Tarifrunde Bund und Kommunen: Provokation der Arbeitgeber

Erzwingungsstreik auch im öffentlichen Dienst vorbereiten!

Was die Verhandlungsführung des Bundes und der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) bei der zweiten Verhandlungsrunde vorgelegt hat, kann man nicht als Angebot bezeichnen. Im Gegenteil: mit mickrigen drei Prozent erst ab Oktober diesen Jahres und weiteren zwei Prozent im Juni nächsten Jahres gegenüber Inflationsraten von aktuell 8,7 Prozent würden Reallohnverluste für eine Laufzeit von 27 Monaten festgeschrieben!

Von Angelika Teweleit, Berlin

Das allein ist schon ein Riesen-Skandal. Dazu kommen noch dreiste Gegenforderungen der Arbeitgeberseite. So wollen sie unter anderem eine weitere Arbeitszeitflexibilisierung bei den Versorgungsbetrieben. Für die Krankenhäuser fordern sie die Wiederauflage eines so genannten Zukunftssicherungsvertrags. Dieser soll eine Lohnkürzung möglich machen, wenn ein Krankenhaus rote Zahlen schreibt! Die verfehlte Politik des Gesundheitsministers, die dazu führen wird, dass noch mehr kommunale Krankenhäuser in Finanznöte geraten, sollen die Beschäftigten nicht nur durch den unendlichen Arbeitsdruck, sondern nun auch mit Lohnkürzungen ausbaden. Natürlich wäre dies ein Rezept dafür, dass noch mehr Kolleg*innen aus dem Beruf flüchten, als sowieso schon. Auch den Vertreter*innen des VKA dürfte dies klar sein. Daher ist die Frage, ob sie diese dreiste Forderung eigentlich ernst meinen, oder mit dieser Drohung vor allem hoch pokern wollen, um so die Erwartungen der Beschäftigten zu senken.

500 Euro bei 12 Monaten Laufzeit!

Die Festgeldforderung von 500 Euro bedeutet für die meisten Beschäftigten mehr als 10,5 Prozent. Das ist auch gut und richtig! Denn die Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie liegen viel höher als die offizielle Inflationsrate. Zudem ist die Bezahlung im Öffentlichen Dienst seit Jahren zu gering. Deshalb ist es so dringend nötig, die Forderungen durchzusetzen und sich nicht mit einem faulen Kompromiss zufrieden zu geben. Weder bei der Höhe, noch bei der Laufzeit! Auch die abgabenfreien Einmalzahlungen dürfen nicht als Kompensation wirken, denn sie wirken nicht auf die Tabelle und bedeuten, dass es später massive Reallohnverluste geben würde. Eine Durchsetzung der Forderungen wird aber nur mit einem Erzwingungsstreik möglich sein.

Auch in anderen Ländern streiken Kolleg*innen gegen die Folgen der Preissteigerungen und für höhere Löhne. In Großbritannien zum Beispiel finden seit Wochen wiederholt ein- bis zweitägige Streiks in verschiedenen Branchen, insbesondere bei der Bahn, Post, Krankenhäusern, Schulen statt, die nun zum Teil miteinander verbunden werden. Bei einigen Arbeitskämpfen konnten Erfolge erzielt werden, wo unter anderem die Gewerkschaft im öffentlichen Dienst „Unite“ mit ihrer kämpferischen Vorsitzenden Sharon Graham zeigt, was möglich ist. So haben beispielsweise die Beschäftigten bei der Stadtreinigung in Coventry nach 27 Wochen Streik letztes Jahr 12,9 Prozent Lohnerhöhung durchgesetzt, und bei einigen Londoner Busbetrieben kürzlich einen Abschluss von 18 Prozent. Mitglieder der Schwesterorganisation der Sol, der Socialist Party, setzen sich für gemeinsame Streiktage aller derzeitig in Tarifauseinandersetzungen betroffenen Kolleg*innen am 15. März, wenn die derzeitige Tory-Regierung den Haushalt für 2023/24 präsentiert, sowie dem folgenden 16. März, wo einige weitere Streiks geplant sind, ein.

Hände weg vom Streikrecht!

Während die Arbeitgeber ihre dreisten „Angebote“ unterbreiten, forcieren Teile der Kapitalseite erneut die Debatte um eine Einschränkung des Streikrechts – so die Mittelstandsunion der CDU, unmittelbar gefolgt vom Arbeitgeber-Spitzenverband BDA. Auch sie schauen nach Großbritannien, wo die Tory-Regierung aus ihrer Sicht „vorangeht“ und unter anderem plant, dass in großen Bereichen des öffentlichen Dienstes sowie anderen Schlüsselindustrien, inklusive der Bahn, Arbeitgeber das Recht bekommen sollen, einzelne Beschäftigte während eines Streiks zur Arbeit zu verpflichten. Bei Nichteinhaltung hätten die Bosse das Recht, diese Beschäftigten zu kündigen und gegenüber den Gewerkschaften könnte eine Geldstrafe verhängt werden. Außerdem sollen Schlichtungsverfahren verpflichtend gemacht werden, bevor überhaupt gestreikt werden kann. Das wären massive Einschnitte. Diese Richtung von Einschränkungen im Streikrecht wird international vor dem Hintergrund der Krise des Kapitalismus nach und nach eingeschlagen. Daher ist es richtig, wenn der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke sagt, dass internationale Solidarität im Kampf für das Recht auf Streik auf der Tagesordnung steht. Gleichzeitig muss klar sein: ein solcher Angriff kann nur mit entschiedener gewerkschaftlicher Gegenwehr, und das bedeutet politischem Streik und Generalstreik, begegnet werden. Es ist nötig, sich auch darauf vorzubereiten – wenn noch nicht unmittelbar, so aber in Zukunft. Auch dafür ist es umso nötiger, die jetzigen Tarifkämpfe konsequent bis zum Ende zu führen, die jetzige Kampfbereitschaft vieler Kolleg*innen zu nutzen und auf diese Weise die Gewerkschaften insgesamt zu stärken und aufzubauen!

Angelika Teweleit ist Mitglied der Bundesleitung der Sol und im Sprecher*innenrat der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ (VKG)