Österreich: Grazer Kommune vor Finanzkrise

KPÖ Bürgermeisterin von Graz Elke Kahr

KP-geführter Stadtrat muss kämpfen statt kürzen!

Vorbemerkung: Im November 2021 wurde die Kommunistische Partei in Österreichszweitgrößter Stadt Graz zur stärksten Partei gewählt, stellt seitdem die Oberbürgermeisterin und regiert die Kommune in einer Koalition mit Sozialdemokrat*innen und Grünen. Wir veröffentlichen hier einen Artikel der Sozialistischen Offensive, Schwesterorganisation der Sol in Österreich, zur Finanzkrise der Stadt.

  • KP-Graz darf weder offene noch versteckte Kürzungen umsetzen!
  • Posten müssen nachbesetzt werden – keine Personaleinsparungen! Für Lohnerhöhungen über der aktuellen Inflationsrate!
  • Nein zu Gebührenerhöhung!
  • KP-Graz muss bundesweit Proteste für mehr Budget für die Gemeinden initiieren!
  • Lebensstandards verteidigen!

Von Sandra Auer, Sozialistische Offensive Wien

Wir befinden uns derzeit in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation mit vielen Unwägbarkeiten – die steigenden Energiepreise, die drohende Gasknappheit, nach wie vor steigende Teuerung, die Pandemie die noch nicht ausgestanden ist – befinden. Doch machte sich die KPÖ-Graz soweit durch positive Schlagzeilen bemerkbar, ganz im Gegensatz zur skandalgebeutelten ÖVP. 

Sie hatten bisher weder die Mieten im sozialen Wohnbau noch die Gebühren erhöht. Viele Menschen empfinden Bürgermeisterin Kahr aufgrund des Frusts über die scheinbare Ausweglosigkeit der politischen Situation – die Auswirkungen der Pandemie, die Enttäuschung über SPÖ und Grüne, die steigende Inflation – als einen Lichtblick in der politischen Landschaft. Sie nimmt konsequent nur einen Durchschnittslohn für ihre politische Arbeit – wozu sonst keine der anderen Parteien bereit ist, das zu tun. 

Doch man hätte sich schon einer Illusion hingeben müssen, wenn man geglaubt hätte, dass dies in Zeiten der Krise ohne Widerstand durch die herrschende Klasse bleiben würde. Es war klar, dass es Angriffe auf eine von einer kommunistischen Partei geführten Stadtregierung geben würde. Nun hat der Grazer Stadtrechnungshof einen Bericht vorgelegt, dass „Graz vor einer Pleite stehe“, der Stadtrechnungshofdirektor und die Medien stellen Neuwahlen in den Raum, ÖVP, FPÖ und Neos springen freudig auf. Der Bericht wurde geleaked – von wem und mit welchem Interesse? Um  Einsparungen zu erzwingen und um der KP zu schaden?

Die KPÖ Graz hat als Reaktion versucht zu kalmieren, Maßnahmen seien in Arbeit, Neuwahlen seien nicht notwendig und überhaupt stehe der ÖVP Landeshauptmann hinter der Grazer Stadtregierung. Das bedeutet die KP verlässt sich hier darauf, dass die ÖVP keine weiteren Angriffe startet?? Das ist im besten Fall naiv, im schlimmsten leichtsinnig. Die nunmehr  verkündeten Maßnahmen zeigen auf, dass die KPÖ Graz sich den kapitalistischen Spielregeln beugt, in dem sie den eigentlich ausgestellten Verzicht auf Gebührenerhöhung zurückziehen. Künftig sollen unter anderem Kanalgebühren, sowie Parkgebühren erhöht werden. Es soll zwar nicht beim Personal gespart werden und die Lohnerhöhungen des Bundes für die öffentlich Bediensteten übernommen werden, allerdings sollen Posten nicht nachbesetzt werden. Auch wenn dabei niemand gekündigt wird, bedeutet das trotzdem eine Personaleinsparung und eine Verdichtung der Arbeit. Hierdurch könnte die KP die Unterstützung verlieren, welche sie im Moment noch in der Grazer Bevölkerung hat. Weiters könnte dies die Tür für Kürzungen bei Bildung, Sozialem und Gesundheit öffnen, denn  die Grünen, welche mit der KP in der Stadtregierung sitzen, rühmen sich, dass sie schon im Frühjahr auf diese „Maßnahmen“ gepocht haben. Doch weder die Grünen noch die SPÖ sind verlässlicher Partner in der Verteidigung der Lebensstandards der Bevölkerung, da sie voll und ganz den Kapitalismus akzeptieren und die Idee, dass es Kürzungen braucht, wenn das Budget knapp ist. 

