Frieden schaffen, aber wie?

Zur Kundgebung „Aufstand für den Frieden“ am 25. Februar in Berlin

Am 25. Februar fand in Berlin eine zentrale Kundgebung von den Initiator*innen des „Manifest für den Frieden“ statt. Dieses Manifest und die Kundgebung haben eine breite Debatte in den Medien und innerhalb der Linken ausgelöst. Der Vorwurf, diese Initiative sei eine Querfront mit rechtsextremen und rechtspopulistischen Kräften wird sowohl von bürgerlicher Seite als auch von linken Kräften vorgebracht, um die Kundgebung zu diskreditieren. Befürworter*innen von Waffenlieferungen an die Ukraine und Unterstützer*innen des Kurses der Bundesregierung und des Selenskyj-Regimes werfen Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer außerdem vor, Putins Geschäft zu betrieben.

Genoss*innen der Sol Berlin haben die Kundgebung besucht. In einem Flugblatt, das wir unter den Teilnehmer*innen verteilten, kritisierten wir den Aufruf. Trotzdem stellten wir uns aber hinter die grundsätzliche Aussage, dass der Krieg in der Ukraine schnellstmöglich beendet werden muss und dass es keine weiteren Waffenlieferungen geben darf. Vor allem betrachten wir die massenhafte Unterstützung für den Aufruf und die Kundgebung als einen Beitrag, die gesellschaftliche Debatte zur Kriegspolitik der Bundesregierung aufzubrechen und in eine richtige Richtung zu verschieben.

Von Caspar Loettgers, Berlin


Gegen Mittag fanden sich laut Veranstalter*innen bis zu 50.000 Menschen vor dem Brandenburger Tor ein. Das waren in der übergroßen Mehrheit „normale“ Menschen, also unorganisierte Menschen, die ihr Unbehagen über den Kurs der Bundesregierung zum Ausdruck bringen wollen. Es waren viele darunter, die Teil der alten Friedensbewegung der 1980er waren. Entsprechend waren ältere Menschen überrepräsentiert, wie auch Ostdeutsche. Hunderte LINKE-Mitglieder haben ebenfalls teilgenommen, obwohl der Parteivorstand nicht zur Kundgebung aufgerufen hatte und sich viele LINKE-Führungspersonen davon distanziert hatten.

Im Aufruf zur Kundgebung wurden viele wichtige Fragen ausgeklammert und offengelassen. So forderten die Unterzeichner*innen kein Ende der Hochrüstung. Stattdessen erklärte der Aufruf, dass es nicht möglich ist, auf die Regierungen anderer Länder einzuwirken und dass man den Kanzler „an seinen Schwur, Schaden vom deutschen Volk zu wenden“ erinnern muss. Des Weiteren wurde auf die Forderung nach dem Rückzug der russischen Truppen, die Aufnahme von Deserteure*innen und Geflüchteten und das Ende von Sanktionen verzichtet.

Ganz zu Schweigen davon, dass der Aufruf keinen Zusammenhang zwischen Krieg und Kapitalismus herstellte und nicht erklärte, dass Krieg und Aufrüstung einerseits und Lohndrückerei und Sozialabbau andererseits zwei Seiten derselben kapitalistischen Medaille sind. Die Kriegsprofiteure in der Rüstungs- und Energiewirtschaft wurden ebenso wenig benannt, wie die Kriegsverlierer*innen in der Arbeiter*innenklasse auf allen Seiten.

Dies ermöglichte es auch rechten Gruppen, wie der AfD, die Lücken im Aufruf auf ihre Art und Weise zu interpretieren. Gerade der Bezug auf das „deutsche Volk“, gab ihnen dazu einen guten Anlass.

Rechte Teilnehmer*innen

Auf der Kundgebung waren größtenteils Friedensfahnen zu sehen. Die Aufforderung keine Nationalfahnen zu zeigen, wurde durchgesetzt. Teilweise waren vereinzelt Fahnen des rechtsextremen Compact-Magazins von Jürgen Elsässer, Reichbürger-Fahnen und Schilder, die offensichtlich der AfD zuzuordnen waren, zu sehen. Fahnen und Transparente linker Gruppen waren dem gegenüber in der Mehrzahl. Die Schilder mehrerer Berliner Bezirksverbände der LINKEN, die sich gegen die AfD und Co. stellten, waren viel zu sehen. Auch Wagenknecht betonte in ihrer Rede, dass „Neonazis und Reichsbürger“ nichts auf der Kundgebung zu suchen hätten. Die AfD und andere rechte Kräfte, die sich selber nicht als „Neonazis und Reichsbürger“ bezeichnen würden, erwähnte sie aber nicht. Das passt zu Wagenknechts Politik und Rhetorik der letzten Jahre, die sehr darauf abzielt, mit inhaltlichen Zugeständnissen AfD-Wähler*innen zu erreichen anstatt auf die große Zahl der Nichtwähler*innen zu orientieren, die sich bei keiner der etablierten Parteien aufgehoben fühlen, aber auch das Angebot von Rechts nicht annehmen wollen.

