Was bedeuten die Massendemonstrationen gegen die AfD und wie kann die Bewegung weitergehen?
Eine beeindruckende Protestwelle hat sich in den letzten Wochen gegen das Erstarken der AfD entwickelt. Um daraus aber eine erfolgreiche Bewegung aufbauen zu können, müssen wichtige Fragen geklärt werden.
von Torsten Sting, Rostock und Tom Hoffmann, Sol-Bundesleitung
Eine Rekordzahl jagt die nächste. Hunderttausende Menschen haben sich je in Berlin, München und Hamburg beteiligt. Aber auch in Städten wie Rostock waren knapp 10.000 auf der Straße. Hier war es die größte Demo gegen Rechtsextremismus seit 20 Jahren.
Anlass für Hoffnung
Von der schieren Größe der Demonstrationen geht ein wichtiges Signal aus, da die AfD oder andere Kräfte der extremen Rechten bislang nicht ansatzweise solche Menschenmassen mobilisieren konnten. Es bestätigt, dass es keinen einfachen „Rechtsruck“ in der Gesellschaft gibt, sondern eine Polarisierung. Die Demonstrationen bringen zum Ausdruck, dass die Mehrheit weiter klar gegen die AfD eingestellt ist.
Das ist eine wichtige Ermutigung für Aktivistinnen und Aktivisten die sich der extremen Rechten entgegenstellen, gerade in Regionen, wo diese besonders stark ist. Bei den Demonstrationen gab es bei vielen Menschen ein Gefühl der Euphorie, weil die wenigsten mit einer solch großen Beteiligung gerechnet hatten. Dennoch ist es wichtig, dass wir uns nüchtern die Schwächen der Proteste anschauen und Schlussfolgerungen für die nächsten Schritte ziehen.
Charakter der Proteste
Die Demonstrationen wurden bislang von Kräften wie Fridays for Future, Kirchen, NGOs wie Campact, antirassistischen bzw. antifaschistischen Organisationen und verschiedensten bürgerlichen Kräften organisiert. In Hamburg ging die Initiative von einem Unternehmer aus, mancherorts waren alle etablierten Parteien bis hin zur CDU dabei. Von Ort zu Ort unterschied sich die politische Ausrichtung der Demonstrationen, u.a. der Bühnenreden, erheblich. Im sächsischen Pirna sprach der Ministerpräsident Kretschmer, in München gab es wiederum von den linken Organisator*innen viel Kritik auch an der Ampel-Regierung.
Im Allgemeinen gingen die bisherigen Proteste nicht über eine moralische Ablehnung der AfD, ihres Rassismus und der bekanntgewordenen Deportationspläne hinaus. Bürgerliche Parteien von CDU/CSU bis zu SPD und Grünen versuchten daraus Kapital zu schlagen, erklärten die Demonstrationen für „gelebten Verfassungsschutz“. Auf einer der ersten Demonstrationen in Potsdam zeigten sich Olaf Scholz und Annalena Baerbock in der ersten Reihe. Das ist der durchschaubare Versuch, die Bewegung für sich zu vereinnahmen und von der eigenen Krise abzulenken. Das Jahr hat begonnen mit großen Protesten der Bäuer*innen gegen Kürzungen und Streiks in verschiedenen Bereichen – die Regierung ist unbeliebt wie keine in den letzten Jahrzehnten. Jetzt gehen Millionen gegen die AfD auf die Straße. Insbesondere die Ampel-Parteien haben also ein Interesse daran, sich auf deren Seite zu schlagen, um möglichst die eigene Verantwortung für den Aufstieg der AfD auszublenden und verlorengegangene Unterstützung zurückzugewinnen.
