Heizungsdebatte zeigt Versagen des Kapitalismus

Klimaschutz muss von den Reichen und Konzernen gezahlt werden

Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, die so genannte „Wärmewende“, kocht seit Wochen hoch. Die CDU hat angekündigt, den Kampf gegen dieses Gesetz zum Thema in jedem anstehenden Wahlkampf zu machen. Die FDP hat dem Gesetzentwurf nur unter Vorbehalt im Bundeskabinett zugestimmt. Kritik kommt von allen Seiten. Nach einer Umfrage von n-tv denken 79 Prozent der Bevölkerung, die Bundesregierung nehme bei ihren Klimaschutzmaßnahmen zu wenig Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten der Bürger*innen. Tatsächlich zeigt das Thema „Wärmewende“ wie kaum ein anderes, dass Soziales und Klimaschutz im Rahmen des Kapitalismus zum Widerspruch wird. Eine sozialistische Lösung ist deshalb alternativlos, wenn nicht die Masse der arbeitenden Bevölkerung drauf zahlen soll.

Von Sascha Staničić, Sol-Bundessprecher

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ab dem 1.1.2024 neue Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Ab 2045 soll es keine Öl- oder Gasheizungen mehr geben. Die Notwendigkeit, fossile Energieträger aus den Heizungen zu verbannen, besteht. Immerhin werden bis zu ein Drittel aller Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor generiert.

Sozial entlasten

42 Prozent der Bevölkerung lebt im Eigenheim. Der Einbau einer neuen Heizungsanlage oder einer Wärmepumpe kann für Eigenheimbesitzer*innen mehrere zehntausend Euro kosten. Die Bundesregierung hat einen Förderplan vorgelegt, der eine Grundförderung für alle von dreißig Prozent vorsieht – unabhängig davon, ob es sich um eine Rentnerin, einen Sozialhilfeempfänger, Facharbeiter*in oder Kapitalisten handelt. Hinzu kommen sozial gestaffelte Boni, die eine maximale Förderung von fünfzig Prozent ermöglichen – was aber auch bedeutet, dass die andere Hälfte von allen, egal ob arm oder reich, aus eigener Tasche finanziert werden muss.

Dass das für viele Menschen ein Horrorszenario ist, ist nachvollziehbar. Hier müsste, statt mit der Gießkanne vorzugehen, eine wirklich sozial gestaffelte Entlastung von lohnabhängigen und mittelständischen Eigenheimbesitzer*innen her. Das könnte je nach Einkommens- und Vermögenssituation bedeuten, dass der Staat diese Kosten ganz übernimmt oder durch zinslose Kredite unterstützt oder dass die Entlastung nicht über die Abschöpfung der eingesparten Energiekosten über einen gewissen Zeitraum hinausgehen dürfte.

Mieter*innenrechte

Mieterinnen und Mieter müssen vor Mieterhöhungen geschützt werden. Die Kosten der so genannten Wärmewende dürfen nicht auf die Miete umgelegt werden. Dazu muss die Modernisierungsumlage abgeschafft werden, die von Vermieter*innen ohnehin oftmals dazu missbraucht wird, unnötige „Modernisierungen“ vorzunehmen, um die Mieten in die Höhe zu treiben und Altmieter*innen zu vertreiben.

Die Kosten müssen getragen werden durch die Profite der Energie- und Immobilienkonzerne, die in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle durch die arbeitende Bevölkerung überführt gehören. Das notwendige Geld könnte durch eine höhere Besteuerung von Unternehmensgewinnen, Vermögen und Erbschaften aufgebracht werden.

Planung nötig

Doch das Gebäudeenergiegesetz wirft nicht nur die Frage auf, wer die Kosten der Umstellung von Heizungen auf erneuerbare Energien tragen soll, sondern wie diese Umstellung grundsätzlich gestaltet werden soll und wie Energie im Gebäudesektor eingespart werden kann.

Letzteres wäre durch umfassende Gebäudesanierungen möglich, die Fassadendämmung, Einbau moderner Fenster, Dachisolierungen etc. beinhalten müssten.

