Ein marxistischer Beitrag zur Debatte von René Arnsburg
1. Einleitung – Don’t believe the Hype
“Die Leistungen von Google und seinen Konkurrenten, von der Internetsuche bis hin zu mobiler Software, verändern die Art und Weise, wie wir arbeiten, spielen und kommunizieren, haben jedoch kaum erkennbare makroökonomische Auswirkungen. … Wirkliche transformative Innovation findet im Internet statt. Sie findet nur nicht anderswo statt.”
-Greg Ip (2015)
Um zunächst die Ausgangsfrage dieser zu beantworten: Künstliche Intelligenz wird die Menschheit nicht voranbringen – das kann nur der Mensch, denn die KI ist keine eigenständige bewusste Entität. Wird sie die Menschheit bedrohen? Die Wirklichkeit ist kein Terminator-Film.
Wohl wissend, dass die Frage nicht so gemeint ist, können wir daraus ein gängiges Missverständnis darüber ableiten, was Technologie ist. In der Mainstream-Debatte werden KI und alle anderen Aspekte der technologischen Entwicklung so behandelt, als würden sie unabhängig von unserem Handeln ablaufen. Als ob sie ihrer eigenen, immanenten Logik folgen und der Mensch keinen Einfluss auf die Art und Weise nehmen kann, in der sich die Dinge entwickeln.
Diese Sichtweise schreibt der Technologie bereits ein menschenähnliches Bewusstsein zu und verschleiert die Tatsache, dass die technologische Entwicklung an die Produktionsweise und die Eigentumsverhältnisse gebunden ist. Wir befinden uns in einer kapitalistischen Gesellschaft, und die technologische Entwicklung erfolgt unter der Kontrolle und im Interesse der herrschenden Kapitalist*innenklasse.
Die öffentliche Debatte wird von den so genannten Futurist*innen beherrscht. Sie lassen sich in zwei Lager einteilen – die optimistischen und die pessimistischen. Es sind zwei Seiten einer Medaille, die meist von Tech-Kapitalist:innen geprägt wird, gefolgt von erstaunten Kommentator*innen und einer ganzen Schar von Online-Verehrer*innen. In der Regel werden Experimente mit alltäglichen Situationen vorgestellt, z. B. ein Roboterarm, der ein Bier zapft, ein Algorithmus, der jemanden beim Schach oder Go besiegt, ein Sprachmodell, das mit einem plaudert oder sogar die eigene Stimme nachahmt. Diese Beispiele werden von den Optimist*innen aufgegriffen, um uns die kommende Welt des Überflusses vorzustellen, in der man keinen Tag mehr arbeiten muss, und die Pessimist*innen befürchten, dass in Zukunft Millionen von Arbeiter*innen durch intelligente Maschinen oder sogar die Menschheit selbst ersetzt werden.
Liberale wie Jeremy Rifkin sagen sogar die “Null-Grenzkosten-Gesellschaft” als Alternative zum Kapitalismus voraus, und Paul Mason geht in seinem Buch “Post-Capitalism” sogar so weit zu sagen, dass materielle Werte durch immaterielle Werte geschaffen werden, weil er in seinem Büro sitzen und seine Texte so oft er will kopieren kann. Nouriel Roubini, auch bekannt als “Dr. Doom”, reiht eine ganze Reihe von Beispielen aus Tech-Magazinen und Tech-CEO-Zitaten aneinander, wie künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz verdrängt oder sogar ersetzen oder zu einer höheren evolutionären Einheit verschmelzen wird, die als Singularität von Mensch und Maschine beschrieben wird.
Sie wiederholen lediglich, was ihnen von Leuten gezeigt wird, die ein Interesse daran haben, diese Dinge und Ideen zu verkaufen. Was sie nicht tun, ist, über den Tellerrand hinauszuschauen und tiefergehende Fragen zu stellen, wie die neue Technologie die Produktionsweise verändert und qualitative, statt quantitative Veränderungen bewirken kann, wenn letzteres überhaupt der Fall ist. Darauf sollten wir uns konzentrieren und all die Hochglanzartikel und -prospekte beiseite lassen.
Das Wesen der ersten industriellen Revolution – derjenigen, die tatsächlich zählt – bestand darin, den Produktionsprozess von der physischen Kapazität zu trennen, eine Arbeit verrichten, vor allem der des Menschen, aber auch der des Tieres, wie Marx es ausdrückte:
“Die Maschine, wovon die industrielle Revolution ausgeht, ersetzt den Arbeiter, der ein einzelnes Werkzeug handhabt, durch einen Mechanismus, der mit einer Masse derselben oder gleichartiger Werkzeuge auf einmal operiert und von einer einzigen Triebkraft, welches immer ihre Form, bewegt wird. Hier haben wir die Maschine, aber erst als einfaches Element der maschinenmäßigen Produktion.
Die Erweitrung des Umfangs der Arbeitsmaschine und der Zahl ihrer gleichzeitig operierenden Werkzeuge bedingt einen massenhafteren Bewegungsmechanismus, und dieser Mechanismus zur Überwältigung seines eignen Widerstands eine mächtigere Triebkraft als die menschliche, abgesehn davon, daß der Mensch ein sehr unvollkommnes Produktionsinstrument gleichförmiger und kontinuierlicher Bewegung ist. Vorausgesetzt, daß er nur noch als einfache Triebkraft wirkt, also an die Stelle seines Werkzeugs eine Werkzeugmaschine getreten ist, können Naturkräfte ihn jetzt auch als Triebkraft ersetzen. Von allen aus der Manufakturperiode überlieferten großen Bewegungskräften war die Pferdekraft die schlechteste, teils weil ein Pferd seinen eignen Kopf hat, teils wegen seiner Kostspieligkeit und des beschränkten Umfangs, worin es in Fabriken allein anwendbar ist. Dennoch wurde das Pferd häufig während der Kinderzeit der großen Industrie angewandt, wie außer dem Jammer gleichzeitiger Agronomen schon der bis heute überlieferte Ausdruck der mechanischen Kraft in Pferdekraft bezeugt. Der Wind war zu unstet und unkontrollierbar, und die Anwendung der Wasserkraft überwog außerdem in England, dem Geburtsort der großen Industrie, schon während der Manufakturperiode. Man hatte bereits im 17. Jahrhundert versucht, zwei Läufer und also auch zwei Mahlgänge mit einem Wasserrad in Bewegung zu setzen. Der geschwollne Umfang des Transmissionsmechanismus geriet aber jetzt in Konflikt mit der nun unzureichenden Wasserkraft, und dies ist einer der Umstände, der zur genauern Untersuchung der Reibungsgesetze trieb. Ebenso führte das ungleichförmige Wirken der Bewegungskraft bei Mühlen, die durch Stoßen und Ziehen mit Schwengeln in Bewegung gesetzt wurden, auf die Theorie und Anwendung des Schwungrads, das später eine so wichtige Rolle in der großen Industrie spielt.”1
Externe Motoren, angefangen mit der Dampfmaschine, ermöglichten den Betrieb von Maschinen in viel größerem Umfang und viel länger, als ein Mensch sie mechanisch antreiben konnte. Zuvor gab es zwar externe Energieressourcen wie Wasser und Wind, aber sie waren nicht zuverlässig oder konnten nicht in einem so großen Maßstab genutzt werden. Mit der Einführung der Elektrizität in großem Maßstab wurde der Betrieb der Maschine auch unabhängig von der unmittelbaren Energiequelle.
