Die Gewerkschaften zu kämpferischen Organisationen machen

Erfolgreiche Konferenz der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“

Die Konferenz der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) am 8./9. Oktober in Frankfurt am Main war mit etwa einhundert Teilnehmer*innen ein wichtiger Schritt für die Stärkung von klassenkämpferischen Ansätzen in den Gewerkschaften und Betrieben. Augenfällig war, dass neben langjährigen älteren Aktivist*innen auch eine Reihe von jüngeren Kolleg*innen aus verschiedenen Teilen des Bundesgebiets vertreten waren. Dies ist eine wichtige Grundlage für weitere Aufbauschritte.

Von Angelika Teweleit

Die Konferenz war geprägt von lebendigen Diskussionen. Insbesondere beim Tagesordnungspunkt zu Kampf gegen Reallohnabbau und Preissteigerungen, bei dem ein rein weibliches Podium von vier Kolleginnen einleitete, beteiligten sich mehr als dreißig Kolleg*innen in der anschließenden Diskussion. Der Tagesordnungspunkt war an sich schon vielfältig, denn es ging um die Aussichten für die Metall-Tarifrunde ebenso wie für den öffentlichen Dienst, die Lehren aus dem Tarifkampf der Hafenbeschäftigten wie auch um die Frage, welche Rolle die Gewerkschaften aktuell spielen müssten, um einen Kampf gegen die Auswirkungen der Preissteigerungen auf die arbeitende Klasse insgesamt zu organisieren.

Kampagne für heißen Herbst und Winter

Zu diesem Thema lag vom Ko-Kreis ein Textentwurf für eine Erklärung vor, der mit kleinen Änderungen und Ergänzungen beschlossen wurde. Dabei waren sich alle einig, dass die VKG für eine Beendigung der Teilnahme an der konzertierten Aktion mit Regierung und Unternehmern eintritt und stattdessen die Gewerkschaftsführungen dazu auffordert, den Widerstand dagegen aufzubauen, dass die Beschäftigten die Zeche für die derzeitige kapitalistische Krise und die Preisexplosion zu zahlen.

Für die Metalltarifrunde wurde von Christa Hourani ausgeführt und in der Diskussion ergänzt, dass die Forderung nach acht Prozent nicht einmal ausreicht um Reallohnverlust zu verhindern. Die VKG fordert, dass sie aber ohne Abstriche bei einer Laufzeit von maximal zwölf Monaten durchgesetzt wird und nicht durch eine Einmalzahlung, die keine nachhaltige Lohnerhöhung bedeutet, kompensiert werden darf. Damit stellt sich die VKG nicht dagegen, dass Einmalzahlungen getätigt werden, aber sie müssen zusätzlich zu ausreichenden tabellenwirksamen Erhöhungen kommen. Die Metall-Arbeitgeber haben nochmal bekräftigt, dass sie eine Nullrunde wollen. IG Metall-Vorstand und Tarifkommission sollten unverzüglich eine Urabstimmung vorbereiten und klar machen, dass sie die Kolleg*innen in allen Betrieben zum Streik mobilisieren werden. Angesichts der jahrelangen Verzichtslogik der IG Metall-Führung und einer fehlenden innergewerkschaftlichen Opposition sieht es momentan nicht danach aus, dass dies umgesetzt wird. Aber es verdeutlicht, warum der Aufbau einer solchen so dringend nötig ist, zusammen mit dem Aufbau von gewerkschaftlichen Strukturen in den Betrieben, die seit Jahren vernachlässigt wurden.

