Österreich: Kommunistische Partei siegt in Graz

Stellungnahme der Sozialistischen Offensive in Österreich

Vorbemerkung: Bei den Kommunalwahlen in Österreichs zweitgrößter Stadt Graz wurde die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) mit 29 Prozent und 34.000 Stimmen stärkste Partei. Wir veröffentlichen hier eine Stellungnahme unserer Genoss*innen in der österreichischen Sozialistischen Offensive.

Das sensationelle Ergebnis der KPÖ Graz ist ein Ergebnis kontinuierlicher konsequenter Arbeit der KPÖ Steiermark, die aufbauend auf der Arbeit (v.a. im Bereich Wohnen) von Ernst Kaltenegger Anfang der 2000er sich als sozialpolitisch progressive Partei positionieren konnte. Politische Vertreter/innen zahlen seit Jahren zwei Drittel ihres Politiker/innengehalts in einen Sozialfonds ein. Im Wahlprogramm fordert die KPÖ unter anderem einen Mindestlohn von 15 Euro die Stunde, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich und die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen durch öffentliche Investitionen. Die KPÖ Graz hat von allen Parteien Stimmen gewonnen, aber vor allem aus dem Bereich der Nichtwähler/innen.

Für Programm kämpfen – und arbeitende Bevölkerung mobilisieren

Klar ist, dass in der Steiermark trotz des ersten Platz der KPÖ jetzt nicht der Kommunismus ausbricht – wie auch die bürgerlichen Medien nicht müde werden zu betonen. Aber die Frage was als nächstes passiert ist wichtig für den Aufbau einer echten starken sozialistischen Kraft in Graz und Österreich – auf der KPÖ Graz lastet große Verantwortung. Es ist möglich dass Elke Kahr mit einem Bündnis mit SPÖ und Grünen Bürgermeisterin wird. Allerdings birgt dies große Gefahren. Die Führung von sowohl der SPÖ wie auch der Grünen ist fest im Kapitalismus verwurzelt, sie akzeptieren dessen Grundlage und damit auch seine Sachzwänge. Daher sollte die KPÖ Graz nicht blind in eine Koalition mit ihnen gehen sondern konkrete Forderungen auf Basis ihres Programms aufstellen und SPÖ und die Grünen öffentlich auffordern, diese zu unterstützen. Das bedeutet nicht, das in Form eines Ultimatums zu tun, die KPÖ sollte sich auf eine Debatte einlassen, aber sie sollten sich nicht in Geiselhaft nehmen lassen von der politischen Führung dieser Parteien, die das bestehende kapitalistische System grundsätzlich akzeptiert. Die KPÖ sollte stattdessen die Grenzen dieses Systems in der Praxis aufzeigen und erklären. Die Tatsache dass die Grünen noch zögern eine Unterstützung für die KPÖ zuzusagen könnte auch daran liegen dass die ÖVP Druck auf ihren Koalitionspartner im Bund macht. Ein weiteres Zeichen wie unzuverlässig und bremsend ein Bündnis mit den Grünen wäre.

Die Gefahr besteht, dass, wenn die wirtschaftlichen Spielräume schwinden, progressive (Sozial-)Politik nicht aufrechterhalten werden kann – außer die KPÖ mobilisiert ihre Wähler/innen um Druck auf die Bundespolitik aufzubauen um genügend Geld zu Verfügung zu stellen (so wie es der sozialistische Liverpooler Stadtrat in den 1980ern getan hat). Die KPÖ müsste ihre Position nutzen um zu erklären, dass ein Bruch mit dem Kapitalismus nötig ist, um diese progressive Politik dauerhaft umzusetzen und abzusichern. Denn die Herausforderung, vor der die KPÖ Graz steht, ist, nicht dieselben Fehler zu machen wie andere (neue) linke Parteien in Europa – nämlich Wahlerfolge zu erzielen und dann den Bonus durch ihre an kapitalistischen Sachzwängen orientierte Politik zu verspielen (siehe z.B. Syriza in Griechenland – ihre falsche Politik hat zu einem Rückschlag für die Arbeiter/innenbewegung geführt). Die KPÖ sollte klare inhaltliche Forderungen an die SPÖ und Grünen stellen – wenn deren Führung diese nicht unterstützt, sollte sie bei der Basis von SPÖ und Grünen für Unterstützung für diese Forderungen werben. Ihre Führung ist nämlich nicht bereit, beim Kapital anzuecken und Politik umzusetzen, die mit den Interessen der herrschenden Klasse in Konflikt kommen.  Ein solches Bündnis müsste bereit sein, zur Durchsetzung, Finanzierung oder Verteidigung dieser Reformen die Arbeiter/innenklasse zu mobilisieren. Wie bei Syriza steht und fällt dies mit der Bereitschaft mit dem Kapitalismus zu brechen und für ein sozialistisches Programm zu kämpfen. 

