Bahngewerkschaft EVG leitet Urabstimmung über Streik ein

Interview mit Jonas Grampp

Jonas Grampp ist Mitglied der EVG-Ortsjugendleitung Berlin und der Gesamtjugendvertretung der DB Netz AG*. Er ist auch Mitglied der Sol und aktiv in der Bahnvernetzung (einem Kreis von kämpferischen Gewerkschafter*innen aus EVG und GDL, die der VKG – Vernetzung für kämpferische Gewerklschaften nah stehen). Für die Solidarität sprach mit ihm Sascha Staničić.

Die EVG hat die Tarifverhandlungen mit der DB für gescheitert erklärt. Das war für einige überraschend. Was ist der Grund für diese Entscheidung?

Da die Unterlagen dazu nicht öffentlich sind ist es schwer alle Entscheidungspunkte des Bundesvorstands und der Tarifkommission zu erfassen. Aber es ist klar, dass insbesondere die lange Laufzeit von 27 Monaten (gefordert waren 12 Monate) einen gewaltigen Ausschlag dazu gegeben haben. Aber auch ein Festbetrag in Höhe von ca. 400 Euro ist nicht mit unseren Forderungen und erst recht nicht mit einer Laufzeit von über 2 Jahren in Einklang zu bringen

Nun wird zur Urabstimmung aufgerufen. Wir schätzt Du die Stimmung unter den Kolleg*innen ein?

Hätte man mich Ende Mai, also eine Woche nach dem Gerichtstermin am Arbeitsgericht in Frankfurt, gefragt, wäre meine Schätzung bei rund neunzig Prozent Zustimmung gewesen. Durch die sich hingezogenen Verhandlungen, bei denen die Mitglieder kaum Einblick hatten, ist die Streikbereitschaft gesunken. Ich denke dennoch, dass wir achtzig Prozent Zustimmung knacken werden.

Zur Zeit kursiert ja vor allem der Abschluss mit Transdev und Abellio. Dieser beinhaltet 420 Euro Lohnerhöhung als Festbetrag bei einer Laufzeit von 21 Monaten mit zusätzlichen eintausend Euro Inflatiationsausgleich. Bei der DB kann die EVG mit einem solchen Abschluss aber nicht punkten. Nicht zuletzt aufgrund des Verzichts in den letzten Jahren zulasten der Mitarbeitenden, haben wir unsere Forderungen von 12 Prozent, mindestens aber 650 Euro bei einer Laufzeit von zwölf Monaten aufgestellt. Es gibt jetzt am Beginn einer Uranstimmung und eines Streiks keinen Grund von diesen Forderungen abzuweichen. Wenn die EVG-Führung den Transdev- und Abellio-Abschluss auf die deutsche Bahn übertragen will, macht sie einen schweren Fehler und wird die Streikbereitschaft im Zweifel schwächen.

Nach der Urabstimmung kommt normalerweise ein Streik. Bei der Post lief das dieses Jahr anders. Siehst Du die Gefahr, dass auch dies Urabstimmung nur weiter Druck aufbauen soll und ein Streik noch vermieden werden soll?

Der Vorstand der EVG hat in der heutigen Pressekonferenz klar gemacht, dass man sich bis zum Ende der Urabstimmung auch Warnstreiks vorstellen kann. Bei einer voraussichtlichen Dauer der Urabstimmung von vier bis fünf Wochen ist das auch notwendig zusätzlich Druck aufzubauen und sich “warmzustreiken”. Man hat aber bereits erklärt, dass man sich für weitere Angebote der DB bereit hält und schließt auch Verhandlungen nicht aus. Meiner Einschätzung nach hat der Bundesvorstand mit der Entscheidung aber vor allem den Druck auf die Deutsche Bahn erhöhen wollen, ob wir tatsächlich in einen unbefristeten Streik eintreten sehe ich leider noch nicht als gegeben.

Wie sollte ein Streik geführt werden, um erfolgreich zu sein?

Streiks sollten so aufgebaut sein dass sie alle Kolleg*innen abholen und unsere gemeinsamen Forderungen unterstreichen. Dazu ist es unbedingt notwendig mit vollständiger Transparenz über Angebote, Verhandlungsergebnisse und Streiktaktiken umzugehen. Gleichzeitig bedarf es ein geeigneteres Mittel um demokratisch über die Weiterführung von Streiks oder eine spätere Annahme eines Angebotes des Arbeitgebers zu diskutieren und zu entscheiden. Dazu sind demokratische Strukturen notwendig, diese gilt es weiter aufzubauen und zu stärken. Wenn wir in den Erzwingungsstreik gehen, werden wir aber sicher auch mit einer medialen Kampagne und Statements von bürgerlichen Politiker*innen gegen den Streik konfrontiert sein. Das macht eine breite Solidaritätskampagne aller Gewerkschaften nötig und natürlich auch einen Appell an die Kolleginnen und Kollegen der GDL im besten Fall auch die Arbeit niederzulegen, zumindest aber keinen Streikbruch zu begehen.

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