Interview mit Julia Hertwig, Streikaktivistin am Jüdischen Krankenhaus Berlin
Die Beschäftigten des Jüdischen Krankenhaus Berlin streiken seit dem 8. Januar unbefristet für einen Tarifvertrag Entlastung (TV-E) nach dem Vorbild der Berliner Charité und Vivantes. Wir sprachen am Anfang der zweiten Streikwoche mit der Pflegerin und Streikaktivistin Julia Hertwig.
Warum ist ein Tarifvertrag Entlastung bei euch überhaupt nötig?
Bei uns ist der TV-E so verdammt nötig, weil wir wie alle Kliniken massiv vom Personalmangel betroffen sind. Es müssen jetzt Arbeitsbedingungen geschaffen werden, um erstens das bestehende Personal zu halten und zweitens neues zu gewinnen sowie Auszubildenden eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Sie müssen motiviert sein, nach ihrer Ausbildung bei uns weiter zu arbeiten.
Grundsätzlich ist es auch einfach wichtig für die Gesundheit der Beschäftigten, die die ganze Zeit überlastet und unterbesetzt arbeiten. Der Gesundheitsschutz steht für uns da auch an erster Stelle! Außerdem bedeutet es eine enorme Verbesserung für die Patient*innen, die bei uns im Haus liegen, wenn sie eine gute Versorgung erfahren und die Behandlungspflege bekommen, die sie benötigen.
Was fordert ihr von der Leitung des Krankenhauses?
Wir fordern, dass sie die Verhandlungen nicht unnötig weiter rausziehen. Wir fordern, dass sie uns und unser Anliegen ernst nehmen, dass sie die Patientenversorgung ernstnehmen und dass sie uns ein Angebot vorlegen, mit dem wir gut und sicher arbeiten können.
Nachdem ihr bereits die Übernahme des TVÖD erstreikt habt, ist das eure zweite Auseinandersetzung. Wie läuft es diesmal?
Eigentlich läuft die Auseinandersetzung ähnlich wie im Frühjahr letzten Jahres, mit dem Unterschied, dass wir dieses Mal eine unterzeichnete Notdienstvereinbarung haben, an die sich beide halten müssen – Arbeitgeber wie auch die Streikenden und die Streikleitung. Zudem haben wir die Bettenreduzierungen verschärft. Wir haben aktuell vier geschlossene Bereiche von insgesamt zwölf. Wir haben zudem noch mehrere Stationen reduziert, und zwar von über vierzig Betten auf zwanzig Betten.
Das Jüdische Krankenhaus gehört zu 51 Prozent dem Land Berlin. Wie setzt ihr den Senat unter Druck, hier zu handeln?
Wir waren einen Tag im Abgeordnetenhaus und hatten dort Termine mit den gesundheitspolitischen Sprecher*innen von CDU, SPD und Grünen. Die der LINKEN hatten wir leider nicht erwischt, weil sie am selben Tag einen Termin hatten.
Wir machen natürlich viel Pressearbeit und versuchen, in den Medien Aufmerksamkeit zu erlangen. Wir haben Lokalpolitiker*innen angeschrieben. Es sind teilweise auch Leute durch die Kieze im Wedding gegangen und haben dort mit den Abgeordneten vor Ort gesprochen. Dazu kommt eine Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus am 18.01. während der ersten Plenarsitzung. Das ist das, was wir auf politischer Ebene tun.
Auch ver.di tut viel, Gisela Neunhöffer* ist stark im Austausch mit Frau Czyborra**, die übrigens auch am Freitag zu uns ins Streiklokal kommt. An alle politischen Akteur*innen war auch immer die Aufforderung gerichtet, Kontakt zu Frau Ismar, der Geschäftsführung des Jüdischen Krankenhauses aufzunehmen und mit ihr zu kommunizieren, wie man die Verhandlungen beschleunigen könnte, und wie man finanzielle Unterstützung geben könnte.
Wie kann man euch sonst unterstützen?
Wir haben ein großes Soli-Bündnis hinter uns, die uns tatkräftig mit allem unterstützen, sei es Ansprachetrainings oder auch mal durch den zu Kiez gehen und Flyer zu verteilen. Das Bündnis Gesundheit statt Profite hat jetzt zum Beispiel einen Spendenaufruf gestartet, um die Geringverdienenden bei uns im Krankenhaus, die sich derzeit im Streik befinden, solidarisch finanziell zu unterstützen, damit sie sich den Streik auch leisten können.
Ansonsten kann man gerne jederzeit bei uns in der Prinzenallee 58 im Streiklokal auftauchen, Solidarität bekunden und Kaffee und Kuchen sind auch immer gerne gesehen!
Zudem gibt es bei Telegram einen Aktiven- beziehungsweise Soli-Kanal, auch da kann man jederzeit gerne eintreten und sich über den aktuellen Verhandlungsstand oder Aktionen informieren. Dort stellen wir immer Anfragen rein, wenn wir Unterstützung brauchen.
*stellv. ver.di-Landesfachbereichsleiterin (zust. für Gesundheitswesen)
**Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege