Zu laut für Höcke

Entschlossener Protest führt rassistische Demonstration in Dresden an den Rand der Verzweiflung

Der Frontmann der AfD-Thüringen wird bei seinem Auftritt bei Pegida in der sächsischen Landeshauptstadt mit einem Pfeifkonzert empfangen. Die AfD ist vor der Bundestagswahl in Sachsen und Thüringen geschwächt, liegt aber noch vor der CDU.

Von Steve Hollasky, Dresden

Die Auftritte von Björn Höcke sind gezielte Provokationen. Was für seine Reden im Landtag gilt, stimmt erst recht für seine öffentlichen Kundgebungen. Im Dresdner Ballhaus Watzke bezeichnete Höcke im Januar 2017 das Berliner Mahnmal für die im Holocaust ermordeten Jüdinnen und Juden als ein „Denkmal der Schande“. Zudem griff die Führungsfigur des offiziell inzwischen aufgelösten völkischen „Flügels“ Gewerkschaften an.

Und so traf Höckes angekündigte Teilnahme an einer der montäglichen Demonstrationen der rassistischen Vereinigung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA) am 13. September auf lautstarken Protest. Ein breites Bündnis, getragen von den Gruppen „HOPE“ und „Nationalismus raus aus den Köpfen“, die die wöchentlichen Proteste gegen PEGIDA organisieren, rief dazu auf, Höckes Besuch nicht unbeantwortet zu lassen. Zahlreiche Gruppen beteiligten sich an den Vorbereitungen, auch Genoss*innen der Sozialistischen Organisation Solidarität (Sol) waren dabei.

Ohrenbetäubend

Schon zu Beginn der Kundgebung von PEGIDA war der Lärm der Gegendemonstrant*innen derart stark, dass der Auftritt Höckes nach hinten verschoben werden musste. Zwischenzeitlich soll das Organisationsteam von PEGIDA gar die Auflösung der Kundgebung erwogen haben, weil der Gegenprotest ohrenbetäubend war. Die Redner von PEGIDA waren kaum zu verstehen.

Während des Umzugs von PEGIDA musste die rassistische Demonstration, an der sich gut 2000 Menschen beteiligt haben sollen, durch die Polizei gleich zweimal an Blockaden vorbeigeführt werden. Erst nach dem Ende der Demonstration und einer Verstärkung der Anlage unternahm Höcke den Versuch gegen das Pfeifkonzert der etwa 1500 Gegendemonstrant*innen anzusprechen.

Dabei verlor sich Höcke in allerlei Verschwörungstheorien. Die Anschläge vom 11. September 2001 seien eine der gewaltigsten Aktionen des „Deep State“ gewesen und nicht durch Al Qaida begangen worden. Zudem, so tat der Rechtsaußen seinen Zuhörer*innen kund, habe es in Deutschland zu keiner Zeit eine epidemische Lage gegeben. Höckes „Weisheiten“ gingen jedoch im Krach der Antirassist*innen unter.

Beachtenswert waren die Familien, die an den Gegenprotesten teilnahmen und die zahlreichen Geflüchteten, die sich sonst am Montagabend aus Angst vor PEGIDA nur selten in die Dresdner Innenstadt trauen. Bemerkenswert auch, dass der Besuch Höckes mit 2000 Menschen vergleichsweise wenige Zuhörer*innen anzog. Auch auf Wahlebene scheint die AfD im Freistaat geschwächt: Bei der letzten Sonntagsfrage zur Bundestagswahl lag sie zwar mit 23 Prozent noch immer vor der CDU (21 Prozent), doch dies käme einem Verlust von vier Prozentpunkten seit der letzten Bundestagswahl 2017 gleich.

Bezwungen ist die AfD noch lange nicht. Doch die fortgesetzte gesellschaftliche Krise könnte auch die ihre werden, wenn es Gewerkschaften, soziale Bewegungen und Antifaschist*innen verstehen soziale Kämpfe zu organisieren, die dem Rassismus den Boden entziehen und zeigen, dass eine lebenswerte Zukunft für uns alle in einer sozialistischen Demokratie sehr wohl möglich ist. Eines hat der Abend des 13. September jedoch gezeigt: Selbst die rechte Ikone Höcke kann besiegt werden.

Redebeitrag der Sol-Dresden auf den Protesten gegen den Besuch von Höcke:

Hallo, das ist ein Redebeitrag der Sozialistischen Organisation Solidarität, der Sol:

Ein häufig auf Demonstrationen gerufener Spruch, heißt: „Rassistisch, sexistisch, neoliberal – AfD, Partei für‘s Kapital!“ Und ja, wer hofft, mit der Wahl der AfD könne er „denen da oben“ eins auswischen, der muss enttäuscht werden. Gauland hatte die AfD einmal als Partei der kleinen Leute bezeichnet. Doch die AfD ist eine Partei, die dringend nach oben will und dafür gern nach unten tritt.