Die Gewerkschaften und DIE LINKE sind auch mit von der Partie, sind aber bisher häufig nur als einzelne Mitgliedern und nicht als treibende und organisierende Kraft dabei. Die Proteste sind bislang sehr breit aufgestellt. Viele waren zum ersten Mal auf einer Demonstration und bildeten breite Teile der Gesellschaft ab. Neben klassischen Linken waren das eher (links-)liberale Bürgertum, sowie das politische und wirtschaftliche Establishment dabei, welche ihre eigenen ökonomischen Interessen und die politische Stabilität durch eine zu starke AfD gefährdet sieht. Die Proteste haben also einen „klassenübergreifenden“ Charakter – was zu einem Problem wird, will man die Ursachen des AfD-Aufstiegs in den Blick nehmen.
Ursachen bekämpfen
Wir kommen um die Frage nicht herum, warum die AfD derzeit so stark und längst zu einem festen Bestandteil des deutschen Parteiensystems geworden ist. Schaut man über die Landesgrenzen hinaus, dann fällt auf, dass die Stärke der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien ein internationales Phänomen ist und das in den USA derzeit alles dafür spricht, dass Donald Trump wieder als Kandidat für das wichtigste politische Amt des Planten kandidieren wird.
Bei allen landestypischen Unterschieden, sind die Ursachen für das Erstarken der extremen Rechten grundsätzlich gleich. Die Krise des Kapitalismus geht einher mit einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft.
Der Reichtum einer winzigen Minderheit nimmt immer aberwitzigere Formen an. Demgegenüber kämpfen viele Millionen Menschen um ihre Existenz: Steigende Kosten für Mieten bzw. Energie und hohe Preise für Güter des alltäglichen Bedarfs. Die sich zuspitzenden Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten führen zu einer Zunahme von Kriegen. Die Folgen von militärischen Konflikten, die große Armut und die immer deutlicheren Folgen des Klimawandels, sind die Ursachen der weltweiten Fluchtbewegung. Dies zusammen führt zu Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung. Das Gefühl, dass die „Welt aus den Fugen ist“, verstärkt sich.
Es ist jedoch keine automatische Reaktion, dass Rassismus zunimmt. Die herrschende Klasse hat für keine der großen Probleme unserer Zeit eine Lösung im Sinne der arbeitenden Menschen anzubieten. Ein entscheidender Grund für das Erstarken der AfD ist der massive Legitimationsverlust der etablierten Parteien, die die grundlegend selbe pro-kapitalistische Politik in verschiedenen Farben anbieten. Das hat überhaupt erst den Raum für die AfD geschaffen, die sich als Opposition aufspielen kann – obwohl sie selbst neoliberale, arbeiter*innenfeindliche Politik vertritt. Ihr Rassismus knüpft außerdem an der Politik und Aussagen von Politiker*innen der etablierten Parteien an, zum Beispiel wenn CDU-Chef Merz von „kleinen Paschas“ redet oder die Ampel selbst mehr Abschiebungen durchsetzt.
Vor diesem Hintergrund kann die extreme Rechte mit ihrer Propaganda überhaupt erst andocken. Es kann aus dieser Gemengenlage nur eine Schlussfolgerung geben: Die bürgerlichen Parteien sind Teil des Problems. Daher muss sich eine Bewegung gegen die AfD auch gegen die Politik des Sozialabbaus und des staatlichen Rassismus der Bürgerlichen richten.
Rolle der Linken und Gewerkschaften
Es wäre nun die Verantwortung linker Parteien sich dem entgegenzustellen und aufzuzeigen, wer die wahren Schuldigen sind. Sie müssten ein Programm vorschlagen, wie wir uns das Geld von den Reichen und Superreichen holen können, um die sozialen Probleme und die wirklichen Verantwortlichen anzugehen. Denn die Bevölkerungsmehrheit hat unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht usw. ein gemeinsames Interesse an bezahlbarem Wohnraum, höheren Löhnen, einem bedarfsgerecht finanziertem Gesundheitswesen usw. Diese gemeinsamen Interessen gilt es im Kampf gegen die AfD herauszustellen. Die heutigen Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik versetzen uns Menschen dazu in die Lage, alle großen Probleme zu lösen. Im Rahmen des Kapitalismus ist dies jedoch utopisch. Es braucht eine Verbindung der heutigen Kämpfe mit der Vorstellung einer grundlegend anderen, wirklich demokratischen und sozialistischen Gesellschaft.