Es wird uns gesagt, dass mit der neuesten “industriellen Revolution”, sei es die vierte, die digitale oder jetzt die KI-Revolution, der Produktionsprozess selbst vom Menschen getrennt wird. Maschinen produzieren Maschinen, Waren, Dienstleistungen, und wir werden von der Arbeit befreit sein. Wie wir sehen werden, ist dies nicht nur nicht der Fall – wir sind weit davon entfernt, dies zu erreichen.
Um zu einer nüchternen Analyse zu gelangen, brauchen wir eine Ortsbestimmung. Im September 2013 wurde eine von Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne durchgeführte Studie mit dem Titel “THE FUTURE OF EMPLOYMENT: HOW SUSCEPTIBLE ARE JOBS TO COMPUTERISATION?” im Auftrag der Universität Oxford veröffentlicht. Jedes Jahrzehnt hat seine Technologiedebatte, und dies war der Startschuss für eine neue Runde in den 2010er Jahren, die bis heute andauert. Auf der Grundlage eines Computeralgorithmus wurden 702 Berufe untersucht und berechnet, wie anfällig sie für die Computerisierung sind, wie der Titel sagt. Sie sagen nichts über die tatsächliche Ersetzung von Arbeitsplätzen aus, greifen aber dennoch auf den oben erwähnten Futurismus zurück und kommen zu dem Schluss, dass “etwa 47 Prozent der gesamten US-Beschäftigung in die Hochrisikokategorie fallen. Wir bezeichnen diese als gefährdete Arbeitsplätze – d. h. Arbeitsplätze, von denen wir erwarten, dass sie relativ bald, vielleicht in den nächsten ein oder zwei Jahrzehnten, automatisiert werden könnten.” Nachdem ein Jahrzehnt vorbei ist und die Beschäftigung in den USA von 2013 bis 2022 um 15 Millionen Arbeiter*innen gestiegen ist, ist es mehr als zweifelhaft, dass sie Recht haben. Dennoch war dies der Ausgangspunkt für Millionen von Artikeln, in denen vorhergesagt wurde, dass noch mehr Menschen aufgrund des technologischen Wandels ihren Arbeitsplatz verlieren würden.
Es gibt ein methodisches Problem mit diesen Studien: Sie beruhen auf computergestützten statistischen Wahrscheinlichkeiten oder sogar reinen Umfragen über die Anfälligkeit der Ersetzung von Arbeitsplätzen durch technologische Veränderungen. Sie sagen nichts über die tatsächliche Anwendung neuer Technologien und die anschließende Ersetzung von Arbeitsplätzen aus. Darauf werden wir etwas später zurückkommen.
In den Medien wird dieser entscheidende Aspekt nicht diskutiert, im Gegenteil: Je tiefer die vielschichtige Systemkrise des Kapitalismus wird, desto lauter schreien sie über neue Technologien und deren Auswirkungen. Es ist bemerkenswert, dass nur wenige Monate vor der Veröffentlichung der oben genannten Studie eine weitere Forschungsarbeit mit dem Titel “Is the Information Technology Revolution Over?” veröffentlicht wurde. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Federal Reserve Board und Universitäten in den USA durchgeführt. Seitdem gibt es zwei Strömungen – die wissenschaftliche Debatte über die fehlenden Auswirkungen der sogenannten technologischen Revolution und die öffentliche Darstellung der Auswirkungen der sogenannten technologischen Revolution.
Spulen wir zehn Jahre vor: Trotz vorsichtiger Einschätzung der Auswirkungen weist der OECD Employment Outlook 2023 auf die rasche Entwicklung der künstlichen Intelligenz im Allgemeinen und insbesondere im Bereich der großen Sprachmodelle hin.
Ein herausragendes Beispiel für die erzielten Fortschritte ist der öffentlich verfügbare Generative Pre-trained Transformer, besser bekannt als ChatGPT. In einer kürzlich durchgeführten Studie unter der Leitung der Stanford University und der UC Berkeley stellten Forscher einen dramatischen Rückgang der Qualität der von LLM gegebenen Antworten fest, insbesondere von ChatGPT innerhalb von drei Monaten von März bis Juni 2023. Die fehlende Transparenz erschwert eine wirkliche externe Analyse, warum dies geschieht, aber da ChatGPT vortrainiert ist, indem es mit Informationen bis zum Jahr 2021 gefüttert wird und diese Informationen nur umformt, um eine Antwort zu geben, sollten wir zurückhaltend sein, dies als künstliche Intelligenz zu bezeichnen, wenn in Wirklichkeit menschliche Intelligenz dahinter steckt, die weiterhin notwendig ist, um Aktualisierungen zu liefern und die Fehler auszumerzen. Unternehmen, die ChatGPT für ihre Geschäfte nutzen, haben bereits darauf hingewiesen, wie eine plötzliche Änderung des algorithmischen Verhaltens ihren Arbeitsablauf unterbrechen und ihr Geschäft schädigen könnte.
Das führt uns zum nächsten Punkt:
2. Über Technologie und Entwicklung – Das Produktivitätsparadoxon
Wir werden nackt und schwach geboren und könnten keine längere Zeit überleben, wenn wir nicht eine spezifisch menschliche Fähigkeit entwickelt hätten, unsere eigene Unvollkommenheit im Angesicht der Härten unseres natürlichen Lebensraums zu überwinden. Wie die Tiere sind auch die Menschen nicht von der Natur losgelöst, aber im Gegensatz zu den Tieren, die sich durch die Evolution an eine sich verändernde Umwelt anpassen, hat die Homo-Spezies ihre Umwelt an ihre Bedürfnisse angepasst.
Durch die Forschung des 20. Jahrhunderts wurde dies als “Mensch-der-Werkzeugmacher” bestätigt. Die Verwendung von Werkzeugen ist Tieren wie Affen und Vögeln nicht fremd. Sie benutzen sie, um unmittelbare Notlagen zu überwinden. Der Unterschied zwischen ihnen und uns besteht darin, dass wir die Herstellung von Werkzeugen erlernten, um Veränderungen in der natürlichen Umgebung vorzunehmen.
Selbst Marx erkannte dies in seinem ersten Band des Kapitals:
“Der Gebrauch und die Schöpfung von Arbeitsmitteln, obgleich im Keim schon gewissen Tierarten eigen, charakterisieren den spezifisch menschlichen Arbeitsprozeß, und Franklin definiert daher den Menschen als “a toolmaking animal”, ein Werkzeuge fabrizierendes Tier.”
Die Geburt der Werkzeugherstellung ist auch die Geburt der Informationserfassung und -verarbeitung. Wir können eine Information als kleinste verfügbare Dateneinheit beschreiben. Um Informationen zu sammeln und zu verarbeiten, müssen sie zuvor in unserem Gehirn abstrahiert und formalisiert werden.
Um ein Werkzeug herzustellen, muss das Problem definiert werden, bevor der Produktionsprozess überhaupt beginnt, und die Eigenschaften des Werkzeugs zur Lösung des Problems, die eigentliche Herstellung des Werkzeugs zur Erzielung des gewünschten Ergebnisses, müssen im Voraus geplant werden. Bei der Herstellung eines Faustkeils, einem der gebräuchlichsten und ältesten primitiven Werkzeuge, werden bereits eine Vielzahl von Informationen verarbeitet und ein komplexer Planungsprozess durchlaufen.
Diese Abstraktion und Formalisierung machte schließlich die Übertragung von Informationen als Wissen zwischen Menschen möglich. Die erste Übertragung erfolgte mündlich, später gemalt und schließlich in schriftlicher Form, die wir auch heute noch verwenden, denn selbst der komplexeste Algorithmus ist nichts anderes als niedergeschriebene Information, und eine der formalisiertesten Sprachen der Informationsverarbeitung dürfte das Binärsystem sein, das nur aus zwei Zuständen besteht.
