Rassistische Asylpolitik wird verschärft
Am 7. November einigten sich Bund und Länder auf einen „vernünftigen Kompromiss“ zur Asylpolitik, wie es die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger zynisch bewertete. Vernünftig sind die neuen Regelungen nur, wenn man darunter „die arbeitende Bevölkerung spaltend“ oder „nicht mit der Menschenwürde vereinbar“ versteht.
Von Maria Valitov, Kiel
Die Einigung beinhalten neben Leistungskürzungen und der Einführung von Bezahlkarten statt Bargeld für Asylbewerber*innen auch die Option, Asylverfahren in Länder außerhalb Europas zu verlagern. Während das Bürgergeld eigentlich das Existenzminimum beschreibt, mussten Asylbewerber*innen schon bisher für die ersten 18 Monate mit weniger auskommen. Diese Zeitspanne wurde auf 36 Monate erhöht. Abschiebungen sollen erleichtert werden, Grenzkontrollen werden aufrecht erhalten.
Einen Modellversuch für Bezahlkarten gibt es schon – ausgerechnet in dem links regierten Thüringen im Landkreis Greiz. Die Geflüchteten bekommen dort nur noch 100 Euro in bar ausgezahlt, während der Rest auf einer Karte des Zahlungsdienstleisters Mastercard ausgezahlt wird. Die Summe des Guthabens kann von dem Landratsamt begrenzt werden, ebenso wie das Gebiet in der sie gültig ist. Asylsuchende, also die Menschen für die die Entscheidung über ihren Aufenthaltsstatus noch aussteht, werden dadurch diskriminiert und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Vernünftig?
Außerdem soll eine Kommission aus gesellschaftlichen Akteur*innen gegründet werden, um „die Migration besser steuern zu können“. Mit „gesellschaftlichen Akteur*innen“ sind unter anderem Kirchen und Organisationen, welche sich für Asylsuchende einsetzen, und Wissenschaftler*innen gemeint. Die Kompetenz und Aufgabe der Kommission ist nicht genau festgelegt. Das legt die Vermutung nahe, dass dadurch den Beschlüssen ein menschenfreundlicher Anschein gegeben und damit von ihrem rassistischen Charakter abgelenkt werden soll.
Anreize stoppen?
Die Begründung für diese Maßnahmen soll vom Standpunkt der prokapitalistischen Politiker*innen wohl auch „vernünftig“ sein: Anreize für „illegale Migration“ sollen vermieden und ein Betrag von einer Milliarde Euro gespart werden. Die Politiker*innen können sich wohl nicht vorstellen, dass Menschen nicht aus Gier, sondern aus Existenzangst fliehen. Solange es Krieg und Imperialismus gibt, wird es immer auch Menschen geben, die ihre Heimat verlassen und fliehen müssen. „Illegale“ Migration gibt es nur, weil die Regierenden das Asylrecht in den letzten Jahrzehnten immer mehr ausgehöhlt haben und legale Fluchtrouten kaum existieren.
Um eine Milliarde einzusparen müsste man das Sondervermögen für die Bundeswehr nur um ein Prozent kürzen!
Bayerns Ministerpräsident Söder kritisierte die Gesetzesänderung als „klein-klein“ und schürt weiter Angst vor angeblich „unkontrollierter Zuwanderung“.
Auch im Kontext des Krieges im Nahen Osten werden immer mehr Ängste vor muslimischen Migranten*innen geschürt. So fordert Söder auch die Möglichkeit, Menschen die doppelte Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn diese islamistische oder antisemitische Meinungen vertreten. Das stellt Muslime und Muslimas gerade in dem Kontext des Krieges in Palästina unter einen Generalverdacht, während Palästinenser*innen in Deutschland mit ansehen müssen, wir Freund*innen und Familie in Gaza getötet werden.
Nicht spalten lassen
Die Sorgen um immer knapper werdenden Wohnraum, um zu wenig Kitaplätze eine schlechter werdende medizinische Versorgung etc. sind berechtigt. Doch nicht Migration ist die Ursache dieser Probleme, sondern das kapitalistische System und die Politik der Regierenden. Nicht Gier oder der Wunsch nach einem bequemen Leben sind Auslöser für Flucht, sondern Imperialismus, Krieg und Klimawandel. Nicht freiwillig bleiben viele Migrant*innen lange arbeitslos, sondern weil die Ausländerbehörden häufig mit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis auf sich warten lassen. Die sehr häufig prekären und beengten Lebensbedingungen in Sammelunterkünften, mangelnde Privatsphäre, Trennung von Familien in unterschiedliche Bundesländer und Abhängigkeit von den Entscheidungen von Sozialämtern und Ausländerbehörden gehören zu dem Alltag vieler Migranten. So leben in der größten Gemeinschaftsunterkunft in Kiel bis zu zehn Personen und zwei Familien in einem Zimmer, während Gemeinschaftsbadezimmer immer wieder unter Wasser stehen.
Die ganze Migrationsdebatte ist ein riesiges Ablenkungsmanöver, das dazu dient, von den tatsächlichen gesellschaftlichen Problemen und ihren Verursacher*innen abzulenken. In einem so reichen Land wie Deutschland dürfte es kein Problem sein, für die Einwanderer*innen eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, ohne dass dafür die Masse der Bevölkerung auf irgend etwas verzichten müsste. Gleichzeitig sind die Probleme der sozialen Infrastruktur, im Bildungs- und Gesundheitswesen und auf dem Wohnungsmarkt nicht durch Einwanderung verursacht worden, sondern durch Profitgier, Privatisierung und politische Entscheidungen im Interesse der Kapitalist*innenklasse. Die von bürgerlichen Medien und Politiker*innen inszenierte Migrationsdebatte solle aber den Eindruck erwecken, die sozialen Missstände in Deutschland hätten ihre Ursache in der Einwanderung. Ist der einheimische Arbeiter oder die einheimische Mieterin auf die Zuwanderer wütend, kämpfen er und sie nicht gegen die Kapitalist*innen und Vermieter*innen. Diesem „Teile und Herrsche“ dürfen wir nicht auf den Leim gehen und uns nicht spalten lassen. Nur wenn wir gemeinsam als Lohnabhängige – unabhängig von Nationalität, Hautfarbe und Aufenthaltsstatus – gegen die uns alle betreffenden Probleme kämpfen, können wir etwas erreichen.
Wir fordern ein Ende von Diskriminierung und Ausgrenzung und gleiche Rechte für alle, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Wir fordern eine Ausweitung des Asylrechts statt der immer weiter fortschreitenden Einschränkung und die Einrichtung legaler Fluchtwege.
Soziale Probleme entstehen aus Marginalisierung, Perspektivlosigkeit und Ausgrenzung nicht Aufgrund von Nationalität oder Religion. Wir fordern ein Ende von Waffenlieferungen und den Abzug von Bundeswehrsoldaten von allen laufenden Auslandseinsätzen. Gesellschaftliche Akteure, wie Sozialverbände, Kirchen und Wissenschaftler*innen dürfen sich nicht für die weitere Ausgrenzung sowieso schon marginalisierter Gruppen instrumentalisieren lassen. Denn Spaltung, Hass und Diskriminierung schaden schlussendlich der ganzen Arbeiter*innenklasse.