Die KPÖ Graz hat auch nicht wirklich eine Antwort auf den Versuch der Bürgerlichen Medien mit dem Verweis auf den Ostblock die Idee von Sozialismus zu diskreditieren – außer ‚Wir wollen ja nur den Menschen helfen‘. Die KPÖ hat leider nicht wirklich eine Idee was im Stalinismus falsch gelaufen ist und dass ein internationaler Ansatz nötig ist, um zu garantieren dass eine sozialistische Gesellschaft auch demokratisch und keine top down Diktatur ist. Es ist nämlich nötig diese Angriffe der bürgerlichen Medien zu kontern und die Gelegenheit zu nutzen um zu erklären wie eine echte demokratische sozialistische Gesellschaft aussehen könnte. Und jeder Fehler der KPÖ Graz in ihrer praktischen Politik kann von den bürgerlichen Parteien und Medien genutzt werden um „Kommunismus“ auch in Zukunft zu diskreditieren. Darum ist es wichtig zu erklären was damit gemeint ist.

Oberösterreich

Die MfG haben in Oberösterüreich den Teil der Impfgegner abgeholt der nicht zur FPÖ gegangen sind. Die MfG wird vermutlich instabil und kurzlebig sein, da ihre Existenz an Covid 19 hängt. In ihr spiegelt sich auch die Verwirrtheit und Heterogenität der Impfgegner und Coronaleugner. 30% ihrer Wähler/innen wählten davor die FPÖ, aber manche auch SPÖ (16%) oder Grüne (12%). In Ihrem Programm greifen sie über das Impfthema hinaus Fragen auf die kleine Selbständige und KMUs betreffen. Der zweitwichtigste Grund der von ihren Wähler/innen als Motiv für deren Wahl angegeben wurde, war dass sie eine Stimme gegen die etablierten Parteien abgeben wollten, früher klassisches FPÖ-Terrain. Die FPÖ hat aber diesen Bonus des Anti-Establishment durch ihre erneute Regierungsbeteiligung etwas verspielt, auch war die FPÖ etwas gefangen im Spagat zwischen „Wir wollen in Oberösterreich mitregieren“ und dem Protestkurs Kickls. Darüberhinaus waren aufgrund der Pandemie Themen wie Rassismus nicht so stark präsent, auch wenn die ÖVP immer wieder versucht auf Bundesebene das Thema zu bedienen. Die 6% die sie erhalten haben drückt den Vertrauensverlust in die bestehenden Parteien aus, aber auch ein Potential an Ex-FPÖ Wähler/innen für die die FPÖ nicht mehr wählbar ist und die „heimatlos“ sind. Das Beispiel KPÖ in Graz zeigt dass wenn es eine konsequente linke Kraft gibt, Rechts abgemeldet ist und Spaltungen vermieden werden können. In Graz war das Impfthema eher im Hintergrund – und die Sozialpolitik im Vordergrund. 

In Linz zieht der Wandel in den Gemeinderat ein, auch das zeigt das Potential für eine neue linke Kraft – Wandel und KPÖ haben in Linz gemeinsam 4,9% der Stimmen erreicht. Auch in anderen Gemeinden in Oberösterreich erzielten Wandel und KPÖ Mandate.

Für die anderen Parteien waren beide Wahlen kein Ruhmesblatt – die ÖVP verliert stark in Graz und gewinnt nur leicht in Oberösterreich, die FPÖ verliert in beiden trotz Anti-Impf-Haltung, die Grünen gewinnen zwar leicht aber fahren angesichts der Tiefe der Klimakrise doch relativ geringe Gewinne ein. Die SPÖ stagniert in OÖ auf 18% und wird in Graz gar auf unter 10% dezimiert. Die ÖVP unter Nagl wurde mit ihren Prestige-Projekten als abgehoben und über die Köpfe der Menschen entscheidend wahrgenommen.