Wir werden weiter unten sehen, warum dies wichtig ist.
Der Mangel in unserem natürlichen Lebensraum könnte als das Hauptmotiv für die Herstellung von Werkzeugen angesehen werden. Dies kann auf vielfältige Weise zum Ausdruck kommen, sei es eine Verknappung natürlicher Ressourcen wie Nahrung, sei es ein Mangel an Arbeitskräften, der zu Erfindungen führte. Letztlich ist ein neues Werkzeug nichts anderes als ein Mittel, um unsere Handlungen effizienter zu gestalten oder – in wirtschaftlicher Hinsicht – die Arbeitsproduktivität zu erhöhen.
Die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten als menschliche Faktoren und die technische Entwicklung werden von Marx und Engels als Produktivkräfte bezeichnet.
Als die Entwicklung der Produktivkräfte um die Kupfer- und Bronzezeit herum zu einem Produktivitätswachstum führte, das die Schaffung eines Mehrprodukts ermöglichte, und darauf aufbauend die Entstehung einer besitzenden Klasse, die sich das Mehrprodukt aneignete, entstand ein neues Motiv für die technologische Entwicklung – die Vermehrung dieses privat angeeigneten Mehrprodukts.
Bis heute folgt die Expansion der Wertproduktion – die jetzt spezifisch kapitalistisch ist – einem Hauptmotiv: der Produktion von Tauschwert mit dem einzigen Zweck – Mehrwert zu schaffen, der dann als Profit für die Kapitaleigner*innen verwertet wird, ohne die anderen historischen Faktoren völlig auszuschalten.
Nach Marx wird die Durchsetzung der Maschinerie im Kapitalismus nicht von der Frage bestimmt, ob sie anwendbar ist oder die Last der Arbeit erleichtert, sondern:
“Gleich jeder andren Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit soll sie Waren verwohlfeilern und den Teil des Arbeitstags, den der Arbeiter für sich selbst braucht, verkürzen, um den andren Teil seines Arbeitstags, den er dem Kapitalisten umsonst gibt, zu verlängern. Sie ist Mittel zur Produktion von Mehrwert.”
Um die Produktion des Mehrwerts voranzutreiben, nannte Marx zwei Wege, um dieses Ziel für den Kapitalisten zu erreichen: die Ausweitung der absoluten und der relativen Produktion des Mehrwerts.
Die absolute Mehrwertproduktion bedeutet – ohne Änderung der technologischen Grundlage der Produktivkräfte – die Masse (Zeit) der im Produktionsprozess verbrauchten Arbeit. Um die absolute Produktion des Mehrwerts zu steigern, streben die Kapitalisten eine Erhöhung der gesamten Arbeitszeit an, die während der Produktion verbraucht wird, da sie die Arbeitskraft für einen ganzen Arbeitstag, eine Woche oder einen Monat kaufen.
Allerdings gibt es Grenzen für die Ausweitung des Arbeitstags, wie Marx beschrieben hat:
“Während eines Teils des Tags muß die Kraft ruhen, schlafen, während eines andren Teils hat der Mensch andre physische Bedürfnisse zu befriedigen, sich zu nähren, reinigen, kleiden usw. Außer dieser rein physischen Schranke stößt die Verlängrung des Arbeitstags auf moralische Schranken. Der Arbeiter braucht Zeit zur Befriedigung geistiger und sozialer Bedürfnisse, deren Umfang und Zahl durch den allgemeinen Kulturzustand bestimmt sind. Die Variation des Arbeitstags bewegt sich daher innerhalb physischer und sozialer Schranken. Beide Schranken sind aber sehr elastischer Natur und erlauben den größten Spielraum. So finden wir Arbeitstage von 8, 10, 12, 14, 16, 18 Stunden, also von der verschiedensten Länge.”
Wir fügen dem Aspekt des Arbeitstages hinzu, dass ein entscheidender Faktor für die Expansion der kapitalistischen Produktion die Größe der Arbeiter*innenklasse ist. In den Vorläufergesellschaften hat die verfügbare Arbeitskraft eine bedeutende Rolle für den Fortschritt dieser Gesellschaften gespielt.
Das ist im Kapitalismus nicht anders – das explosionsartige Wachstum der Arbeiter*innenklasse während der industriellen Revolution machte es möglich, dass akkumuliertes Kapital gewinnbringend zur Ausweitung der nationalen Produktion eingesetzt werden konnte.
“Die Arbeit, die vom Gesamtkapital einer Gesellschaft tagaus, tagein in Bewegung gesetzt wird, kann als ein einziger Arbeitstag betrachtet werden. Ist z.B. die Zahl der Arbeiter eine Million und beträgt der Durchschnittsarbeitstag eines Arbeiters 10 Stunden, so besteht der gesellschaftliche Arbeitstag aus 10 Millionen Stunden. Bei gegebner Länge dieses Arbeitstags, seien seine Grenzen physisch oder sozial gezogen, kann die Masse des Mehrwerts nur vermehrt werden durch Vermehrung der Arbeiteranzahl, d.h. der Arbeiterbevölkerung. Das Wachstum der Bevölkrung bildet hier die mathematische Grenze für Produktion des Mehrwerts durch das gesellschaftliche Gesamtkapital. Umgekehrt. Bei gegebner Größe der Bevölkrung wird diese Grenze gebildet durch die mögliche Verlängerung des Arbeitstags.”
Wie wir gegen Ende des 19. Jahrhunderts und während des 20. Jahrhunderts sehen, kam das Bevölkerungswachstum in den entwickelten Ländern zum Stillstand. Die Ausweitung der Produktion muss also durch die Kontrolle über externe Arbeitskräfte erfolgen, was eines der Elemente der imperialistischen Phase ist, oder – und das sehen wir in den entwickelten Ländern – durch die Steigerung der relativen Produktion von Mehrwert, obwohl der Druck, das Gesamtvolumen der Arbeitsstunden (pro Tag, während des gesamten Arbeiter*innenlebens) zu erhöhen, nie aufhört.
Nun geht es um die Produktivität der Arbeit, wenn ein bestimmter Arbeitstag festgelegt ist und nicht verlängert werden kann. Wie bereits erwähnt, wurden die Produktivitätssteigerungen in erster Linie entwickelt, um den Anteil des Arbeitstages zu verringern, der für die Reproduktion der Arbeitskraft benötigt wird, also “den Teil des Arbeitstags, den der Arbeiter für sich selbst braucht, verkürzen, um den andren Teil seines Arbeitstags, den er dem Kapitalisten umsonst gibt.”
Die Mittel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität sind Zusammenarbeit in großem Maßstab, Arbeitsteilung und Maschinen. Wir werden uns hauptsächlich mit der Einführung von Maschinen und der Arbeitsteilung befassen.
Der Einsatz von Maschinen in großem Maßstab ermöglichte es schließlich, alle individuellen Eigenschaften des Arbeiters bei der Verrichtung seiner Aufgaben zu nivellieren. Die Maschine konnte unabhängig von den subjektiven Fähigkeiten und Kräften bedient werden und machte schließlich die Arbeitskraft allgemein austauschbar und zum Maß der Wertschöpfung.
Mit der Verkürzung des Arbeitstages stieg die Intensität der Arbeit, mit der die Maschinen bedient werden.
” Es geschieht dies in doppelter Weise: durch erhöhte Geschwindigkeit der Maschinen und erweiterten Umfang der von demselben Arbeiter zu überwachenden Maschinerie oder seines Arbeitsfeldes. Verbesserte Konstruktion der Maschinerie ist teils notwendig zur Ausübung des größren Drucks auf den Arbeiter, teils begleitet sie von selbst die Intensifikation der Arbeit, weil die Schranke des Arbeitstags den Kapitalisten zu strengstem Haushalt der Produktionskosten zwingt.”
