Tausende protestieren gegen AfD

By RimbobSchwammkopf (Own work) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

Die politisch Verantwortlichen für den Aufstieg der Rechten in den Blick nehmen

Tausende Menschen sind in den letzten Tagen auf die Straße gegangen, um gegen die AfD zu demonstrieren. In verschiedenen Städten gibt es Proteste seit eine Recherche des Netzwerks „Correctiv“ ein Treffen von AfD-Politikern, Mitgliedern der CDU und der Werteunion und der rechtsextremen Identitären Bewegung in Potsdam im letzten November öffentlich machte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten unter anderem, wie man am besten millionenfach (vermeintliche) Migrant*innen aus dem Land drängen und ausweisen könnte, wenn man einmal die politischen Mittel dazu in den Händen hält.

Von Tom Hoffmann, Sol-Bundesleitung

Viele sind nachvollziehbarerweise besorgt angesichts dieser Berichte, auch wenn das keine völlig neue Entwicklung ist. Dass solche Ideen in der AfD bis in höchste Kreise diskutiert werden; dass sie Verbindungen nicht nur zur aktiven Nazi-Szene pflegt sondern auch Schnittmengen zum rechtskonservativen Flügel der Union bestehen, wird gleichzeitig die wenigsten überrascht haben. Gleichzeitig drohen weitere Durchbrüche der AfD. Angesichts der hohen Umfragewerte drohen zum Teil Erdrutscherfolge der Partei insbesondere in den Landesparlamenten in Sachsen, Brandenburg und Thüringen.

Soziale Ursachen des AfD-Aufstiegs bekämpfen

Demonstrieren gegen die AfD ist deshalb eine richtige Schlussfolgerung und eine drängende Aufgabe. Doch Proteste gegen die AfD hat es in den letzten Jahren immer wieder gegeben – dennoch ist die Partei nun laut Umfragen die zweitstärkste politische Kraft. Nötig ist es also auch, sich den tieferliegenden Ursachen dafür zu widmen. Proteste gegen die Partei dürfen sich nicht einfach auf eine moralische Empörung über deren rassistische und reaktionäre Ideen beschränken. Das wird nicht ausreichen, um ihrem Höhenflug die Flügel zu stutzen. Entscheidend ist der nötige Aufbau einer politischen Kraft, die nicht nur eine glaubwürdige Alternative zur AfD sondern auch zur Politik der etablierten pro-kapitalistischen Parteien formuliert, welche für ihren Aufstieg verantwortlich sind. Proteste müssen auch die sozialen Fragen aufgreifen, welche den Nährboden für das Wachstum der AfD bereiten. Nach dem Motto: Gemeinsam gegen die AfD – und für bezahlbaren Wohnraum, höhere Löhne und Investitionen in Gesundheit, Bildung, Klimaschutz und Soziales.

Denn die AfD stützt sich auf die angestaute Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment – insbesondere mit der aktuellen Ampel-Regierung. Nicht mal jede*r Fünfte ist mit dieser Regierung zufrieden. Die AfD profitiert davon, dass sie sich als radikale Opposition zur Regierung und zu den etablierten Parteien insgesamt darstellen kann – leider auch weil Die Linke in den letzten Jahren versagt, diesen Platz glaubwürdig von links zu besetzen.

Es ist nötig, die politischen und sozialen Ursachen des AfD-Aufstiegs und den sozialen Nährboden für rassistische Ideen in der Gesellschaft in den Blick zu nehmen und ihn mit dem Kampf gegen Rassismus zu verbinden. Das heißt Gegnerschaft zur AfD mit der Erklärung zu verbinden, dass nicht Migration im allgemeinen oder Migrant*innen individuell für die sozialen Probleme, mangelnden bezahlbaren Wohnraum, ein kaputt gespartes Bildungs- und Gesundheitssystems usw. verantwortlich sind, sondern die pro-kapitalistische Politik der etablierten Parteien – zu der die AfD keine Alternative formuliert. Zu erklären, dass tatsächlich notwendige Klimaschutzmaßnahmen nicht zulasten der breiten Masse der Bevölkerung finanziert werden dürfen. Erklären, dass stattdessen die Vermögen der Super-Reichen und die Rekordprofite der Banken und Konzerne durch drastisch höhere Steuern und einmalige Abgaben herangezogen werden müssen. Laut Oxfam konnten allein die fünf reichsten Deutschen ihr Vermögen seit 2020 von 89 auf 155 Milliarden Euro steigern – also um drei Viertel!