Leider haben in den letzten Jahren fast überall „linke“ Parteien wie Podemos in Spanien oder Syriza in Griechenland versagt und viel Vertrauen verspielt. Ähnliches gilt für DIE LINKE in Deutschland. Durch ihre Regierungsbeteiligungen auf Ebene der Kommunen und der Länder verwaltet sie den Mangel, verantwortet zum Beispiel Kürzungen und setzt Abschiebungen um. Damit ist sie für viele Menschen ein Teil des Establishments. Das gilt insbesondere in Ostdeutschland, wo die AfD der LINKEN ihr Image als Protestpartei längst abgerungen hat.
Die Abspaltung um Sarah Wagenknecht trägt mit ihrem Programm zur Migration, dass faktisch dem der etablierten Parteien entspricht, zur Zementierung der Spaltung in „Einheimische“ und Zuwanderer bei und schürt rassistische Vorurteile – und sie stellt den Kapitalismus nicht länger infrage, der die sozialen Probleme verursacht. Das mag die AfD kurzfristig bei Wahlen schwächen, aber wird die Gefahr, die von ihr ausgeht, nicht bannen.
Doch auch die Gewerkschaftsführungen tragen eine Verantwortung für den Aufstieg der AfD. Gemeinsamer Klassenkampf macht deutlich, wo die wahren Grenzen verlaufen – nicht innerhalb von Belegschaften oder Arbeiter*innenvierteln, sondern zwischen oben und unten. Solche Erfahrungen sind zentral dafür, Rassismus in der Gesellschaft zurückzudrängen – denn gleichzeitig bieten sie die Voraussetzung zu erkennen, warum rassistische Ideen diesen gemeinsamen Kampf schwächen. Die sozialpartnerschaftliche Ausrichtung der Gewerkschaftsführungen und die Nähe vieler ihrer Spitzen zu den etablierten Parteien verhindern aber, dass solche Kämpfe konsequent geführt und durch politische Kampagnen begleitet werden, welche den berechtigten Unmut in der Gesellschaft gegen die wahren Verantwortlichen richtet – nämlich Regierende und Kapital. In den Betrieben und selbst unter Gewerkschafter*innen gibt es mittlerweile nicht wenige AfD-Wähler*innen, die sich von moralischen Antirassismus-Argumentationen nicht überzeugen lassen werden. Rassismus braucht einen sozialen Nährboden und der muss trockengelegt werden.
Die Gewerkschaften müssen aufzeigen, was dazu nötig ist. Das bedeutet, dass sie die nötigen gewerkschaftlichen Kämpfe konsequent führen müssen, aber auch den Widerstand gegen die arbeiter*innenfeindliche Politik der Regierung aufnehmen müssen. Konkret würde das bedeuten jetzt eine Kampagne gegen die Kürzungspolitik zu starten, die mit Betriebsversammlungen, Debatten in allen Gremien, massenhafter Verbreitung von Argumentations- und Mobilisierungsmaterial beginnt und als ersten Schritt zu einer bundesweiten Demonstration führen sollte. Im Rahmen einer solchen Kampagne müsste gleichzeitig über die arbeiter*innen- und gewerkschaftsfeindliche Politik der AfD aufgeklärt werden. Letztlich müssen sich aber auch Gewerkschafter*innen der Frage stellen, dass eine parteipolitische Vertretung für die lohnabhängige Bevölkerung nötig ist und sollten beginnen die Frage, wie eine wirkliche Arbeiter*innenpartei entstehen kann, in den Gewerkschaften aufzuwerfen.
Ist die AfD faschistisch?
