National People’s Power gewinnt Parlamentswahlen
Die Parlamentswahlen in Sri Lanka am 14. November markierten einen Wendepunkt in der politischen Geschichte des Landes. Die National People’s Power (NPP) sicherte sich erstaunliche 159 Sitze und erreichte damit eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Dieses Ergebnis schockierte politische Beobachter*innen und höchstwahrscheinlich auch die NPP selbst.
von Prasad Welikumbura
Ihre Kampagne, die im Vergleich zu ihrer energischen Präsidentschaftskandidatur deutlich verhaltener war, umfasste weniger Kundgebungen, eine geringere Mobilisierung an der Basis und scheinbar weniger Enthusiasmus bei den Anhänger*innen. Dennoch gewannen sie zusätzliche 1,2 Millionen Stimmen und erzielten bahnbrechende Siege im ganzen Land, auch im Norden und Osten, die traditionell von tamilischen und muslimischen Parteien dominiert werden. Dies ist das erste Mal in der Geschichte Sri Lankas, dass eine etablierte politische Partei diese Regionen bei einer Parlamentswahl erobert hat.
Niedrige Wahlbeteiligung und Erosion der Unterstützung derRechten
Die Wahlbeteiligung von 68 Prozent – weit unter dem historischen Durchschnitt von 75 Prozent – war die drittniedrigste seit Einführung des Verhältniswahlrechts in Sri Lanka. Zuvor wurden ähnlich niedrige Wahlbeteiligungen während des JVP-Aufstands (Janatha Vimukthi Peramuna) von 1989 (63,6 Prozent) und bei den Wahlen unmittelbar nach dem Krieg 2010 (61,26 Prozent) verzeichnet. Dieser Rückgang spiegelt eine tiefe Enttäuschung unter den Wählenden wider, insbesondere unter denen, die bei früheren Wahlen die dominierenden rechten Parteien unterstützt hatten.
Bei der Präsidentschaftswahl vor nur zwei Monaten erhielten die SJB (Samagi Jana Balawegaya), Ranil Wickremesinghe und die SLPP (Sri Lanka Podujana Peramuna) zusammen über 52 Prozent der Stimmen. Bei den Parlamentswahlen sank ihr gemeinsamer Anteil auf 25 Prozent. Dieser dramatische Rückgang unterstreicht die Ablehnung dieser Parteien, ihrer neoliberalen Programme und der etablierten politischen Klasse durch die Öffentlichkeit. Die SLPP hat nun drei Sitze im Parlament. Die Gruppe der traditionellen kapitalistischen Partei von Ranil Wickramasinghe, UNP und NDF, hat fünf Sitze.
Die NPP nutzte diese Stimmung in der Bevölkerung und verband sie mit ihrer Forderung nach einer Säuberung des Parlaments, was bei den Wählenden, die die Nase voll von politischer Korruption und Ineffizienz hatten, auf offene Ohren stieß. „225 raus“ war einer der populären Slogans während der Wahl, der auch den Rücktritt aller Parlamentarier*innen forderte. Was an der Wahlurne zum Ausdruck kommt, ist die Wut und Ablehnung gegenüber den rechten Eliten.
Diese Wahl war auch eine vernichtende Anklage gegen Ranil Wickremesinghes vom IWF diktierte Wirtschaftsagenda. Keines der ursprünglichen Kabinettsmitglieder sicherte sich einen Sitz im Parlament, darunter auch Kanchana Wijesekara, ein prominenter Befürworter von Sparmaßnahmen. Dieses Ergebnis signalisiert nicht unbedingt eine landesweite Ablehnung der IWF-Politik, aber es spiegelt die wachsende Unzufriedenheit mit den Härten wider, die diese Maßnahmen der Arbeiter*innenklasse auferlegt haben. Es zeigt auch die Bereitschaft der Öffentlichkeit, nach Alternativen zu suchen.
