75. Jahrestag der Nakba

Palästinensische Gefüchtete 1948

Der Kampf gegen die Unterdrückung der Palästinenser*innen erfordert sozialistische Lösungen

Der 15. Mai ist der Tag der Nakba, der an die Gründung des israelischen Staates im Jahr 1948 erinnert und auch als „palästinensische Katastrophe“ bekannt ist. Es wird zu diesem Anlass international Proteste geben, auch in London am 13. Mai.

Die 75 Jahre seit der Nakba und der Gründung des israelischen Staates waren für die palästinensischen Massen eine Zeit voller blutiger Konflikte, Unterdrückung, Unsicherheit und Armut.

Das palästinensische Zentralbüro für Statistik schätzt die Zahl der registrierten palästinensischen Flüchtlinge auf 6,4 Millionen.

Bei israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen am 9. Mai wurden 13 Menschen getötet, darunter drei Kinder.

Die Bewohner des Gazastreifens stehen heute unter einer brutalen israelisch-ägyptischen Blockade. Die israelische Regierung – die jetzt, durch die Beteiligung rechtsextremer Parteien, in der aggressivsten Art und Weise gegen die Palästinenser*innen vorgeht – fördert und genehmigt weiterhin die Ausweitung jüdischer Siedlungen und die Zerstörung palästinensischer Häuser und zersiedelt palästinensisches Land im Westjordanland. Mit nichts als Steinen bewaffnete Teenager werden regelmäßig von den israelischen Streitkräften erschossen. Bei einer Razzia israelischer Truppen in Nablus im Westjordanland im Februar wurden elf Palästinenser*innen getötet.

Palästinenser*innen im Westjordanland und in Ostjerusalem sind auch der Gewalt rechtsgerichteter jüdischer Siedler*innen ausgesetzt. Ein gewalttätiger Ausbruch ereignete sich im Februar mit dem Pogrom in Huwara. Hunderte von Siedler*innen griffen palästinensische Dörfer an, fackelten Häuser und Schulen ab und erschossen einen Mann.

Der Kreislauf des bewaffneten Konflikts, bei dem der israelische Staat eine überwältigende Übermacht hinsichtlich militärischer Mittel und Munition hat, hat Tausende von Menschenleben gefordert. Der Krieg im Mai 2021 hat 260 Palästinenser*innen das Leben gekostet.

Die Kräfte des israelischen Staates sind gespalten. Die von Netanjahu geführte Koalitionsregierung taumelt weiter, erschüttert von einer Reihe von Massenprotesten und einem Generalstreik. Sogar Teile des Staatsapparats – Pilot*innen und Militärreservist*innen – haben sich geweigert, ihren Pflichten nachzukommen.

Während die kapitalistischen Politiker*innen an der Spitze dieser Massenbewegung sich auf die Verhinderung von Justizreformen beschränken, gehen die Arbeiter*innen aus Abscheu vor der reaktionären Regierung auf die Straße und wollen ein Ende der steigenden Lebenshaltungskosten.

Massenproteste und Streiks des palästinensischen Volkes, wie die Demonstrationen und der Generalstreik als Reaktion auf die brutalen Schläge in der Al-Aqsa-Moschee im April, würden die Kräfte, die den israelischen Staat herausfordern können, weiter stärken.

Koordinierte Streik- und Protesttage zwischen der israelischen und der palästinensischen Massenbewegung gegen einen gemeinsamen Feind – den israelischen kapitalistischen Staat – wären von enormer Bedeutung.

Die pro-kapitalistischen palästinensischen Organisationen, einschließlich der Fatah und der Hamas, haben sich als unfähig erwiesen, den Kampf für die Befreiung und ein sicheres und komfortables Leben für die Palästinenser*innen zu führen.

Die von der Fatah geführte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) ist nutzlos, da sie von den israelischen Streitkräften überstimmt und stark unterdrückt wird, und Millionen von Palästinenser*innen in den PA-Gebieten leben weiterhin in Armut.