Tatsache ist, dass Graz mit einem massiven Schuldenberg konfrontiert ist – jedoch nicht verschuldet durch die KPÖ-Graz. Der massive Anstieg der Schulden begann 2017 unter der Führung der ÖVP (in Koalition mit der FPÖ) und es stellt sich die Frage warum der Stadtrechnungshof erst 5 Jahre später – erst als die ÖVP durch die KPÖ-Graz abgelöst wurde – einschreitet. Weiters muss angemerkt werden, dass jede dritte Gemeinde in Österreich aufgrund der Krisensituation mit Krieg, Energiekosten und Inflation mit solchen finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert ist. 

Hierbei könnte die KPÖ-Graz nun eine Vorbildfunktion einnehmen und sich darauf vorbereiten, dass Kampf und Mobilisierung nötig sind, um Verbesserungen zu erkämpfen und abzusichern – Elke Kahr betont immer wieder, dass sie die sozial Schwachen vertritt. Auch dies steht im Kontrast zur ÖVP. Die KPÖ-Graz muss aber, um das konsequent tun zu können, eine Bewegung aufbauen, die die Spielregeln des Kapitalismus nicht akzeptiert.

Der von Sozialist/innen geführte Liverpooler Stadtrat in Großbritannien in den 1980ern führte einen Kampf gegen die damalige Premierministerin Thatcher, die Liverpool finanziell unter Druck setzte. Der Liverpooler Stadtrat hat in Massenmobilisierung die Liverpooler arbeitende Bevölkerung mobilisiert, damit die Rechte von Thatcher geführte Bundesregierung zusätzliche Mittel bereitstellt und konnte dies eine Zeit lang auch erreichen. Für einen solchen Kampf braucht es aber die Bereitschaft zu mobilisieren und eine Perspektive, die bereit ist mit dem Kapitalismus zu brechen. Ebenso ist der Aufbau einer bundesweiten Bewegung wichtig, damit Graz nicht isoliert bleibt. 

Was es braucht, ist, dass die KPÖ Graz nunmehr die Finanzen offen legt, damit ganz klar ersichtlich ist, wie viel fehlt und damit Forderungen an den Bund in Bezug auf den Finanzlastenausgleich formuliert, damit genug Geld für die Verteidigung des Lebensstandards, für die Umsetzung des Programms, für welches die KPÖ-Graz gewählt wurde und gegen Kürzungen, da ist. Am 14.10. gab es eine Demonstration der KP Graz gegen die Teuerung. Am 15.11. organisiert die KP Steiermark eine Demonstration der Beschäftigten in der Pflege. Das sind gute erste Schritte, aber nicht genug. Die Unis haben zuletzt für mehr Budget demonstriert – Graz kann das auch. Dafür muss sie auch Kampagne machen und mobilisieren, dann könnte sie so vielleicht ein wichtiges Beispiel setzen wie gekämpft werden kann. Die KP könnte andere Gemeinden auffordern, ebenfalls für mehr Budget zu protestieren. Der Städtebund fordert 500 Millionen Energiekostenausgleich und ein erneutes Investitionspaket von 500 Millionen Euro in soziale Infrastruktur. Die KP kann das mit einer eigenen Kampagne aufgreifen – wie sie das beim Energiekostenausgleich auch tut – und Proteste initiieren und ausweiten. Denn sie fordert zwar einen Energiekostenausgleich, und sie mobilisiert, aber zu anderen Fragen. Sie sollte die Forderung nach Energiekostenausgleich und mehr Geld vom Bund mit Protesten unterstreichen! Diese könnten sich mit jenen der Universitäten und jene der Gewerkschaften in den Lohnrunden zusammenschließen. Auf lange Sicht und vor allem in Krisenzeiten ist die Verteidigung von sozialen Errungenschaften und der Kampf für soziale Verbesserungen notwendigerweise mit einer Perspektive verbunden, die über den Kapitalismus hinausgehen muss und sich nicht von seinen Sachzwängen erpressen lässt. Die KPÖ Graz müsste eventuelle Proteste mit der aktuellen Krise des Kapitalismus verbinden – denn diese ist letztlich die Ursache der Budgetprobleme. Ernest Kaltenegger (KPÖ) hat bei der 100 Jahr Feier der KP Knittelfeld festgestellt, dass der Kapitalismus die Probleme, die er schafft, nicht mehr lösen kann. Das muss Kahr nun auch in der Öffentlichkeit propagieren! Und sie muss die Krise nutzen um für eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus zu argumentieren – eine echte sozialistische Gesellschaft, mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft, angefangen bei einem nachhaltig geplanten Energiesektor, nach den Bedürfnissen der Menschen und des Planeten statt nach Profiten. Eine solche muss sich von den ehemals stalinistischen Staaten durch echte Demokratie unterscheiden.

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