Jana Kamischke berichtete vom Streik der Hafenarbeiter*innen, wo es zum ersten Mal sei Jahrzehnten überhaupt zu größeren Kampfmaßnahmen kam. Hier war es zunächst nötig, die Kolleg*innen zu überzeugen und zu ermutigen, den Kampf zu führen und das auch gemeinsam mit Kolleg*innen aus anderen Hafenbetrieben. Dann war die Stimmung enorm kämpferisch und die Forderungen wurden so aufgestellt, dass gerade auch für die schlechter gestellten Kolleg*innen ein deutliches Lohnplus erreicht werden sollte. Die Bosse reagierten auf den Streik mit dem Antrag auf einstweilige Verfügungen vor Gericht. Obwohl es keine Not gab, ließ sich der ver.di-Apparat auf einen Vergleich ein, der dann eine Friedenspflicht von mehreren Wochen erwirkte, in dem man sich zu drei Verhandlungsrunden verpflichtete. Dies war nicht mit der Streikführung und den Kolleg*innen kommuniziert worden und es gab enorme Wut darüber. Dadurch wurde auch ein Ergebnis herbei geführt, welches nur für einen Teil von Kolleg*innen einigermaßen zufrieden stellend war, wenn auch hier mit zu langer Laufzeit. Wie auch in anderen Fällen war aber das Problem vor allem, dass gerade für die Kolleg*innen mit niedrigeren Löhnen kein gutes Ergebnis erzielt wurd, sondern diese stattdessen einen Reallohnverlust hinnehmen mussten. Dies hat zu großem Frust unter diesen Kolleg*innen geführt und es spaltet die Kolleg*innen, nachdem im Streik eine Einheit entstanden war. Auch eine Petition, die den Unmut von Kolleg*innen zum Ausdruck brachte, konnte den Kurs der ver.di Führung an dieser Stelle nicht umkehren. Dies ist ein weiteres Beispiel, wie wichtig der bewusste Aufbau einer innergewerkschafltichen Opposition ist, um in solchen Situationen vorbereitet zu sein, und um gemeinsam mit anderen Kolleg*innen eine Strategie zu entwickeln, wie der Willen der Streikenden erfolgreich von unten durchgesetzt werden kann. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass dieser Kampf viele Kolleg*innen seit langem erstmals aktiviert hat, was ein großer Schritt nach vorn ist.

Dorit Hollasky, aktiv in der ver.di-Betriebsgruppe am Klinikum Dresden und Mitglied der Sol, leitete zur bevorstehenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst ein. In der Forderungsfindungsdiskussion gab es in vielen Bezirken und Betrieben sehr hohe Forderungen wie nach 500, 600 oder 800 Euro monatlicher Festgelderhöhung. Anne Pötzsch von der Berliner Krankenhausbewegung stellte dar, wie bei einem Treffen von etwa hundert Krankenhausbeschäftigten Forderungen nach 19 Prozent und mindestens 500 Euro bei zwölf Monaten Laufzeit sowie einer automatischen Anpassung an die Inflation (für den Fall, dass die Laufzeit zwölf Monate überschreitet) aufgebracht wurden. Auf Landesbezirksebene war es ein harter Kampf, sich mit diesen Forderungen durchzusetzen, aber letztlich wurde alles durchgesetzt und nur die Prozentforderung auf 16 Prozent abgesenkt, was immer noch historisch hoch ist. Es ist klar, dass jede Forderung im zweistelligen Bereich auch eine Durchsetzungsstrategie braucht. Hier wird es wichtig, dass die VKG sich in die Diskussion in ver.di und in Betrieben einbringt. Ein Vorteil ist, dass die VKG in diesem Bereich von mehr Kolleg*innen unterstützt wird, als zum Beispiel im Metallbereich.

Krankenhausbewegungen

Aus dem Gesundheitsbereich diskutierten am Sonntag eine Reihe von Kolleg*innen über die wichtigsten Lehren aus den Krankenhausbewegungen in Berlin und Nordrhein-Westfalen. Diese Bewegungen haben zu mehr Aktivitäten von Kolleg*innen und Ansätzen für neue gewerkschaftliche Strukturen gesorgt. Die Strukturen von Teamdelegierten wurden von einem Kollegen aus dem Industriebereich als erheblicher Fortschritt im Gegensatz zu den wenig demokratischen Strukturen in anderen Bereichen hervor gehoben. Gleichzeitig wurde betont, dass für die wirkliche Kontrolle der Streikenden über ihren Arbeitskampf und die Verhandlungen tägliche Streikversammlungen und eine gewählte Streikleitung unabdingbar sind. Hier war es interessant zu erfahren, wie das in der Uniklinik in Essen etabliert wurde. Weiterhin wurde die politische Aufgabe betont, dass gerade im Gesundheitswesen der Kampf für Tarifverträge für Entlastung mit einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung zur Abschaffung der Fallpauschalen, gegen Privatisierung und Profitlogik verbunden werden muss.

Kampf gegen Arbeitsplatzverluste

Auf der Konferenz wurde auch der Kampf gegen Arbeitsplatzabbau diskutiert. Hier benannte Katja Sonntag, Mitglied der Sol, die Notwendigkeit, die Forderung nach Verstaatlichung unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung aufzubringen, insbesondere bei Schließungsbeschlüssen. Dies kann und muss auch in Verbindung mit der Aufgabe der ökologischen Umstellung der Produktion gebracht werden. Dieses Thema wird für die VKG auch angesichts der nahenden Rezession eine größere Rolle spielen müssen. Ebenso wurde die Bedeutung davon angesprochen, die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich aufzustellen. Diese Diskussionen können in zukünftigen Treffen vertieft werden.

