Kapitalismus macht depressiv

Krise lässt psychische Erkrankungen in die Höhe schießen

Schon von klein auf wird Kindern gesagt, man müsse sich mit anderen messen, um später einem lukrativen Beruf nachzugehen. Mit Noten werden Menschen nach ihrem Nutzen für die Unternehmen sortiert. Menschen werden unter dem Amboss von Schule und Beruf vor allem zu Humankapital für „die Wirtschaft“ geformt. Bist du unfähig mitzuhalten, wird dir klargemacht, dass du ersetzbar bist. Das Damoklesschwert der Kündigung schwebt immer über den Köpfen von Arbeiter*innen. Deshalb macht dieses System krank. Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Politik der Regierenden haben sich psychische Probleme, vor allem unter Jugendlichen, nochmal massiv ausgebreitet.

von Luhan Saner Güney, Hamm

Der DAK-Psychreport verzeichnete Jahr im 2021 einen Höchststand von 264,6 Fehltagen pro 100 Versicherter aufgrund von psychischer Erkrankungen, wobei die Grauziffer aller Betroffenen bei dieser Erhebung aufgrund der noch immer anhaltenden Stigmatisierungen von Depressionen und Angststörungen höher liegen dürfte. Laut einer Umfrage der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung vom Januar desselben Jahres erhielten niedergelassene Psychotherapeut*innen deutlich mehr Anfragen als noch im Vorjahr und knapp vierzig Prozent der Antragssteller*innen mussten länger als sechs Monate warten. Monate, die bei vielen Menschen über Leben und Tod entscheiden können. Alleine im Jahr 2020 starben laut dem statistischen Bundesamt 9206 Menschen durch Suizid – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Laut Uniklinik Essen sind nach dem zweiten Lockdown rund dreimal so viele Kinder und Jugendliche wegen Suizidversuchen auf der Intensivstation gelandet wie vor der Pandemie.

Die aktuell gestiegenen Zahlen haben viel mit den Einschränkungen während der Pandemie zu tun. Die soziale Isolation, Lockdown und Homeschooling, sowie die Angst vor dem Virus haben vor allem junge Menschen hart getroffen. Die Regierenden haben dem allerdings auch wenig entgegengesetzt. Nicht nur wurden Schulen bis heute nicht sicher gemacht durch u.a. Investitionen in ausreichend Luftfilter. Es gab und gibt auch viel zu wenig pädagogisches oder psychotherapeutisches Personal, um sich um Schüler*innen und Familien zu kümmern – sei es im Lockdown oder im Normalalltag. Gleichzeitig verstärkt die Pandemie nur einen bereits bestehenden Trend. Die Zahl der Depressionen bei Minderjährigen hat sich beispielsweise innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt.

So wie es ist, darf es nicht bleiben 

Die Corona-Krise hat die anhaltenden Probleme psychisch Erkrankter verstärkt. Nicht nur die Isolation und Durchseuchung haben der Bevölkerung zu schaffen gemacht, denn soziale Verwahrlosung und Ausbeutung sind dem Kapitalismus inhärent.

Nur wenn wir mit diesem Mördersystem brechen, können die Bruthallen von marktgerechten Menschen, die die Schulen und Hochschulen momentan sind, zu Orten umgewandelt werden, in denen Menschen frei von zermürbendem Konkurrenzdenken und Zukunftsängsten ihre individuellen Talente fördern können.

Um der Welle an psychischen Erkrankungen, Einhalt zu gebieten, sollten mehr Anlaufstellen und Therapieplätze zugänglich gemacht werden. Dafür ist ein massives, öffentliches Investitionsprogramm nötig und der Aufbau kommunaler Hilfsangebote in den Nachbarschaften. Doch das wird uns nicht geschenkt. Verbesserungen u.a. in der Gesundheitsversorgung müssen erkämpft werden. Aber die tieferen Ursachen für zum Beispiel Armut und Unsicherheit liegen im Kapitalismus. Den gilt es gemeinsam, also als organisierte Arbeiter*innenklasse, abzuschaffen, um diesen Wahnsinn zu beenden.   

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