Diese Frage wird mittlerweile von vielen mit „ja“ beantwortet. Ausgehend davon wird die Gefahr gesehen, dass die (bürgerliche) Demokratie auf dem Spiel steht. Viele Handschilder die auf den Demonstrationen zu sehen sind, nehmen Bezug auf das Jahr 1933, als Hitler Reichskanzler und die faschistische Diktatur eingeläutet wurde.
Es ist richtig, auf die Gefahr hinzuweisen, die von der AfD ausgeht. Dabei geht es nicht nur um deren parlamentarische Stärke und die zunehmende Wahrscheinlichkeit, dass in den nächsten Jahren die Partei zumindest auf Länderebene Teil einer Regierung sein kann. Die AfD ist eine offen rassistische Partei, sie hat massiv dazu beigetragen, den Rassismus salonfähiger zu machen. Nicht nur in sozialen Medien, sondern auch auf der Straße werden rassistische Sprüche offener vorgebracht, als das noch vor Gründung der AfD der Fall war. Die Partei wirkt als Brandbeschleuniger für die Spaltung der Arbeiter*innenklasse und spielt damit den Herrschenden in die Hände.
Die AfD hat sich seit ihrer Gründung 2013 immer weiter radikalisiert. Von einer rechtskonservativen hin zu einer rechtsextremen Partei. In Ostdeutschland geben jene Kräfte um Björn Höcke den Ton an, die auch keine Berührungsängste zu offen faschistischen Kräften haben. Der Einfluss des „gemäßigteren“ Teils der AfD hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Es ist leider nichts neues, dass immer offener die massenhafte Deportation von Menschen gefordert wird, auch wenn diese schon lange in Deutschland leben. Zweifellos gibt es relevante Teile der Partei, die von einer Art „nationaler Revolution“ träumen.
Dennoch ist die AfD keine faschistische Partei. Damit verharmlost man sie nicht: Es geht um eine korrekte Analyse, um sie mit den richtigen Mitteln zu bekämpfen. Faschistische Parteien stützen sich auf ein Programm und Methoden des (Massen-)Terrors gegen Linke, Gewerkschafter*innen, Migrant*innen, Frauen, Minderheiten, Andersdenkende. Dazu bedarf es eines Kaderstamms und Schlägertrupps, welche den „Kampf um die Straße“ organisieren. Historisch gesehen, rekrutierten sie diese vor allem aus den vom Kapitalismus deklassierten Teilen der Mittelschichten. Faschist*innen haben letztlich zum Ziel, sämtliche Formen der Demokratie abzuschaffen.
Die AfD hat in jedem Fall Verbindungen in faschistische Kreise und personelle Schnittmengen, insbesondere im mittlerweile dominanten völkischen Flügel und im Jugendverband. Doch die Partei als Ganzes setzt bisher nicht auf solch einen Kurs – und könnte das auch nicht, ohne einen beträchtlichen Teil ihrer Wahlunterstützung zu riskieren.
Wir stehen auch nicht vor einer Situation wie 1933, weil die gesellschaftlichen Voraussetzungen andere sind. Die Machtübertragung an die Nazis war das Resultat einer ganzen Periode zugespitzter Klassenkämpfe und Revolutionsversuche in Deutschland. Sie war auch Ergebnis einer bewussten Unterstützung entscheidender Teile des deutschen Kapitals. Anläufe zu einer sozialistischen Veränderung durch die Arbeiter*innenklasse waren nach 1918 und in den 1920ern gescheitert, doch das deutsche Kapital sah die Gefahr nicht gebannt. Die Nazis, eine terroristische Massenbewegung des Kleinbürgertums, sollten die Gewerkschaften und Arbeiter*innenparteien vollständig beseitigen und versprachen gleichzeitig eine neue militaristische Durchsetzung deutscher Konzerninteressen. Dafür gab es große finanzielle und politische Unterstützung. Heute haben wir eine völlig andere Situation.