Vielmehr war es der Verdienst mehrere LINKE-Gruppen, die Jürgen Elsässer und Compact-Mitglieder von der Demo abschirmten und am Ende erfolgreich abdrängten. Genoss*innen der Sol beteiligten sich an dieser Aktion. Es wäre gut gewesen, wenn mehr linke Gruppierungen, sich an solchen Aktionen beteiligt hätten und rechtsextreme Kräfte auf der Kundgebung offensiv konfrontiert hätten.

Der Versuch rechtsextremer Kräfte sich an breite Mobilisierungen anzuhängen oder diese zu dominieren, darf nicht zum Rückzug der Linken führen, wenn die Ziele solcher Mobilisierungen grundsätzlich unterstützenswert sind. Das würde die große Mehrzahl der Teilnehmer*innen den Faschisten und Rechtspopulist*innen ausliefern.In der Vergangenheit gab es zahlreiche Bewegungen, bei denen Rechte versucht haben sich anzuschließen, zum Beispiel bei den Gelbwesten in Frankreich oder bei den Anti-Hatz IV- Protesten 2004. Zweifelsfrei werden wir auch in Zukunft ähnliche Versuche von rechts erleben. Massenbewegungen sind in der Regel keine „reinen“ linken Bewegungen. Die Aufgabe von Sozialist*innen sollte es sein in diese Bewegungen mit sozialistischen Klassenpositionen einzugreifen und für eine konsequente Abgrenzung nach Rechts zu kämpfen.

Von vielen Seiten gab es den Vorwurf, die Kundgebung sei ein Querfront gewesen. Diesen Vorwurf kann man entschieden zurückweisen. Denn der Begriff „Querfront“ impliziert, dass es eine politische und inhaltliche Zusammenarbeit von linken und rechtsextremen Gruppen gab. Das war nicht der Fall.

Verhandlungen

Die Mehrheit der Teilnehmer*innen waren unorganisierte Menschen. Viele wollten ein Zeichen setzen gegen das Kriegsfieber der Regierung. Als Sahra Wagenknecht Baerbock und Strack-Zimmermann in ihre Rede erwähnte, ging ein lautes Raunen durch die Menge. Bei vielen Menschen war es möglich anzuknüpfen und zu erklären, warum das Manifest von Wagenknecht und Co. zu kurz greift. Die Stimmung war definitiv offener für linke Positionen, im Vergleich zu den Demonstrationen kurz nach dem Überfall Russlands in der Ukraine. Wagenknecht beschränkte sich jedoch in ihre Rede auf die Aussage, dass es unmittelbar Verhandlungen brauche. Auch wir befürworten ein schnellstmögliches Ende des Krieges. Die bittere Wahrheit ist aber, dass dieser Krieg erst zu Ende gehen wird, wenn entweder die Massen in Russland sich gegen ihn erheben oder wenn eine der Seiten ihre Ziele erreicht hat bzw. keine Möglichkeit mehr sieht, diese zu erreichen. Die Pflicht von Sozialist*innen sollte es sein, diese Wahrheit auszusprechen und zu erklären, dass der einzige Weg, diesen Krieg vorzeitig zu beenden, darin besteht, eine internationale Antikriegsbewegung, nicht zuletzt in Russland und der Ukraine, aufzubauen.

Geflüchtete

Ein weiterer Schwachpunkt der Ausrichtung der Kundgebung war, dass die Frage des Umgangs mit Geflüchteten völlig ausgelassen wurde. Schon jetzt versuchen die Herrschenden mit Rassismus gegen Geflüchtete die lohnabhängige Bevölkerung zu spalten. So erklärte Christian Lindner erst vor Kurzem, dass Geflüchtete konsequenter abgeschoben werden müssen, um zu verhindern, dass diese Sozialleistungen beziehen. Diese Spaltungsversuche gilt es geschlossen entgegenzutreten. Es ist wichtig, klar zu stellen, dass Geflüchtete nicht der Grund sozialer Probleme sind, sondern dass sie von den eigentlichen Verursacher*innen zu Sündenböcken gemacht werden. Vielmehr braucht es einen gemeinsamen Kampf für höhere Löhne, Sozialleitungen und ein Bleiberecht für alle. Solche Forderungen würden es auch rechten Gruppen unmöglich machen sich den Protesten anzuschließen.

Fazit

Desto länger sich der Krieg hinzieht, desto mehr wird der Druck in der Bevölkerung steigen, dass Sterben in der Ukraine zu beenden. Um das zu erreichen, brauch es eine breite Antikriegsbewegung, die sich an die arbeitende Bevölkerung international wendet. Die Arbeiter*innenklasse auf allen Seiten leidet am meisten unter diesem Krieg. Die Kundgebung am 25. Februar hat gezeigt, dass es ein großes Potenzial für solche Antikriegsproteste gibt. Das Zehntausende nach Berlin kamen, trotz der Welle an Diffamierungen in den Medien, hat dies bestätigt. Das begrenzte Programm von Wagenknecht und Co. kombiniert mit der fehlenden Abgrenzung zur AfD führte aber dazu, dass rechte Kräfte sich motiviert fühlten, daran teilzunehmen. Es war richtig, dass Sozialist*innen anwesend waren und versucht haben, AfD und Nazis von der Kundgebung zu drängen. Es war aber auch richtig, den Aufruf nicht zu unterschrieben und für ein internationalistisches und sozialistisches Programm zu argumentieren.