Regierung und Kapitalismus bekämpfen

Das wäre ein Programm, um die AfD wirksam zu schwächen. Doch das bedeutet auch auf Konfrontationskurs zu dieser Regierung, den pro-kapitalistischen Parteien und ihrem System zu gehen, die für die Politik Verantwortung tragen, welche die AfD erst stark gemacht hat. Regierungsvertreter*innen, wie Olaf Scholz und Annalena Baerbock, ließen sich am Sonntag auf einem Protest gegen die AfD in Potsdam ablichten. Das sind diejenigen, deren Politik der AfD Wähler*innen zutreibt und die gleichzeitig Rechte von Geflüchteten in den letzten Wochen massiv eingeschränkt haben. Während die AfD-Runde ihre kruden Ideen über Remigration in Potsdam diskutierte, forderte Olaf Scholz im Spiegel, dass wieder mehr abgeschoben werden müsse. Der staatliche Rassismus, der genauso die wirklichen Verursacher*innen der sozialen Probleme verschleiert, wie der Rassismus der AfD muss genauso bekämpft werden.

Es sind Forderungen und Slogans nötig, die das zum Ausdruck bringen, zum Beispiel:

  • Statt Rassismus und unsozialer AfD-Politik: Gemeinsam kämpfen für bezahlbaren Wohnraum, höhere Löhne und Investitionen in Gesundheit, Bildung, Soziales und Klimaschutz!
  • Nein zu jeder Form von Rassismus! Asylrecht wiederherstellen, Abschiebungen stoppen, Bleiberecht für alle!
  • Die Reichen zur Kasse statt Kürzungen bei der Masse: Höhere Steuern für Millionär*innen und große Konzerne!

Kann das Problem verboten werden?

Einige Politiker*innen, darunter die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und der schleswig-holsteinische CDU-Ministerpräsident Daniel Günther, fordern nun, ein Verbot der AfD zu prüfen. Auch auf den Demonstrationen der letzten Tage wurde diese Forderung erhoben. Doch dieser Weg ist nicht geeignet, die Rechtspopulist*innen politisch zu schwächen. Im Gegenteil besteht die Gefahr, dass die AfD solch einen Verbotsversuch (und allein die Debatte darüber) nutzen wird, um sich als Opfer einer undemokratischen Kampagne des politischen Establishments zu präsentieren. Vergleichbare Situationen – wie beispielsweise aktuell die Versuche, Donald Trump auf juristischem Wege an einer erneuten Präsidentschaftskandidatur in den USA zu hindern – zeigen, dass der gegenteilige Effekt eintreten kann und die Rechtspopulist*innen dadurch noch gestärkt werden könnten. Selbst wenn es zu einem Verbot kommen würde, könnte die AfD sich schnell reorganisieren, wie es der Vlaams Blok nach seinem Verbot in Belgien als Vlaams Belang tat. Ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht, welches im Falle des Erfolgs im Übrigen in Zukunft auch Grundlage für Repressionen gegen linke Parteien sein könnte, weist auch weg von den eigentlich nötigen Protesten und der Notwendigkeit eine politische Alternative von links aufzubauen.

Die Stärke der AfD ist aktuell leider das Spiegelbild der Schwäche der Partei Die Linke. Die Partei hat in den letzten Jahren versagt, eine glaubwürdige linke Alternative zur Regierungspolitik zu präsentieren – u.a. durch das Mitverwalten des Status Quo in verschiedenen Landesregierungen. Solange sich das nicht grundlegend ändert (und leider sieht aktuell wenig danach aus), läuft die Partei Gefahr in der Bedeutungslosigkeit abzustürzen, was sich schon in den nächsten Wahlen zeigen könnte. Einige mögen Hoffnungen in die neue Partei von Sahra Wagenknecht setzen, welche auch der AfD bei nächsten Wahlen zusetzen könnte. Doch die Wagenknecht-Partei bestärkt fälschlicherweise die Argumente der AfD, dass „zu viel Migration“ die Ursache für soziale Probleme ist und prominente Vertreter*innen wie Wagenknecht wollen selbst Einschränkungen von Geflüchtetenrechten. Gleichzeitig bietet sie keine Alternative zur kapitalistischen Marktwirtschaft an und setzt nicht darauf Veränderungen durch Massenmobilisierungen und Selbstorganisation der Arbeiter*innenklasse zu erreichen. Stattdessen hat Wagenknecht schon ihre Bereitschaft erklärt, selbst mit der CDU Regierungen zu bilden.

Nötig ist der Aufbau einer Bewegung, welche den Kampf gegen Rassismus mit dem Kampf gegen die Krise des Kapitalismus verbindet. Die Gewerkschaften, mit ihren knapp sechs Millionen Mitgliedern, haben die Chance und die Verantwortung, dazu einen Beitrag zu leisten – durch Mobilisierungen auf der Straße und Debatten in den Betrieben. Die Mehrheit der Bevölkerung hat unabhängig von Herkunft, Geschlechts oder anderer Merkmale gemeinsame soziale Interessen. Die gilt es auch im Kampf gegen die AfD herauszustellen. Im Kapitalismus, der Rassismus für die Spaltung der Lohnabhängigen braucht, geraten die sozialen Interessen der Arbeiter*innenklasse immer unter die Räder einer profitgetriebenen Wirtschaftsweise. Deshalb braucht es eine sozialistische Alternative zu diesem System, um mit den Rechtspopulist*innen fertig zu werden und ihnen die Grundlage zu entziehen.