Die von der Ampel-Koalition vorgesehenen Maßnahmen orientieren nun einseitig auf eine Elektrifizierung von Heizungen und legen den Fokus auf den Einbau von Wärmepumpen. Damit entsteht auch kurzfristig ein großer Markt, auf dem sich Kapitalist*innen subventioniert durch Steuermittel bereichern können, ohne dass die Preise kontrolliert werden.

Dass der Strom, mit dem diese Wärmepumpen betrieben werden, jedoch möglicherweise gar nicht aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, spielt in den Überlegungen der Regierung keine Rolle. Trotzdem gilt der Strom dann als erneuerbar.

Gleichzeitig soll der Strompreis für die Industrie staatlich subventioniert werden, während die Masse der Bevölkerung weiter mit hohen und steigenden Strompreisen zu kämpfen hat.

Statt an einem umfassenden, gesamtgesellschaftlichen Plan zu arbeiten, orientieren die Lösungen auf den Einbau neuer Heizungen bzw. Wärmepumpen in einzelnen Häusern. Damit wird vor allem das enorme Potenzial von Fernwärme- und Quartierslösungen nicht einbezogen. Fachleute weisen darauf hin, dass Wärmepumpen nicht die Universallösung darstellen und es kommunale Wärmepläne und Quartierslösungen bedarf, die verschiedene erneuerbare Energiequellen nutzen, zum Beispiel Solarenergie, Tiefen-Geothermie, Biomasse, Biogas etc.

So stellt sich auch die Frage, ob die Gesamt-Ökobilanz der Umstellung überhaupt positiv ausfallen wird, wenn zum Beispiel die Möglichkeit, Gasheizungen mit Biogas zu betreiben, ausgeschlossen wird.

Kapitalismus versagt

Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz zeigt die Grenzen der kapitalistischen Marktwirtschaft bei der Umstellung auf erneuerbare Energien und die Notwendigkeit einer an den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt orientierten gesamtgesellschaftlichen, demokratischen Planung auf. Das gilt auch für die Tatsache, dass der Heizungsumbau in der nun vorgesehenen Zeitspanne einen enormen Bedarf an Produktionskapazitäten und Arbeitskräften bedeutet. Der Heizungsbau in der Bundesrepublik ist stark mittelständisch geprägt und die Firmen haben nachvollziehbare Sorgen, dass sie den Bedarf nicht werden bedienen können und der Konkurrenz großer Anbieter aus den USA oder Asien nicht werden standhalten können. So könnte das Potenzial für die Schaffung neuer Arbeitsplätze einen gegenteiligen Effekt haben. Auch hier müsste der Staat dafür sorgen, dass staatliche Produktionskapazitäten aufgebaut, Fachkräfte ausgebildet und Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ginge am besten durch die Verstaatlichung großer Konzerne und Unternehmen unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung. Ein öffentliches Investitionsprogramm könnte kleinere Unternehmen gleichzeitig unterstützen, sollte aber einhergehen mit demokratischen Kontrollrechten für Gewerkschafts- und Belegschaftsvertreter*innen über Arbeitsbedingungen und Mittelverwendung. Wenn dies Teil einer umweltpolitisch dringend nötigen Verkehrswende – weg vom Individualverkehr hin zum Ausbau des öffentlichen Personennah- und Fernverkehrs – wäre, könnte eine Konversion der Autoindustrie nicht nur zur Produktion von Bussen und Bahnen, sondern auch von für eine wirkliche Wärmewende nötigen Produkten wie Großwärmepumpen, Erdwärmebohrern etc. genutzt werden – ohne dass ein Arbeitsplatz verloren gehen müsste.

Das „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“ hat berechnet, dass eine Wärmewende einschließlich der nötigen Wohnungssanierungen bis 2035 möglich wäre und jährlich zusätzliche fünfzig Milliarden Euro kosten würde – Geld, das da wäre, wenn die enormen Vermögen und Profite der Kapitalist*innenklasse angetastet und staatliche Gelder in den Klimaschutz statt in die Bundeswehr gesteckt würden.