Die NPP und die Unterstützung von Minderheiten
Eines der auffälligsten Ergebnisse der Wahl war der beispiellose Erfolg der NPP bei ethnischen und religiösen Minderheiten. Die Partei gewann entscheidend im Norden, Osten, im Hügelland und in städtischen Gebieten mit bedeutenden Minderheitenbevölkerungen. Diese Verschiebung spiegelt eine wachsende Enttäuschung über regionale ethnisch basierte Parteien wider, die von internen Spaltungen, politischer Unklarheit und dem wahrgenommenen Verrat an den Interessen ihrer Basis geplagt sind. Aber wir können nicht von einem klaren Sieg sprechen, da alle neun Wahlbezirke, in denen die NPP verloren hat, aus von Minderheiten dominierten Gebieten stammen.
Trotz dieses Erfolgs ist es verfrüht, das Ende der tamilischen Nationalpolitik zu verkünden, wie einige NPP-Anhänger*innen behaupten. Noch vor zwei Monaten unterstützte ein Drittel der Wählenden im Distrikt Jaffna Ariyanethirans Präsidentschaftskandidatur – einen tamilischen „gemeinsamen Kandidaten“, der von mehreren zivilgesellschaftlichen Gruppen ins Leben gerufen wurde – der auf tamilischen nationalistischen Prinzipien basierte, obwohl er keine realistische Chance auf einen Sieg hatte. Dies zeigt zum Teil, dass ethnische Identität und Selbstbestimmung für die Tamilen nach wie vor entscheidende Themen sind. Es wäre naiv zu glauben, dass sich in den letzten zwei Monaten alles geändert hat.
Der Erfolg der NPP bei den Minderheiten war wahrscheinlich auf die Unzufriedenheit mit den regionalen politischen Parteien zurückzuführen, die durch interne Streitigkeiten, Unzuverlässigkeit, das Fehlen klarer politischer Positionen oder Klarheit in der Wirtschaftspolitik usw. verursacht wurde. Vor diesem chaotischen Hintergrund erschien die NPP als eine Partei mit breiterer Anziehungskraft, die in der Lage ist, systemische Korruption und Ungleichheit zu bekämpfen. Diese Unterstützung stellt jedoch sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung dar. Um sie aufrechtzuerhalten, muss die NPP greifbare Fortschritte in der nationalen Frage erzielen, einschließlich einer sinnvollen Machtübertragung als Anfang und der Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung.
Chancen und Herausforderungen für die NPP
Der Erdrutschsieg der NPP bietet ihr die historische Chance, die politische und wirtschaftliche Landschaft Sri Lankas neu zu gestalten. Mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament und einem öffentlichen Mandat für Veränderungen hat die NPP keine Entschuldigung dafür, keine mutigen Reformen zum Wohle der Arbeiter*innenklasse zu verfolgen. Sie sollte mit der Umsetzung eines wirtschaftlichen Notfallprogramms beginnen, das die Situation von Zehntausenden, die sich in wirtschaftlicher Not befinden, erleichtern könnte.
Sie sollten auch allen demokratischen Forderungen nachkommen, einschließlich der Forderungen der Tamilen und Muslime. Sie sollten unverzüglich mit der Entmilitarisierung des Nordens und Ostens beginnen, alle politischen Gefangenen, die im Rahmen des PTA (Terror-Verhinderungs-Akt) festgehalten werden, freilassen und die von der Regierung geförderten Kolonisierungsbemühungen beenden, die als Wiederherstellung religiöser und kultureller Stätten getarnt sind und unnötige Spannungen in der Gemeinschaft verursacht haben. Nur so können sie Vertrauen unter den Minderheitengemeinschaften aufbauen, die jahrzehntelang anders behandelt wurden.
Außerdem würde dies rechtsliberale Parteien wie SJB & NDF davon abhalten, Minderheitenprobleme auszunutzen, um sie gegen ihre politischen Gegner zu mobilisieren, wie sie es in der jüngeren Vergangenheit getan haben.