Weder haben sich die Klassenwidersprüche so zugespitzt, dass das Kapital eine faschistische „Lösung“ in Betracht ziehen müsste, noch verfügen Faschist*innen oder auch die AfD über eine ausreichende Massenbasis. Die AfD konnte zwar im letzten Jahr ihre Mitgliedschaft um ein Drittel auf 40.000 erhöhen, aber das ist weder eine Massenbasis noch wäre sie in der Lage diese Mitglieder oder ihr Umfeld im Sinne faschistischer Banden wie es SA und SS zum Beispiel waren, zu mobilisieren.Die Massendemonstrationen der letzten Wochen geben auch einen Hinweis darauf, wie die Masse der Bevölkerung auf eine wirklich faschistische Bedrohung reagieren würde.
Die AfD ist aber natürlich eine sehr gefährliche Partei, weil es ihr besser als allen bisherigen extrem rechten Parteien gelingt, in die Masse der Mittelschichten und in die Arbeiter*innenklasse zu wirken und ihr rassistisches Gift zu verbreiten. Wenn sie in Zukunft Teil einer Landesregierung werden würde, würden rassistische Maßnahmen mit harten Angriffen auf demokratische Rechte und neoliberaler Politik einhergehen. Aber die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass rechtspopulistisch oder rechtsextrem geführte Regierungen nicht in der Lage sind ihre Propaganda gänzlich in die Tat umzusetzen, weil sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass die eigentliche Macht im Kapitalismus in den Chefetagen der Banken und Konzerne liegt und sie von dieser Macht eingehegt werden – siehe die Haltung der Meloni-Regierung zur EU oder zur Einwanderung von Arbeitsmigrant*innen .
AfD verbieten?
Wichtig ist zu unterscheiden von welcher Seite diese Forderung nach einem Verbot der AfD kommt. Gerade SPD und Grüne, versuchen sich anhand dieser Frage als Gralshüter „der Demokratie“ aufzuspielen. Die SPD erinnert an ihre antifaschistische Tradition aus dem Kampf gegen Hitler. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Umfragewerte für die Ampel-Parteien, sehen sie eine Chance zu punkten. Diesen geht es ebenso wie den Konzernbossen, die sich jetzt verstärkt zu Wort melden, um ihre eigenen Motive, ihre machttaktischen- und Klasseninteressen. Sie sorgen sich um die politische Stabilität ihres Systems. Mit einer immer stärkeren AfD wird es zunehmend schwierig, Regierungen im Sinne des Großkapitals zu bilden. Zu viel offener Rassismus ist zudem problematisch vor dem Hintergrund des Ziels hunderttausende Fachkräfte anzuwerben. Zudem steht die Anti-EU-Position der AfD im Widerspruch zu den Interessen des deutschen Kapitalismus, der die EU als Hebel zur Durchsetzung seiner Interessen auf Weltebene braucht.
Demgegenüber gibt es die Hoffnung von vielen Menschen, die jetzt auf die Straße gehen, dass ein Verbot der extrem rechten Partei, ein wirksames Mittel sein kann, um der Gefahr die von ihr ausgeht, Herr zu werden. Doch vor diesem Weg muss deutlich gewarnt werden, weil er die AfD nicht schwächen sondern stärken wird und Willkür Tür und Tor öffnet.
Es gibt die Gefahr, dass die Debatte wie ein Bumerang wirken kann.
Zum einen würde ein Verbot der AfD auch Repressionen gegen die Linke erleichtern. Nach dem Motto: „Gegen die Gefahr von rechts und links.“
Vor allem aber wird man diejenigen, die der AfD auf den Leim gegangen sind, weiter in ihre Arme treiben. Allen ist klar, dass ein Verbot nun zu diesem Zeitpunkt diskutiert wird, weil ihre Umfrageergebnisse so gestiegen sind. Gerade im Osten Deutschlands, wo es aufgrund der Erfahrungen mit den bürokratischen Methoden der SED, ein feines Gespür für demokratische Spielregeln gibt, droht ein Solidarisierungseffekt. Die AfD nutzt die Debatte bereits jetzt und versucht sich als Opfer der Etablierten darzustellen. Und es ist gerade die Wut auf das Establishment, von der die Partei lebt. Deshalb muss man sich von diesem Establishment und seinen undemokratischen Methoden abgrenzen. Letztlich können nur klare sozialistische Antworten, eine Alternative zur rassistischen und nationalistischen Hetze der AfD aufzeigen und zumindest Teile ihrer Basis wegbrechen. Der Vorstoß, die AfD zu verbieten, lenkt von der Notwendigkeit ab, diese politische Alternative aufzubauen.