Bilanz und wie weiter

Im Plenum wurde eine Bilanz der bisherigen Arbeit seit Gründung der VKG gezogen, die sich sehen lassen kann. Allein der VKG-Newsletter erreicht inzwischen 600 Kolleg*innen, und die Webseite wird gut frequentiert. Auf dieser gibt es wichtige Texte und Vorschläge in verschiedenen Bereichen. Zudem konnten örtliche VKG-Gruppen selbst Proteste organisieren, als es beispielsweise aufgrund der Pandemie keine offiziellen Maidemonstrationen gab. Dies war ein wichtiges Angebot für Kolleg*innen. In der Diskussion wurde deutlich, dass es teils unterschiedliche Vorstellungen vom Charakter der VKG gibt. Mitglieder der Sol haben zum Ausdruck gebracht, dass die VKG aus ihrer Sicht ein Angebot an alle Kolleg*innen sein soll, die der sozialpartnerschaftlichen Ausrichtung der Gewerkschaftsführungen etwas entgegen setzen wollen. Dabei kann es in vielen Fragen unterschiedliche politische Einschätzungen geben. Schon in der Gründungserklärung 2020 wurde festgehalten:

„Unsere Vernetzung ist offen für alle, die sich für einen kämpferischen Kurs einsetzen wollen. Viele von uns sind auch der Meinung, dass die Gewerkschaften bereit sein müssen, sich mit den Bossen und dem Kapital anzulegen, und über die Grenzen des kapitalistischen Systems hinauszugehen, um in Zeiten der aufkommenden Krise die Interessen der abhängig Beschäftigten konsequent verteidigen zu können.“

Damit ist klar, dass in der VKG Kräfte sind, die eine sozialistische Perspektive haben und diese auch in die Gewerkschaften tragen. Gleichzeitig ist wichtig, dass diese Haltung oder auch eine revolutionär-sozialistische Überzeugung nicht Voraussetzung für die Mitarbeit in der VKG ist. Auch, wenn momentan viele von den Aktiven in der VKG gleichzeitig Mitglieder in linken Organisationen sind, ist die VKG selbst kein Bündnis von verschiedenen linken Organisationen. Stattdessen soll die VKG ein Zusammenschluss von und für Kolleg*innen sein, die für eine andere, kämpferische gewerkschaftspolitische Ausrichtung eintreten wollen, und ist das die Basis für die Zusammenarbeit. Dabei bleibt klar, dass die VKG sich gegenüber rechten, faschistischen und rassistischen Inhalten klar abgrenzt und solche auch nicht in ihren Reihen duldet.

Gerade Kolleg*innen, die nicht Mitglied von politischen Organisationen sind, sollen sich in der VKG wieder finden können und dies als Hebel sehen, um die Gewerkschaften zu dem zu machen, was sie sein sollen: kämpferische und demokratische Organisationen der Arbeiter*innenklasse.

Vorhaben

Konkret wurde auf der Konferenz verabredet, mit der Erklärung für eine gewerkschaftliche Kampagne gegen Preissteigerungen auf andere Kolleg*innen zuzugehen, wie auch mitzuhelfen, vor Ort konkret Proteste zu organisieren, und als VKG für Demonstrationen wie die am 22.10 zu mobilisieren, auch mit eigenen Forderungen. Darüber hinaus war ein positives Ergebnis nach der Konferenz, dass sich Kolleg*innen im Rhein-Main-Gebiet gefunden haben, die die VKG in der Region aufbauen wollen.

Auch, wenn der Einfluss der VKG insgesamt noch gering ist, so spielt sie bereits eine wichtige Rolle beim Zusammenbringen von kämpferischen Aktiven und ist ein Bezugspunkt geworden. Dabei ist die VKG offen für die Zusammenarbeit mit anderen Initiativen in den Gewerkschaften für eine kämpferische Politik.

Der Spielraum für eine sozialpartnerschaftliche Politik wird kleiner. Daher werden auch zunehmend sowohl bereits Aktive als auch Kolleg*innen, die in den kommenden Monaten in Gewerkschaften eintreten oder betrieblich aktiv werden, nach einer kämpferischen Strategie Ausschau halten. Daher werden Mitglieder der Sol, insbesondere die in den Gewerkschaften und Betrieben aktiven, den Aufbau der VKG weiter unterstützen und voran treiben.

Hier findet sich die auf der Konferenz beschlossene Erklärung der VKG.

Angelika Teweleit ist Mitglied des Koordinierungskreises der VKG und der Sol-Bundesleitung.

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