In den entwickelten Industrieländern ging die Arbeitszeit pro Arbeiter*in drastisch zurück, und das Gesamtvolumen der geleisteten Arbeitsstunden stagnierte bestenfalls, wenn die Zahl der Erwerbstätigen zunahm. Dennoch wuchs die nationale Produktion im Laufe der Zeit (was sich monetär im allgemeinen BIP-Wachstum ausdrückt). Während sich also das Wachstum der Erwerbsbevölkerung verlangsamt, stagniert oder sie sogar schrumpft, ist die Steigerung der Produktivität der entscheidende Faktor für die Aufrechterhaltung des Wirtschaftswachstums.
Hier kommen wir zum nächsten grundlegenden Problem der kapitalistischen Entwicklung: Trotz kontinuierlicher Forschung und Entwicklung und technologischer Innovation hat sich das Produktivitätswachstum im letzten Jahrhundert verlangsamt, bis zu einem Punkt, an dem es fast stagniert oder in einigen Branchen sogar negativ ist. Die Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung in den OECD-Ländern stiegen von knapp 800 Mrd. USD im Jahr 2005 auf mehr als 1.800 Mrd. USD im Jahr 2021, der Anteil des BIP, der für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird, stieg von 2,14 Prozent auf 2,71 Prozent.
In den Vorkriegsjahrzehnten investierte die US-Industrie stark in die neuesten Produktionsmittel, modernisierte ihre gesamte Fertigung, führte Massenkonsumgüter durch billigere Produktionsmethoden ein, stützte sich aber in den Jahren des New Deal und während des Zweiten Weltkriegs stark auf die öffentlichen Ausgaben und erreichte ein jährliches Produktivitätswachstum von 5 Prozent und mehr, das Ende der 40er Jahre rapide zurückging.
Dies ist genau das, was die entwickelten kapitalistischen Nationen Europas mit Verzögerung nach dem Zweiten Weltkrieg mit den gleichen Wachstumsraten erlebten. Beginnend mit den 70er Jahren, die das Ende der Masseneinführung von Robotern und computergestützter Produktion markierten, fielen die Wachstumsraten auf 2,3 Prozent in der EU und 1,3 Prozent in den USA und endeten bei mageren 0,87 Prozent in den USA und 0,63 Prozent in der EU für den Zeitraum von 2005-15, der laut Medienkommentatoren und Tech-CEOs die Blütezeit der digitalen Revolution hätte sein sollen.2
Im Zeitraum 1995-2005 gab es in den USA ein außergewöhnliches jährliches Produktivitätswachstum von mehr als 2 %. Dies wird in der Regel auf die massenhafte Einführung moderner Technologien wie Hochleistungscomputer, die Verbreitung des Internets und moderner Kommunikationsmittel wie Mobiltelefone zurückgeführt.
In den letzten zehn Jahren haben sich Forscher*innen intensiv mit der Frage beschäftigt, ob dieses Wachstum wirklich auf neue Technologien zurückzuführen ist. Die Antwort ist komplex. Ein Teil dieses Produktivitätswachstums kann den Branchen der Technologieproduktion zugeschrieben werden, die in diesem Zeitraum ein bis zu zweistelliges Produktivitätswachstum verzeichneten. Dadurch wurde es viel billiger, Computer und andere neue Technologien zu kaufen und im Dienstleistungssektor anzuwenden. Dies führte jedoch nicht zu einem messbaren Produktivitätsanstieg in den Dienstleistungsbranchen, und im verarbeitenden Gewerbe blieb der schwere Industrieroboter (der seit den 50er, 60er und 70er Jahren computerisiert ist) der Hauptfaktor, der sich kaum verändert hat.
Die massiven Investitionen und die Expansion der Elektronikindustrie in den USA führten zu einem durchschnittlichen Produktivitätswachstum, das allerdings auf diesen Sektor beschränkt war. Wo es ein Wachstum außerhalb des IKT-Sektors gab, führten die Forscher*innen dies eher auf eine verstärkte Intensivierung der Arbeit durch neoliberale Maßnahmen, Outsourcing usw. zurück. Das wundert uns nicht, denn wir wissen, dass der Neoliberalismus nach dem Fall des Stalinismus eine brutale globale Kampagne geführt hat, die alle Errungenschaften der Arbeiterbewegung der letzten Jahrzehnte angreift.
In Europa gab es nicht einmal einen Produktivitätszuwachs in dieser Größenordnung, sondern vielmehr einen anhaltenden Rückgang, der bestenfalls durch eine Expansion der IKT-Industrien abgefedert wurde.
Was der Kapitalismus seit den 70er Jahren erlebt, ist ein wachsender Anteil des fixen Kapitals an der Wertproduktion mit sehr geringen oder keinen Gewinnzuwächsen, was Druck auf die relative Mehrwertproduktion ausübt. Marx beschrieb dies als eine wachsende organische Zusammensetzung des Kapitals, die dazu führte, dass der relative Profit (die Profitrate) in der Tendenz sinkt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Masse des Profits sinkt, sie kann sogar zunehmen, während der Umfang der Investitionen zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Profitrate ebenfalls steigt. Dies wurde durch Studien des letzten Jahrzehnts bestätigt, die darauf hinweisen, dass der sinkende Anteil der menschlichen Arbeit an der Produktion sich negativ auf die Produktivitätssteigerung auswirkt.
Was wir zu den Gründen für die Entstehung dieses Effekts sagen können, ist, dass sich die technologische Entwicklung verlangsamte, als der Kapitalismus in seine monopolistische Phase eintrat, und dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Innovation zu einem immer größeren Teil durch staatliche Eingriffe vorangetrieben wurde. Viele der heute am meisten genutzten Innovationen, wie das Internet, gäbe es nicht ohne öffentlich finanzierte Forschung, meist für militärische Zwecke.
Monopolkapitalist*innen behindern eher die technologische Entwicklung, die möglicherweise zu neuer Konkurrenz und einer Überholung ihres Geschäftsmodells führen könnte. Darüber hinaus förderte die Unsicherheit der kapitalistischen Entwicklung, bei der jeden Moment eine neue Krise am Horizont auftaucht, die Tendenz, nur nach kurzfristigen Gewinnen zu streben.
Das Monopolkapital greift auf andere Möglichkeiten der Gewinnsteigerung zurück, vor allem die Steigerung der Ausbeutung durch Verlängerung des Arbeitstages und Intensivierung des Arbeitsprozesses. Da die Produktivitätsgewinne jedoch gering bleiben, steigt der Druck, die absolute Mehrwertproduktion erneut auszuweiten.
Eine neue Produktionsmethode zu erfinden und in sie zu investieren ist teuer und die Gewinnsteigerung ist ungewiss, während gleichzeitig das für den Eintritt in den Wettbewerb erforderliche Kapital von kleinen Wettbewerbern kaum ausgegeben werden kann, zumal das Finanzkapital die Kapitalströme und Investitionen in neue Unternehmen kontrolliert.
Wenn wir einen Schritt zurücktreten und die Entwicklungen der letzten 20 Jahre betrachten – Computer, Internet, soziale Medien, Online-Plattformen, Same-Day-Delivery, Smartphones – sind das nicht alles qualitative Veränderungen?
Wir können nicht leugnen, dass all diese digitalen Geräte unsere Alltagserfahrung, die Art und Weise, wie wir kommunizieren und uns verhalten, grundlegend verändert haben. Dennoch müssen wir unterscheiden zwischen einer Entwicklung der Produktionsmittel, die in den letzten Jahrzehnten sehr begrenzt war, und dem Fortschritt der Kommunikations- und Transportmittel, der nichtsdestotrotz zur Gesamtentwicklung der Produktivkräfte gehört.