Nächste Schritte
Die bisherigen Demonstrationen waren ein großes Zeichen der Ablehnung der AfD. Doch das droht zu verpuffen, wenn sich nicht viele der Demonstrierenden weitergehend organisieren und die Ursachen des AfD-Aufstiegs in den Blick nehmen. Eine Bewegung „nur“ gegen die AfD wird nicht erfolgreich sein. Deshalb braucht es Orte, wo diese Fragen diskutiert werden können: Lokale Bündnisse, Gewerkschaften, Die Linke und Organisationen der sozialen Bewegungen sollten unmittelbar Veranstaltungen dazu organisieren. Ein bundesweiter Kongress für Aktivist*innen könnte diese Diskussionen zusammenbringen und die nötigen Schlussfolgerungen ziehen.
Um die AfD zu stellen, müssen aber auch die gesellschaftlichen Debatten hin zu den sozialen Problemen und Ursachen verschoben werden und dazu braucht es Klassenkämpfe. Die klare Absage an die AfD und Rassismus jeglicher Art, sollte mit den laufenden Auseinandersetzungen in der Gesellschaft verbunden werden: Die aktuellen Tarifrunden, sowie die Proteste der Bäuerinnen und Bauern. Es wäre auch eine Chance den berechtigten Zorn auf die Ampel-Regierung von links zu besetzen und eine Bewegung aufzubauen, die sich auch gegen die Kürzungen der Bundesregierung wendet. Eine Bewegung welche die Klasseninteressen der arbeitenden Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, in den Blick nimmt und diese der reichen Elite entgegenstellt, ist die beste Medizin gegen die rassistische Spaltung. Unter dem Motto ##15vor12 ruft das Bündnis „Köln stellt sich quer“ dazu auf, am 21. März einen viertelstündigen Generalstreik gegen Rechts durchzuführen. Das weist in die richtige Richtung und kann eine notwendige Debatte auslösen, dass die Gewerkschaften den Streik als Mittel des politischen Kampfes einsetzen sollten. Ein solcher Streik sollte sich aber auch gegen die sozialen Ursachen des Aufstiegs der AfD richten, ansonsten besteht die Gefahr, dass es bei einer reinen Symbolaktion bleibt, der sich auch gefahrlos Unternehmer*innen und Regierende anschließen können. Ein solcher Aufruf müsste mit einer Aufklärungs- und Vorbereitungskampagne in den Betrieben einher gehen, um auch die AfD-Wähler*innen unter den Kolleg*innen und Gewerkschaftsmitgliedern zu erreichen. Und: 15 Minuten wären in dem Fall zu wenig, um die Zeit tatsächlich für Debatten in den Betrieben zu nutzen und um deutlich zu machen, dass die Gewerkschaften bereit sind, sich auch mit dem Kapital anzulegen.
Wir treten in den Gewerkschaften dafür ein, den Kölner Aufruf zum Ausgangspunkt zu nehmen, eine solche bundesweite Arbeitsniederlegung mit möglichst weitgehender politischer Ausrichtung durchzusetzen.
Dennoch bleibt das grundlegende Problem, dass die Arbeiter*innenklasse heute über keinen Massenpartei verfügt, die ihre Interessen zum Ausdruck bringt. Diese aufzubauen, die Kämpfe im hier und jetzt mit der Vision einer sozialistischen Demokratie zu verbinden, wird die Aufgabe der nächsten Jahre sein.