Für eine neue Arbeiter/innenpartei – wie weiter bundesweit?

Links hatte im Gemeinderatswahlkampf in Wien einige Mandate gewinnen können, der Aufwärtstrend für die Linke wurde durch das Grazer Ergebnis fortgesetzt. Links und die KP haben in Wien bei den Gemeinderatswahlen zusammengearbeitet. Das bedeutet aber auch dass die Politik der KPÖ Einfluss auf die Politik von Links hat. Die KPÖ Steiermark fährt einen anderen Kurs als die Bundes-KPÖ, es gelingt ihr besser die Menschen abzuholen. Die Frage ist, welche Möglichkeiten es auf Bundesebene gibt, eine neue Partei aufzubauen, die über Graz oder Wien hinausgeht und mehr ist als die KPÖ – auch um zu verhindern, dass eine Grazer Stadtregierung unter KPÖ Führung isoliert bleibt oder um Angriffe auf sie durch die bürgerlichen Parteien, die Bundesregierung oder die bürgerlichen Medien abzuwehren. Die KPÖ Graz hat hier auch eine Verantwortung gemeinsam mit LINKS Schritte in diese Richtung zu setzen. Eine solche Partei kann sich einzelne Methoden von der KP Graz abschauen, wenn es darum geht, mit welchen Themen man Menschen gewinnen kann – der Bezug von einem durchschnittlichen Arbeiter/innenlohn für Funktionsträger/innen z.B. oder das Besetzen von sozialen Themen. Allerdings hat die KP Graz Schwächen, und zwar dass sie Forderungen nach sozialen Verbesserungen nicht mit der Notwendigkeit einer sozialistischen Gesellschaftsveränderung verbinden – der Kommunismus steht zwar im Programm aber wird auf „irgendwann“ verschoben. Das kann langfristig fatal sein, weil man ohne diese Verbindung gezwungen ist die kapitalistische Sachzwanglogik zu akzeptieren. Auch die Tatsache dass die Linke in Deutschland aufgrund der Orientierung auf mögliche Koalitionen mit SPÖ und Grünen in den Wahlen in Deutschland aufgerieben wurden und beinahe aus dem Bundestag geflogen sind, sollte eine Warnung sein. Umgekehrt müsste eine neue Partei bereit sein Kämpfe und Bewegungen zu initiieren und organisieren, und das tut die KPÖ Graz kaum – stattdessen hat sie einen stark sozialarbeiterischen Zugang. Sie setzt auf „staatstragendes“ Auftreten und „verantwortungsvolle“ Politik und auf Bündnisse mit Parteien die prokapitalistische Politik umsetzen. Links konnte mit der Demonstration zu Afghanistan im August 2000 Menschen in Wien mobilisieren – das zeigt das Potential das da ist.

Die allgemeine Stimmung ist im Moment günstig für den Aufbau einer neuen linken Kraft. Die FFF Demonstration am 24.9. hat gezeigt, dass das Thema vielen Menschen unter den Fingernägeln brennt. Gleichzeitig können die Grünen nur begrenzt von dieser Stimmung profitieren – auch weil ihre Regierungsbeteiligung gezeigt hat, dass ihr Spielraum für echte Veränderung begrenzt ist, wenn sie auf prokapitalistische Politik und eine Koalition mit der ÖVP setzen. Viele Menschen sind enttäuscht von der rückgratlosen Politik der Grünen beispielsweise zum Thema Asyl. Der SPÖ wiederum gelingt es nicht wirklich davon zu profitieren. Gleichzeitig werden wir einen Herbst erleben in dem Kämpfe möglich sind. Die steigende Inflation erhöht den Druck in Richtung höhere Lohnrunden, die Metaller/innen fordern 4,5% – und steuern auf einen Konflikt mit den Arbeitgebern zu. Für Oktober ist eine Demonstration der Kindergärtner/innen angekündigt, die in der Pandemie gemeinsam mit Personal im Gesundheits- und Bildungswesen unter besonderer Belastung standen. Dies alles könnten Links und die KPÖ Graz aufgreifen und verbinden – eventuell mit gemeinsamen Mobilisierungsaufrufen als Schritt in Richtung Aufbau einer breiteren Bewegung.

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