In Anbetracht der oben beschriebenen Schwierigkeiten des Kapitalismus, die Profitrate zu steigern, blieb ein Aspekt unangetastet: Die Umlaufzeit des Kapitals, die direkt mit der Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel zusammenhängt:
“Wenn einerseits mit dem Fortschritt der kapitalistischen Produktion die Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel die Umlaufszeit für ein gegebnes Quantum Waren abkürzt, so führt derselbe Fortschritt und die mit der Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel gegebne Möglichkeit – umgekehrt die Notwendigkeit herbei, für immer entferntere Märkte, mit einem Wort, für den Weltmarkt zu arbeiten. […] Damit wächst gleichzeitig auch der Teil des gesellschaftlichen Reichtums, der, statt als direktes Produktionsmittel zu dienen, in Transport- und Kommunikationsmitteln und in dem für ihren Betrieb erheischten fixen und zirkulierenden Kapital ausgelegt wird.”
Der Mehrwert wird während des Produktionsprozesses geschaffen, das Kapital wird während des Produktionsprozesses verwertet. Während des Zirkulationsprozesses wird kein Wert geschaffen, es wird kein Profit gemacht, dennoch ist die Zirkulation notwendig, um den Mehrwert in Profit zu verwandeln. Marx selbst hat die Idee der “Just-in-Time-Produktion” im 2. Band des Kapitals vorweggenommen:
” Die Expansion und Kontraktion der Umlaufszeit wirkt daher als negative Schranke auf die Kontraktion oder Expansion der Produktionszeit oder des Umfangs, worin ein Kapital von gegebner Größe als produktives Kapital fungiert. Je mehr die Zirkulationsmetamorphosen des Kapitals nur ideell sind, d.h. je mehr die Umlaufszeit = 0 wird oder sich Null nähert, um so mehr fungiert das Kapital, um so größer wird seine Produktivität und Selbstverwertung. Arbeitet ein Kapitalist z.B. auf Bestellung, so daß er bei Lieferung des Produkts Zahlung erhält, und erfolgt die Zahlung in seinen eignen Produktionsmitteln, so nähert sich die Zirkulationszeit Null.”
Je schneller die Kommunikation, je schneller der Transport, je genauer die Informationen über die Nachfrage und die Produktion sind, desto weniger Zeit wird für unproduktive Zirkulation verschwendet. Daher streben die Kapitalist*innen danach, immer mehr Kapital in die Entwicklung der Kommunikations- und Transportmittel zu investieren und dadurch die Zirkulationskosten zu senken, zumal die Bedeutung der Umsatzsteigerung gegen die steigende Produktivität wächst. Der Gesamtprofit und die Profitrate innerhalb eines bestimmten Zeitraums werden auch durch das bestimmt, was man heute als Kapitalumschlag bezeichnet.
3. Künstliche Intelligenz – weniger Intelligenz, mehr Maschine
Um auf die Frage des Informationsmanagements zurückzukommen. Im zweiten Teil haben wir uns hauptsächlich mit dem technologischen oder maschinellen Aspekt der Steigerung der Arbeitsproduktivität befasst. Ein Merkmal der industriellen Revolution war ebenfalls die rationale Anwendung von Erkenntnissen aus der konkreten Wissenschaft.
Das soll nicht heißen, dass frühere Gesellschaften irrational oder gar ineffektiv waren. In Anbetracht ihres Entwicklungsstandes der Produktivkräfte arbeiteten sie ebenso rational wie der heutige Kapitalismus.
Ein Hauptunterschied in der Organisation des Produktionsprozesses besteht darin, dass er bis zur industriellen Revolution hauptsächlich auf Erfahrung beruhte und die Erfahrung der wichtigste Informationstransfer von einer Generation zur anderen war. Innovationen brauchten lange, um sich durchzusetzen, und obwohl die Menschen immer durch Versuch und Irrtum (d. h. durch Experimentieren) lernten und ihre Werkzeuge verbesserten, gab es keine organisierte Durchführung von Versuchen.
Neben der Einführung neuer Maschinen führte die wissenschaftliche Organisation der kapitalistischen Produktion zu einer maximalen Auslastung der Arbeitskräfte. Frederick Winslow Taylor hat mit seinem 1911 veröffentlichten Buch “The Principles of Scientific Management” die Arbeitswissenschaft nicht erfunden. Lange vor seiner Zeit experimentierten Kapitalisten mit der optimalen Organisation ihrer Arbeiter*innen, um die Arbeitsproduktivität zu maximieren, was in Marx’ ersten Band des Kapitals ausführlich beschrieben wird. Er war jedoch derjenige, der das Wissen über rationales Management der vorangegangenen Jahrzehnte zusammentrug und formalisierte.
Wissenschaftliches Management war jedoch nur durch die Trennung des physischen Arbeitsprozesses von seiner intellektuellen Seite möglich. Während die Leibeigenen und Arbeiter*innen im Feudalismus ihre Aufgaben in der Regel nach ihren Erfahrungen organisierten, entstand im Kapitalismus eine Schicht von Verwaltungsangestellten mit der Aufgabe, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten, die den bürokratischen Apparat jeder größeren Produktionseinheit und des Staates bilden, damit das höhere Management Entscheidungen über die Organisation des Produktionsprozesses bzw. die Gesellschaft treffen kann.
Diese Entwicklung förderte die Erfindung von Maschinen der Informationssammlung, -manipulation und -verarbeitung. Es wurden der Telegraf und andere Kommunikationsmittel erfunden, um immer größere Mengen an Informationen über wachsende Entfernungen zu übertragen. Die aufkommende Schreibarbeit zur Erfassung und Verarbeitung von Informationen führte zur Erfindung und ständigen Verbesserung des Seriendrucks.
In einer kapitalistischen Welt, in der selbst die kleinsten Produktionseinheiten und Geschäfte durch dieses System miteinander verbunden sind, ist die Menge an Informationen unvorstellbar groß. Die ersten Lochkarten wurden bereits im 18. Jahrhundert erfunden, um sich wiederholende Aufgaben zu computerisieren, und waren das erste Steuerungselement für die Automatisierung in der Textilindustrie.
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die “Analytische Maschine” von dem englischen Industriellen und Erfinder Charles Babbage konzipiert, den wir im Marxschen Kapital als den Gründervater der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation antreffen. Seine Assistentin Lady Ada Lovelace legte in den 1840er Jahren die Prinzipien für den universellen Einsatz von Rechenmaschinen fest. Natürlich fehlten zu dieser Zeit die technischen Mittel, um diese Konzepte in die Realität umzusetzen. Es dauerte hundert Jahre, bis der junge deutsche Ingenieur Konrad Zuse auf der Grundlage der frühen Konzepte von Babbage und Lovelace die erste programmierbare Rechenmaschine baute.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden Lochkarten erstmals für die eigentliche Datenspeicherung verwendet. Sie wurden nach dem 2. Weltkrieg durch Magnetkassetten und Disketten ersetzt. Als Steuergeräte wurden sie zur gleichen Zeit durch Röhrencomputer und wenig später, ab den 1950er Jahren, zunehmend durch Digitalcomputer ersetzt. Die ersten Sprach-Algorithmen wurden in den 60er Jahren programmiert. Wir sehen also, dass KI und sogar Sprachmodelle alles andere als etwas Neues sind und darüber hinaus nur einen Teil der gesamten Disziplin der technologischen Entwicklung ausmachen.