Die Hamas wird mit ihrem bewaffneten Widerstand im Gazastreifen von manchen als entschiedener Verfechter der palästinensischen Rechte angesehen. Doch wahllose Angriffe auf israelische Zivilist*innen, seien es die Raketen der Hamas und anderer palästinensischer Milizen oder die in Tel Aviv und Jerusalem verübten Autoattentate, bringen den Befreiungskampf nicht voran. Sie sind Ausdruck von Wut, Frustration und dem Wunsch, gegen die Besatzung zu kämpfen, aber sie treiben die israelischen Juden und Jüdinnen der Arbeiter*innenklasse in die Arme der Reaktion und zur Unterstützung noch größerer Repressionen gegen Palästinenser*innen.

Sozialist*innen unterstützen das Recht der Palästinenser*innen, sich mit Waffengewalt gegen die Besatzung zu verteidigen. Aber dies sollte in Form von demokratisch kontrollierten Massenaktionen mit dem Ziel der Besatzungstruppen und der Infrastruktur geschehen und nicht von kleinen Gruppen oder Parteien, die auf israelische Zivilist*innen zielen.

Die Entwicklung demokratisch geführter lokaler Komitees zur Organisation von Aktionen und Verteidigung ist eine dringende Aufgabe. Die Verknüpfung dieser Organisationen wäre ein wichtiger Schritt zum Aufbau einer unabhängigen palästinensischen Massenpartei unter Führung der Arbeiter*innenklasse.

In Israel muss die Arbeiter*innenklasse ihre Führungsrolle in der regierungsfeindlichen Massenbewegung behaupten und eine politische Alternative zu den pro-kapitalistischen Parteien entwickeln. Der Aufbau einer israelischen Massenpartei der Arbeiter*innenklasse unabhängig von kapitalistischen Interessen ist notwendig.

Die Osloer Abkommen, mit denen die Palästinensische Autonomiebehörde im Gazastreifen und in Teilen des Westjordanlandes eingerichtet wurde, sind nun 30 Jahre alt. Die anhaltende Ausweitung der jüdischen Siedlungen im Westjordanland und die Blockade des Gazastreifens unterstreichen das Scheitern dieser Abkommen.

Ein palästinensischer Staat wurde in diesen Abkommen nie in Aussicht gestellt. Aber jede kapitalistische Zwei-Staaten-„Lösung“ – ein palästinensischer und ein israelischer Staat – würde eine Fortsetzung des Konflikts in vielerlei Hinsicht bedeuten, denn der Kapitalismus ist ein krisenhaftes System, das keiner Seite einen angemessenen Lebensstandard sichern kann.

Die Verwirklichung der nationalen Bestrebungen von Palästinenser*innen und Israelis und die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen auf beiden Seiten erfordert einen Kampf für zwei demokratische, sozialistische Staaten.

Auf der Grundlage des Kapitalismus ist eine friedliche Koexistenz von israelischen Juden und Jüdinnen und Palästinenser*innen in einem Staat ausgeschlossen. Die kapitalistische herrschende Klasse eines solchen Staates würde den Konflikt durch Diskriminierung und Unterdrückung weiter schüren. Darüber hinaus zielt das aktuelle Bewusstsein auf beiden Seiten auf Verteidigung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung.

Ein koordinierter Kampf der Palästinenser*innen in den besetzten Gebieten und der israelischen Arbeiter*innenklasse sowie die Entwicklung demokratischer, von kapitalistischen Interessen unabhängiger Massenorganisationen wären die Grundlage, auf der zwei sozialistische Staaten erreicht und Vereinbarungen über Fragen wie die Aufteilung Jerusalems, den Zugang zu Wasser und anderen Ressourcen, Grenzen, Rechte für Minderheiten usw. getroffen werden könnten.

Ein Ende von 75 Jahren Nakba bedeutet, einen Kampf gegen den Kapitalismus und für einen sozialistischen Wandel in Palästina, Israel, dem Nahen Osten und international zu führen.

Dies ist eine Übersetzung eines Flugblatts der Socialist Party in England und Wales.

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