Der Schlüssel liegt jedoch in der Umsetzung eines Programms, das sich auf öffentliche Investitionen, soziale Leistungen und industrielle Entwicklung konzentriert und die dringenden Bedürfnisse der Arbeiter*innenklasse und marginalisierter Gemeinschaften berücksichtigt. Die Wirtschaftseliten, die die Preise für Grundnahrungsmittel und den Markt zu ihrem eigenen Vorteil auf Kosten aller anderen manipuliert haben, sollten in Zukunft nicht mehr dazu in der Lage sein.
Die internen Widersprüche innerhalb der NPP stellen jedoch eine große Herausforderung dar. Die Anwesenheit einer rechten Fraktion innerhalb der Partei könnte Bemühungen zur Umsetzung linker Politik behindern. Diese Spannungen könnten zu einem Schlachtfeld für die Seele der NPP werden und darüber entscheiden, ob sie sich zu einem echten Instrument für eine wirklich radikale, arbeiter*innenfreundliche Politik entwickeln kann und sogar zu einem Instrument für sozialistischen Wandel, wie viele ihrer Wählenden hoffen, oder ob sie dem Druck des sogenannten kapitalistischen „Pragmatismus“ und Kompromissen erliegt.
Die Rolle der Linken und der organisierten Arbeiterschaft
In dieser neuen politischen Landschaft scheinen die traditionellen rechten Parteien kaum in der Lage zu sein, eine wirksame Opposition zu bilden. Ihre ideologische Starrheit und ihre Unfähigkeit, sich mit den materiellen Belangen der Arbeiter*innenklasse auseinanderzusetzen, haben sie überflüssig gemacht. Der Aufstieg einer rechtspopulistischen Bewegung kann nicht ausgeschlossen werden, ist aber angesichts des Versagens der Regierung von Gotabaya Rajapaksa auch sehr unwahrscheinlich.
Damit liegt die Verantwortung, sich gegen arbeiter*innenfeindliche Politik zu wehren und die Interessen der Massen zu vertreten, voll und ganz bei den linken Parteien, Gewerkschaften und Sozialist*innen. Die Linke muss sich nicht nur zusammenschließen, um eine konsequente Kritik an der NPP zu üben, sondern auch ein positives Programm vorlegen, um die Interessen der Arbeiter*innen, Bäuer*innen und Jugendlichen voranzutreiben. Insbesondere Trotzkist*innen spielen eine entscheidende Rolle bei der Organisation des Widerstands gegen den Neoliberalismus und beim Aufbau einer Bewegung, die in der Lage ist, echte sozialistische Veränderungen zu erreichen.
Die Parlamentswahlen 2024 spiegeln eine tiefe Sehnsucht der Bevölkerung Sri Lankas nach Veränderung wider. Der Sieg der NPP ist zwar historisch, aber nur der Anfang. Nicht nur sollten alle demokratischen Forderungen der Massen erfüllt werden, sondern es sollte auch zu weitreichenden, langfristigen wirtschaftlichen Veränderungen kommen. Es sollte eine öffentliche Debatte darüber stattfinden, was sozialistische Politik ist und wie sie erreicht werden kann. Die Arbeiter*innen müssen bei der Festlegung der Politik eine Schlüsselrolle spielen. Wir müssen uns jedem Versuch widersetzen, die Handlungsfreiheit von Arbeiter*innen oder Gewerkschaftsrechte einzuschränken. Gleichzeitig müssen wir dafür kämpfen, den Arbeiter*innen mehr Macht zu verleihen, indem wir Komitees von Arbeiter*innen einrichten und diese auf nationaler Ebene zusammenbringen. Ein solches Gremium wird ein wirksames Instrument für Veränderungen sein.
Dieser Artikel erschien am 18. November 2024 auf www.socialistworld.net in englischer Sprache.