Zu dieser Zeit begann die allgemeine Debatte über programmierbare Computer als Universalmaschinen. Einer der Protagonist*innen war Alan Turing, der dabei half, die Enigma der Nazis zu entschlüsseln.
Im Jahr 1948 schrieb er ein Schachprogramm mit dem Namen “Turochamp”, und in Ermangelung eines Computers, der den Algorithmus ausführen konnte, fungierte er selbst als Prozessor, wobei er seinen Algorithmus auf Papier schrieb und den nächsten Schachzug von Hand berechnete. Dies gab seinem Schachprogramm den populären Beinamen “Papiermaschine”.
Aufgrund dieser Erfahrung sah er in der Papiermaschine (die eine Kombination aus einem Algorithmus und einem Menschen ist, der jeden Algorithmus genau ausführt) das perfekte Wesen. Die einzige Aufgabe bestand darin, jede menschliche Handlung zu computerisieren, die daher formalisiert und in verarbeitbare Informationen umgewandelt werden muss. Dies war die Geburtsstunde der künstlichen Intelligenz, die 1955/6 erstmals so bezeichnet wurde. Turing selbst verwarf die Idee einer menschenähnlich denkenden Maschine, und sein “Imitation Game” war darauf ausgelegt, eine Maschine einfach als selbstbewusst erscheinen zu lassen.
Wir müssen zwischen der hohen Form der künstlichen Intelligenz oder Artificial General Intelligence (AGI) und der künstlichen Intelligenz, über die heute gesprochen wird, unterscheiden. Es hat sich als unmöglich erwiesen, jede menschliche Handlung und Entscheidung in einen Algorithmus zu packen. Das ist auch nicht nötig, um den Turing-Test zu bestehen, sondern es muss eine Maschine geschaffen werden, die darauf trainiert werden kann, menschenähnlich zu erscheinen.
Selbst wenn es gelingen würde, ein menschliches Bewusstsein zu programmieren, würde selbst ein leistungsfähiger Digitalcomputer endlos rechnen, ohne ein Ergebnis zu liefern, so dass Einschränkungen bei der Entscheidungsfindung vorgenommen werden müssen, um ein ausführbares Ergebnis zu erzielen. Die Frage, wie schnell ein künstliches neuronales Netz wäre, wenn es geschaffen wurde, müssten an dieser Stelle klügere Leute beantworten.
Bis in die 60er und 70er Jahre ging die Debatte mehr und mehr in Richtung Automatisierung und Computerisierung, was zur Einführung der industriellen Schweiß-, Schneid- und Stanzroboter führte, die wir bis heute in Fabriken sehen. Seitdem ist das, was heute als künstliche Intelligenz bezeichnet wird, in seiner weniger komplexen Form eher eine Sammlung, Bearbeitung und Verarbeitung großer Datenmengen durch maschinelles “Lernen”, d. h. Algorithmen, die durch die Daten, die sie erhalten, trainiert werden, um ihre Leistung im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel zu optimieren. Wir sind also weit davon entfernt, den allgemeinen oder menschenähnlichen Intellekt zu erreichen, der in den Medien versprochen wird.
Wie oben dargelegt, hat die Formalisierung und wissenschaftliche Organisation des Arbeitsprozesses im verarbeitenden Gewerbe, einschließlich des maschinellen Ausesens und der Ausführung von Aufgaben, ein Level erreicht, an dem es zum jetzigen Zeitpunkt keine weitere Produktivitätssteigerung durch die Einführung neuer Technologien gibt.
Anders sieht es in der Kreativ- und Dienstleistungsbranche aus, die seit jeher “menschenintensiv” ist. Was seit der so genannten digitalen Revolution in Büros, Geschäften, Verkehrsbetrieben usw. stattgefunden hat, ist die Taylorisierung von Dienstleistungsberufen. Das Problem dabei ist u.a. die menschliche Interaktion, die sich kaum formalisieren und computerisieren lässt. Es sei denn, man stößt auf das erwähnte Problem der unendlichen oder nahezu unendlichen Handlungsmöglichkeiten, die selbst bei einfachen Interaktionen zu einem langen Rechenprozess führen. Das wiederum bewahrt uns nicht davor, im Kundenservice auf Chatbots zu stoßen, die eine ganze Reihe von einfachen Antworten geben können, aber oftmals nicht zum Kern des Problems vordringen.
Menschliche (Inter-)Aktionen maschinenlesbar zu machen, ist jedoch nur ein Aspekt einer möglichen zukünftigen Automatisierung von Dienstleistungen. In vielen Fällen ist das “technologische Argument” nur ein Deckmantel für das Management, um in Wirklichkeit den Arbeitsprozess zu intensivieren. Die Formalisierung von Aufgaben rechtfertigt hier die massive Zunahme der Überwachung und Datensammlung von Arbeiter*innen und Einwohner*innen. Darüber hinaus wird ein Teil des mittleren Managements automatisiert, um Kosten zu sparen, da sich die Beschäftigten im Dienstleistungssektor an die “Maschinengeschwindigkeit” anpassen müssen, um Aufgaben zu erledigen, wie es ihr Pendant in der Industrie seit 150 Jahren tut.
Das heißt nicht, dass wir nicht auch im Kundendienst, in Supermärkten und anderen Bereichen Maschinen einsetzen werden. Die Produktivitätsgewinne sind jedoch marginal, und selbst einfache Aufgaben erfordern menschliche Aufsicht, Korrektur und Feedback. Hinter großen Automatisierungsprojekten wie Amazons Mechturk oder der Überwachung von Inhalten in sozialen Medien stehen Tausende von prekär Beschäftigten, die sich täglich durch Millionen von Texten, Bildern usw. klicken. Die Lücken der KI werden also mit Menschen gefüllt, die Mikroaufgaben übernehmen, wenn ein Algorithmus nicht flexibel genug oder einfach zu teuer ist. Hier haben wir einen guten alten kapitalistischen Mechanismus zur Intensivierung der Arbeit zu tun – dem Stücklohn. Für jede ausgeführte Aufgabe gibt es einen festgelegten Satz, der oft nur ein paar Cent beträgt.
Auch wenn “intelligente” Leicht- oder Serviceroboter in den letzten Jahren viel billiger geworden sind, ist ihr Einsatz sehr begrenzt. In der Fertigung sind die Industrieroboter klar vom Menschen getrennt, um ihm keinen Schaden zuzufügen. Eine neue Generation so genannter kollaborativer Roboter, die angeblich die Barriere zwischen menschlicher Arbeit und Maschinen überwindet, ist noch nicht flächendeckend eingeführt worden.
Der Grund dafür ist, dass sie viel unzuverlässiger sind, als die Roboterindustrie uns weismachen will. Außerdem würde der Wechsel zu Robotern und/oder KI oft eine Störung des Betriebsregimes verursachen, die leicht zu Verlusten über einen bestimmten Zeitraum hinweg führen könnte, mit viel Ungewissheit über zukünftige Gewinne. Die meisten Kapitalist*innen zögern, auch nur den bescheidenen technologischen Fortschritt zu nutzen, der in den letzten Jahren gemacht worden ist.
Es gibt einige Diskussion über den möglichen Sprung in der Rechenkapazität auf der Grundlage von Quantencomputern. Das Gleiche gilt hier für einen bereits erwähnten Punkt: Selbst wenn eine Anwendung möglich wäre – wird sie rentabel sein? Denken wir daran, dass wir Industrieroboter haben, die wie ein einfacher Taschenrechner programmiert werden können, dort besteht kein Bedarf an Quantenkapazitäten. Braucht irgendein Büroangestellter einen Quantencomputer, um größere Excel-Dateien auszuführen? Die breite Anwendung ist also zumindest fraglich, abgesehen von einigen Bereichen, die eine solche Rechnerkapazität in der Wissenschaft und den größten Wirtschaftseinheiten tatsächlich nutzen könnten.