Im Januar 2020 forderte einer ihrer Gastredner in Olbernhau im Erzgebirge, Empfängerinnen und Empfängern von Transferleistungen, also Kindergeld oder Wohngeld, kurzer Hand das Wahlrecht abzuerkennen. Der sächsische Landesvorsitzende der AfD, Jörg Urban, kommentierte das dann damit, dass er „gern bereit sei da weiterzudenken“. Die Begründung hatte der Gastredner vorher selbst geliefert: Das Wahlrecht solle nur für Leistungsträger sein.

Krankenpfleger*innen, Altenpfleger*innen, Sozialarbeiter*innen, Bauarbeiter*innen – sie alle sind auf staatliche Transferleistungen angewiesen. Sie alle sind für die AfD scheinbar keine Leistungsträger*innen und scheinbar nicht würdig, wählen zu dürfen. So sieht deren Weltbild aus!

Während gerade in Berlin Tausende Pflegekräfte für eine Personalbemessung nach realem Bedarf und mutig für ein öffentliches Gesundheitswesen kämpfen; während sie ihre Stimme gegen Privatisierungen erheben und streiken. Verlangt die AfD sechzig Prozent der Kliniken zu privatisieren. Im Moment sind etwa vierzig Prozent der Krankenhäuser in privater Hand. Und schon das ist eine Katastrophe:

Marktmechanismen bedeuten Überarbeitung, Stress, und trotz aller harter Arbeit eine schlechte Pflege. Mit der AfD wird das nicht einfach nur so weitergehen. Die AfD wird diese Situation noch weiter verschlimmern. Die AfD ist keine Partei für Pflegekräfte.

Die AfD wendet sich nicht nur gegen eine Mietpreisbremse, sie greift auch diejenigen in Berlin an, die für die Vergesellschaftung von Deutsche Wohnen und Co. auf die Straße gehen. In Dresden will sie die kommunale Wohnungsbaugesellschaft auflösen. Die Privatisierung der Woba-Wohnungen bezeichnete sie in einem Flugblatt, das sie in Gorbitz verteilte, als „gelungen“. Und das, obwohl die Mieten durch den Verkauf der städtischen Wohnungen in die Höhe schnellten.

Und natürlich will die AfD auch den Rüstungsetat erhöhen, statt das Geld für sinnvolle Zwecke auszugeben.

Die AfD ist keine Partei der sogenannten kleinen Leute. Wäre sie das, würde sie nicht dauernd Pflegekräfte, Mieterinnen und Mieter und Arme gegeneinander aufhetzen. Ihr Rassismus spaltet dort, wo wir Zusammenhalt und Solidarität bräuchten.

Mehr Personal im Krankenhaus und in der Altenpflege, die Rekommunalisierung von Wohnungen, mehr Lehrerinnen und Lehrer und einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr und Renten, von denen man leben kann – für all das wäre im viertreichsten Land der Erde, in dem wir leben, genug Geld da. Geschenkt wird es das nicht geben und erkämpfen können wir es nur zusammen. Denn das Entscheidende ist, dass die syrische Familie, die hierherkommt und die Mieter*innen, die hier geboren sind, die gleichen Interessen haben: Gute Wohnungen, ein lebenswertes Umfeld und bezahlbare Mieten. Wer dem Rassismus der AfD auf den Leim geht, wird genau das nicht verstehen.

Und andersherum, wenn wir den Rassismus der AfD los werden wollen, dann brauchen wir soziale Kämpfe gegen Mietenwahnsinn, Aufrüstung, Pflegenotstand und Rassismus. Der US-amerikanische Menschenrechtsaktivist Martin Luther King sagte einmal: Die Übel des Rassismus, des Militarismus und des Kapitalismus seien untrennbar verbunden.

Ich denke, er hatte Recht: Wer den Rassismus á la AfD und Co. los werden will, der muss gegen ein System angehen, in dem nur Profite zählen. Der muss solidarisch für eine Gesellschaft kämpfen, in der Mensch und Umwelt zählen. Ich denke, dass eine solche Gesellschaft nur demokratisch und sozialistisch sein kann.

Jede Stimme für die AfD, so viel ist sicher, ist eine zu viel. Jede Stimme für die AfD ist eine Stimme für eine rassistische, sexistische und neoliberale Partei. Lasst sie uns stoppen durch große und entschlossene Kampagnen, die solidarisch sind und in denen es für Rassismus keinen Platz gibt!

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