“Streikbereitschaft ist nicht von Forderungen zu trennen”

ver.di Betriebsgruppe an der FU Berlin fordert tausend Euro mehr Lohn

Interview mit Claudius Neumann, ver.di Betriebsgruppensprecher an der Freien Universität Berlin zur TV-L Runde. Die Betriebsgruppe hatte einen Forderungskatalog beschlossen, den sie auch als Petition gestartet hat. Mittlerweile hat ver.di die Forderung nach 10,5 Prozent mehr Lohn, aber mindestens 500 Euro für die anstehende Tarifrunde beschlossen. Das Gespräch führte Angelika Teweleit.

Ihr fordert unter anderem 1000 Euro mehr monatlich. Wie kamt ihr auf diese Summe?

Nun, hier muss man mehrere Aspekte sehen: erstens haben wir im TV-L (Tarifvertrag der Länder) seit Jahren Reallohnverluste, besonders massiv in den letzten Jahren; zweitens hinken wir dem TVÖD im Schnitt um die 10 Prozent hinterher; drittens haben wir uns für eine tabellenwirksame Festgeldforderung entschieden, um die Schere zwischen den unteren und oberen Entgeltgruppen nicht noch mehr zu öffnen. Außerdem berücksichtigen wir mit der Forderung, dass die unteren Entgeltgruppen überproportional von der Teuerung betroffen sind, weit mehr als die offizielle Inflationsrate. Die konkrete Forderung haben wir übrigens von der ver.di-Landesfachkommission Hochschulen von NRW übernommen.

Wie nehmt ihr die Stimmung in eurem Betrieb wahr? Seht ihr eine Streikbereitschaft?

Unsere Betriebsgruppe hat sich auch schon in früheren Tarifrunden kritisch mit „falscher Bescheidenheit“ auseinandergesetzt. Die Ablehnung des letzten Tarifergebnisses war bei uns groß. Generell kann man sagen, dass auch bei höheren Entgeltgruppen der Reallohnverlust spürbarer geworden ist. Die Frage der Streikbereitschaft kann nicht von der Frage der Forderungen getrennt werden, die Kolleginnen und Kollegen wollen ja wissen, wofür sie streiken sollen. Es ist aber noch gar nicht klar, wohin der Kurs gehen soll.

Wir haben seitens der ver.di-Betriebsgruppe ein Aktionskomitee gegründet, um die Planung und Durchführung der Aktionen in der Tarifrunde auf eine breitere Basis zu stellen. Das Komitee ist offen für alle Aktiven, auch für (Noch-)Nicht-Organisierte und Mitglieder anderer Gewerkschaften an der FU.

Warum habt ihr eine öffentliche Petition für euren Forderungskatalog gestartet?

ver.di hat als „Top-down“-Kampagne eine so genannte Forderungsbefragung gestartet, die auf rein indiduellen Interviews beruht, die über fast die gesamten Monate August und September läuft. Als Alibi für eine Diskussion dient lediglich ein dreistündiger „Forderungsratschlag“ Ende September, der eine auf dieser Befragung basierende Forderungsempfehlung geben soll. Wir halten aber für eine Forderungsentwicklung eine kollektive Diskussion in der gesamten ver.di für unverzichtbar, welche die anfangs genannten Aspekte berücksichtigt.

Genau das aber möchte der Gewerkschaftsapparat nicht. Da wir aber gesehen haben, dass unsere Vorschläge auch außerhalb der FU auf Interesse und Zustimmung stoßen, haben wir die Petition gestartet, um das Diskussionstabu in ver.di zu durchbrechen und Druck aufzubauen, Forderungen aufzustellen, die den Reallohn sichern.