4. Schlussfolgerungen – Bedrohungen und Chancen
In diesem letzten Abschnitt kommen wir auf die wichtigsten Fragen zurück, die zu Beginn gestellt wurden: die Ersetzung von Arbeitsplätzen durch neue Technologien, reale Bedrohungen und Chancen für die Zukunft.
In ihrer grundlegenden Studie “Robots and Jobs: Evidence from US Labor Markets” untersuchten Daron Acemoglu vom renommierten Massachusetts Institute of Technology und Pascual Restrepo von der Boston University die tatsächliche Ersetzung von Arbeiter*innen durch Roboter zwischen 1990 und 2007.
Sie stellen fest, dass “die Robotertechnologie in den 1990er und 2000er Jahren erhebliche Fortschritte gemacht hat, was zu zu einem vierfachen Anstieg des Bestands an (Industrie-)Robotern in den Vereinigten Staaten und Westeuropa zwischen 1993 und 2007. […] Der Anstieg belief sich auf einen neuen Roboter pro tausend Arbeiter in den Vereinigten Staaten und 1,6 neue Roboter pro tausend Arbeiter in Westeuropa.”
Sie schätzen, dass “ein zusätzlicher Roboter pro tausend Arbeitnehmer das Verhältnis zwischen Beschäftigung und Bevölkerung um 0,2 Prozentpunkte und die Gesamtlöhne um 0,42 % reduziert”.
Das bedeutet, dass bis 2007 400.000 US-Beschäftigte aufgrund des Einsatzes von Robotern ihren Arbeitsplatz verloren haben, was zwar immer noch viel ist, aber bei weitem nicht so viel, wie Kommentator*innen gewöhnlich behaupten. Die meisten Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe gingen durch Betriebsschließungen, die Verlagerung der Produktion ins Ausland und die Intensivierung der Arbeit verloren. Die wichtigsten Produktivitätssteigerungen, die dazu führten, dass ein größerer Teil der Arbeitskräfte ersetzt wurde, fanden in der vorangegangenen Innovationsperiode statt, als die Roboter in der US-Wirtschaft eingeführt wurden.
Natürlich fehlen ein paar Jahre von 2007 bis heute, aber die Studie deckt den wichtigen Zeitraum von 95 bis 05 ab, als die US-Wirtschaft das größte Produktivitätswachstum verzeichnete.
Mit Blick auf die USA haben wir bereits darauf hingewiesen, dass die Zahl der Erwerbstätigen in den USA nicht zurückgegangen ist. Im Jahr 1990 belief sich die Gesamtzahl der Erwerbstätigen auf 118,8 Mio. (5,62 % offizielle Arbeitslosenquote) und erlebte ein Auf und Ab, bis sie im Jahr 2007 146 Mio. Erwerbstätige oder 4,62 % offizielle Arbeitslosenquote erreichte und bis auf 158,3 Mio. Erwerbstätige oder 3,64 % offizielle Arbeitslosenquote im Jahr 2022.
Sie verweisen auch auf einige sehr aggressive Szenarien für den Einsatz von Robotern in der Zukunft, die auf Schätzungen der Boston Consulting Group und einiger Futurist*innen wie Erik Brynjolfsson basieren. Sie behaupten, dass sich der weltweite Roboterbestand zwischen 2015 und 2025 vervierfachen wird.
Nach Angaben der International Federation of Robots (IFR) ist der weltweite Bestand an Industrierobotern zwischen 2015 und 2021 jährlich 14 Prozent gewachsen, was mindestens eine Verdoppelung in diesem Zeitraum bedeutet. Die meisten von ihnen sind traditionelle Industrieroboter, weniger als 10 Prozent davon sind, was als die neue Generation kollaborativer Roboter bezeichnet wird.
Es gibt einen zusätzlichen Aspekt, den wir hier berücksichtigen müssen: In den 2010er Jahren wurde China zum größten Einzelinstallateur von Robotern und installierte im Jahr 2021 mehr Roboter als der Rest der Welt zusammen. Die jährlichen Roboterinstallationen in Europa und Amerika stagnieren oder sind sogar rückläufig, 7 der 15 größten Installateure sind auf dem asiatischen Kontinent ansässig.
Diese Entwicklung lässt die Aussicht auf massive Arbeitsplatzverluste zumindest in der westlichen kapitalistischen Welt weiter in Frage stellen. Was dies für die asiatischen Volkswirtschaften, insbesondere für China, bedeuten könnte, sprengt den Rahmen unserer Ausführungen an dieser Stelle. Gerade für China lässt sich vermuten, dass, nachdem hier ebenfalls das Wachstum der Arbeitsbevölkerung ausgeschöpft ist, wie im vergangenen Jahrhundert in den entwickelten Nationen, ein Produktivitätswachstum wie in jenen Ländern vor und nach dem 2. Weltkrieg angestrebt wird.
Wir sollten die Auswirkungen der Automatisierung auf die Arbeiter*innen nicht unterschätzen, auch wenn sie nicht durch Maschinen ersetzt werden. Wir haben bereits auf die Intensivierung von Dienstleistungsjobs hingewiesen, aber das ist nicht der einzige Aspekt. Die Taylorisierung von Dienstleistungsjobs führt oft zu einer Dequalifizierung und Lohneinbußen.
Die Kluft zwischen hochqualifizierten und niedrigqualifizierten Arbeitsplätzen vergrößert sich in Bereichen, die von der Automatisierung betroffen sind. Während eine kleine Schicht von Ingenieur*innen, Programmierer*innen und anderen, die neue Technologien installieren, sehr gefragt ist und bessere Löhne erhält, gerät die traditionelle Schicht der ehemals qualifizierten Arbeiter*innen unter Druck. Sie müssen Veränderungen akzeptieren, die ihnen aufgezwungen werden. Außerdem war das Unternehmen in der Vergangenheit eher für die Umschulung der Arbeiter*innen verantwortlich, wenn sich die Produktionsprozesse änderten. Heutzutage, mit dem Sieg der neoliberalen Ideologie, wird die Verantwortung für die Anpassung an Veränderungen und auch die Kosten den Arbeiter*innen übergeholfen. Selbst bei neuer Qualifikation führt der Wandel hin zu Tätigkeiten, bei denen es lediglich um die Überwachung von Maschinen und die Ausführung einfacher Aufgaben geht, zu einer weiteren Degradierung der Facharbeit.
Die Überwachung am Arbeitsplatz und die automatisierte Organisation von Aufgaben führen zu einem Verlust an Autonomie und erhöhen den Druck, maschinenähnlich zu arbeiten, d. h. standardisierte Aufgaben ohne Fehler in vorgegebenen Zeitrahmen auszuführen. Dies führt zu einem starken Anstieg arbeitsbedingter psychischer und physischer Krankheiten, da die Dienstleistungsarbeit weiter entmenschlicht wird.
Es gibt natürlich eine Reihe von Berufen, die von diesen Entwicklungen betroffen sind, nämlich Berufe, die mit der Datenverarbeitung zu tun haben, niedrigere Managementaufgaben in größeren Unternehmen und kreative Berufe. Letzteres birgt eine weitere Gefahr: Algorithmen sind genauso voreingenommen wie die Menschen, die sie entwickeln. Und da die KI mit Informationen gefüttert wird, die von Menschen stammen, die in einer kapitalistischen Gesellschaft leben, erfasst sie alle Aspekte, die damit einhergehen, wie Sexismus, Transphobie, Rassismus usw., und verarbeitet diese. Sie ist weit davon entfernt, ein neutraler Richter zu sein, weil Technologie angeblich keine Ideologie hat, sondern sie reproduziert alle Formen von Diskriminierung.
