollständig lahmlegte. Die herrschende Klasse war schwankend und nicht in der Lage zu verstehen, was geschah und was getan werden musste, um die Situation unter Kontrolle zu bringen.

Kampfstimmung

Eine fast vorrevolutionäre Situation begann zu entstehen. Die Arbeiter*innenklasse war voll auf den Kampf eingestellt. Fast alle unterdrückten Massen waren in Kampfstimmung. Sie alle forderten den Sturz des Präsidenten und aller Mitglieder des Parlaments. Die herrschende Klasse war völlig verwirrt und gespalten. Die Militärführer waren nicht in der Lage, tödliche Gewalt anzuwenden. Damit waren die objektiven Voraussetzungen selbst für einen revolutionären Aufstand gegeben. Der subjektive Faktor, d.h. eine revolutionäre Partei, die den Kampf in eine Revolution umwandeln kann, war jedoch nicht vorhanden, um diesen Prozess durchzusetzen.

Premierminister Mahinda Rajapaksa war nicht bereit, sein Amt aufzugeben, und rief seine Anhänger*innen am 9. Mai in seine offizielle Residenz. Es gab hasserfüllte Reden gegen die Jugend im „Kampf“, und am Mittag begannen die Anhänger*innen von Mahinda Rajapaksa, die in Wirklichkeit Schläger von Lokalpolitikern waren, die für Geld und Alkohol gekauft wurden, die „Kampf“-Mahnwachen vor den Büros des Premierministers und des Präsidenten zu stürmen. Als Reaktion auf diesen Angriff taten sich die Menschen vor Ort zusammen und erwischten die Busse, mit denen die Schläger zurückfuhren. Sie griffen sie an und stießen sie in einen See in der Stadt, wobei etwa 50 Busse zerstört wurden, die für den Transport der Schläger benutzt worden waren. Am Abend desselben Tages wurden außerhalb von Colombo mehr als 100 Häuser und andere Besitztümer von Politiker*innen der Regierungspartei in Brand gesetzt und ein Parlamentsabgeordneter getötet. So groß war die Wut der Massen, die bis dahin verborgen war. Premierminister Mahinda Rajapaksa musste in Schande zurücktreten.

Neuer Premierminister

In den folgenden Tagen wurden zahlreiche Verhandlungen geführt und schließlich am 11. Mai der Führer der rechten United National Party, Ranil Wikramasinghe, zum Premierminister ernannt.

Der Massenkampf ist vorerst abgeflaut. Den Gewerkschaften, die in weniger als zehn Tagen zwei sehr erfolgreiche Streiks durchgeführt haben, fällt es schwer, eine nennenswerte Zahl von Arbeiter*innen für eine Streikpostenkette zu gewinnen. 

Auch wenn die Kampfstimmung der Menschen vorerst gedämpft ist, ist die Wut gegen die Herrschenden sehr groß. Treibstoff, Kochgas, Strom und Grundnahrungsmittel sind knapp, und die Preise sind in die Höhe geschnellt und für die große Mehrheit unerschwinglich. Die Menschen warten auf eine Gelegenheit, ihre derzeitigen Machthaber*innen loszuwerden; sie trauen jedoch weder den etablierten Parteien noch den Politiker*innen.

Für Arbeiter*innenkomitees

Der Gewerkschaftsflügel der United Socialist Party ist Teil der linkeren Gewerkschaftskoalition und hat die Gewerkschaftsführer*innen unermüdlich dazu gedrängt, meinen kämpferischen Weg einzuschlagen und die einfachen Arbeiter*innen an der Basis zu mobilisieren. Wir haben zur Bildung von Arbeiter*innenkomitees in den Fabriken, Büros und anderen Arbeitsstätten aufgerufen und dazu, Protestaktionen von unten zu starten, damit diese Basis-Arbeiter*innen nicht nur teilnehmen, sondern sie auch führen können.    

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