Bei einem algorithmischen Bewerbungsverfahren in einem Unternehmen kann es passieren, dass man rausgeworfen wird, weil man aus einem schwarzen Viertel kommt, oder dass man keine Wohnung bekommt, weil man einen arabischen Namen hat oder irgendetwas anderes, das dazu benutzt wird, einen auszuschließen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass es keinen Menschen gibt, den man für sein Fehlverhalten verantwortlich machen kann, und einen Algorithmus zu verklagen könnte sich als viel schwieriger erweisen als einen echten Menschen, was Vorfälle zeigen, bei denen autonom fahrende Autos Menschen getötet haben, nicht zu Strafen für die Hersteller führten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die technologische Entwicklung die Akkumulation des Kapitals und seine Zentralisierung verstärkt – was heute als Tendenz zur Monopolisierung bekannt ist. Marx hat das erklärt:
“Die allgemeinen Grundlagen des kapitalistischen Systems einmal gegeben, tritt im Verlauf der Akkumulation jedesmal ein Punkt ein, wo die Entwicklung der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit der mächtigste Hebel der Akkumulation wird.”
Und da die Akkumulation immer größere Mengen an Kapital der besitzenden Klasse schafft, um sich mit zusätzlichem Profit zu reproduzieren, erfordert jeder weitere Zyklus der Reproduktion größere Investitionen.
Nehmen wir das Beispiel der Blockchain: Dieser verschlüsselte und schwer zu fälschende Buchhaltungsalgorithmus (um es einfach auszudrücken) ermöglicht es Unternehmen, Produktion und Vertrieb rund um den Globus zu verfolgen. Sie birgt sogar das Potenzial, selbstregulierende Produktionsketten zu schaffen: Ändert sich die Nachfrage nach einem bestimmten Rohstoff, könnten die dezentralen Produktionseinheiten entsprechend angepasst werden. Das bedeutet, dass auch kleine Produktionseinheiten wie landwirtschaftliche Betriebe oder kleine und mittlere Hersteller in eine Produktionskette einbezogen werden können.
Um diese ununterbrochene Verbindung von Erzeugung, Transport und Produktion zu erreichen, müssen Sie jedoch zunächst Zugang zu einem solchen Netz haben. Sie müssen über die Mittel verfügen, um die lokalen Produzent*innen tatsächlich an Ihr Netz anzuschließen. Wie wir uns vorstellen können, wird sich das keine kleine Fabrik in Bangladesch oder ein lokaler Produzent in Tansania leisten können. Die Eigentümer*innen dieser globalen Netzwerke schon. Wir alle kennen das Beispiel von Alibaba oder Amazon, wo man sehr billige Produkte kaufen kann, die erst nach der Bestellung produziert und dann an die Haustür geliefert werden, wobei der gesamte Weg von einer chinesischen Fabrik bis nach Worcester, Massachusetts oder Bingham, Nottinghamshire verfolgt wird.
An diesem Beispiel sehen wir, wie nah wir tatsächlich an einer computerbasierten globalen Wirtschaftsplanung sind und dass der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung noch nie so groß war wie heute. Wir sehen auch, dass das Haupthindernis das Privateigentum an den Produktionsmitteln und der gesamten technischen Infrastruktur ist, die wir in unserem Interesse einsetzen könnten.
Mit der künstlichen Intelligenz hat die Aussicht der Revolutionär*innen des letzten Jahrhunderts keine neue Qualität bekommen: Wir können die technologischen Innovationen des Kapitalismus nutzen, um uns von monotonen Aufgaben und langen Arbeitszeiten zu befreien. Die Freisetzung des gesamten menschlichen Potenzials für weitere Fortschritte in den Bereichen Wissenschaft und Technologie könnte zu Entwicklungen führen, von denen wir heute noch nicht einmal träumen können.
Oder um es kurz zusammenzufassen: Der Kapitalismus hat seine historische Aufgabe, die Produktivkräfte zu entwickeln, mit Ausnahme einiger kleiner Sektoren schon lange erschöpft. Um Entwicklungssprünge zu machen, um eine wirkliche Revolution einzuleiten, eine Revolution, die die Schranken des kapitalistischen Systems zerschlägt, wird es notwendig sein, das Potenzial für weitere menschliche und technologische Entwicklung freizusetzen.
Literatur
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Fußnoten
1 Karl Marx – Friedrich Engels – Werke, Band 23, “Das Kapital”, Bd. I, Dietz, Berlin. S. 396f.
Frey, Carl B., and Michael A. Osborne. 2013. “The Future of Employment: How
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School, Oxford, S. 44
Zahlen für die Beschäftigung in den USA sind vom US Bureau of Labour Statistics abgerufen (https://www.bls.gov/)
David Byrne, Stephen Oliner, and Daniel Sichel, “Is the information technology revolution over?” International Productivity Monitor, no. 25, Spring 2013, pp. 20–36.
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Lingjiao Chen, Matei Zaharia, James Zou, How Is ChatGPT’s Behavior Changing over Time? (Version 1 abgerufen, https://arxiv.org/abs/2307.09009)
Karl Marx – Friedrich Engels – Werke, Band 23, “Das Kapital”, Bd. I, Dietz, Berlin. S. 194
Karl Marx – Friedrich Engels – Werke, Band 23, “Das Kapital”, Bd. I, Dietz, Berlin. S. 391.
OECD (2023), Main Science and Technology Indicators, Volume 2022 Issue 2, OECD Publishing, Paris. https://doi.org/10.1787/1cdcb031-en. S. 10f.
2 Zur Produktivitätsentwicklung und der Frage, welche Rolle die Digitalisierung tatsächlich spielte, siehe vor allem:
David Byrne, Stephen Oliner, and Daniel Sichel, “Is the information technology revolution over?” International Productivity Monitor, no. 25, Spring 2013
Robert J. Gordon und Hassan Sayed: The Industry Anatomy of the Transatlantic Productivity Growth Slowdown, 2019, Working Paper 25703, http://www.nber.org/papers/w25703
Robert J. Gordon und Hassan Sayed: Transatlantic Technologies: The Role of ICT in the Evolution of U.S. and European Productivity Growth, 2020, Working Paper 27425, http://www.nber.org/papers/w27425
Weitere Veröffentlichungen, die zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen und auf die sich neben den o.g. in den Ausführungen gestützt wird, befinden sich im Literaturverzeichnis.
Ausführliche Überlegungen zu den folgenden Absätzen u.a. In Arnsburg, René: Maschinen ohne Menschen. Manifest 2017, Berlin.
Karl Marx – Friedrich Engels – Werke, Band 24, “Das Kapital”, Bd. II, 2. Abschnitt, S. 254
Untersuchungen dazu stellt u.a. Paul Cockshott in How the World Works: The Story of Human Labor from Prehistory to the Modern Day, Monthly Review Press 2019. an.
Daron Acemoglu und Pascual Restrepo: Robots and Jobs: Evidence from US
Labor Markets, Electronically published April 22, 2020, [Journal of Political Economy, 2020, vol. 128, no. 6], The University of Chicago.
Präsentation “World Robotics 2022”, Oktober 2022, IFR International Federation of Robotics, c/o VDMA Robotics + Automation, 60528 Frankfurt Main, Germany
Karl Marx – Friedrich Engels – Werke, Band 23, “Das Kapital”, Bd. I, Dietz, Berlin. S. 650.