Tarifrunde Nahverkehr – mit Vollstreik zum Erfolg

Vorschläge für eine Strategie zum Sieg in der Tarifauseinandersetzung

Derzeit läuft die Tarifrunde im Nahverkehr (TV-N) auf Hochtouren. Um was geht es? Wie kann der Kampf erfolgreich geführt werden?

von Torsten Sting, Rostock

Derzeit gibt es in allen Bundesländern Verhandlungen über den Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N). Mit Ausnahme von Bayern, wo der Tarifvertrag nicht gekündigt werden konnte und Verhandlungen im Rahmen der Friedenspflicht stattfinden, gab es bislang überall massive Streiks, häufig sogar an mehreren Tagen in Folge. Über Zehntausend Kolleginnen und Kollegen haben sich an den Aktionen von ver.di beteiligt. 

Die Tarifrunde ist recht unübersichtlich. Das liegt daran, dass die Ausgangslage in den Bundesländern unterschiedlich ist. In Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz und Sachsen, ist das Entgelt an die Entwicklung im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen (TVÖD) gekoppelt.

Bessere Arbeitsbedingungen

In diesen Bundesländern konzentriert sich ver.di auf Verbesserungen im Manteltarifvertrag. Und auch hier unterscheiden sich die Forderungen nochmal. Von Arbeitszeitverkürzung, über Ausweitung der Ruhezeiten zwischen den Schichten und Erhöhungen bei den Schichtzulagen ist alles dabei. In anderen Bundesländern geht es in erster Linie um die Erhöhung der Entgelte. Deutliche Einkommenssteigerungen sind aufgrund der hohen Inflation der letzten Jahre und der nach wie vor deutlich steigenden Lebensmittelpreise dringend nötig. Ziel ist es aber auch, mit den Verbesserungen bei Entgelten und Arbeitsbedingungen dazu beizutragen, dass mehr Beschäftigte den Nahverkehr attraktiv finden und hier arbeiten wollen. Das ist auch dringend nötig. Etwa 80.000 Beschäftigte fehlen bereits jetzt und in den nächsten Jahren gehen viele Kolleginnen und Kollegen in Rente. Die Arbeitgeber*innen ihrerseits präsentieren freche Gegenforderungen, zum Teil werden längere Arbeitszeiten gefordert. Es ist ein Fortschritt, dass die Tarifrunde in den Bundesländern durch ver.di koordiniert wird und nicht wieder jeder für sich streikt. Die harte Haltung der Gegenseite erfordert jedoch eine Steigerung des gewerkschaftlichen Drucks. 

Druck erhöhen

Ein erster Schritt wäre die Durchführung von Streikdelegiertenkonferenzen auf Landes- und Bundesebene. Diese könnten die Forderungen vereinheitlichen und konkretisieren, zum Beispiel für eine bundesweite 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Des Weiteren könnte so demokratisch über eine nötige Eskalationsstrategie inklusive Erzwingungsstreiks diskutiert und solche bundesweit koordiniert werden.

Es ist klar, dass die bürgerlichen Medien und etablierten Parteien Erzwingungsstreiks eine massive Kampagne fahren würden, mit dem Ziel, den Arbeitskampf zu diskreditieren. Umso wichtiger ist es, dass ver.di in dem Fall zusammen mit dem DGB eine breite Aufklärungskampagne in anderen Betrieben und der Öffentlichkeit organisiert und erklärt, dass bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne nicht nur für die betroffenen Kolleg*innen gut sind. Diese sind auch die Grundlage für einen attraktiveren ÖPNV, der mit besseren Taktzeiten, mehr Bahnen und Bussen, die eingesetzt werden können, auch die Voraussetzung dafür ist, dass Menschen das Auto stehen lassen können. Dies kommt wiederum der Umwelt zugute. Daher ist es auch richtig, dass sich Fridays for Future (FFF) solidarisch zeigt mit den Beschäftigten im ÖPNV. Die #wirfahrenzusammen-Kampagne bietet daher einen guten Ansatz. Jetzt gilt es, den Arbeitskampf gemeinsam zum Erfolg zu führen. Wichtig ist dabei, dass durch demokratische Strukturen an der Basis die Kontrolle über den Streik ausgeübt und ein fauler Kompromiss durch die Gewerkschaftsführung verhindert wird.

Die Forderungen der Sol:

–  für landes- und bundesweite Streikdelegiertenkonferenzen, um Streiks gemeinsam zu koordinieren und zu kontrollieren

– Einsatz der vollen Kampfkraft zur vollen Durchsetzung der Forderungen, Vorbereitung von Urabstimmung von bundesweiten Erzwingungsstreiks im ÖPNV

– Einbeziehung der Umweltbewegung (#wirfahrenzusammen) und der Fahrgäste. Für eine massive Informations- und Solidaritätskampagne von ver.di und DGB

– Koordinierung mit den anderen Tarifrunden die derzeit laufen 

– Arbeitszeitverkürzung auf 35-Stunden pro Woche als ersten Schritt hin zur 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich

– Massives Investitionsprogramm für den Ausbau des ÖPNV und der Bahn

– Nulltarif im ÖPNV, Wiedereinführung des Neun-Euro-Tickets für den Regionalverkehr

– Die Reichen und Superreichen, die Banken und Konzerne müssen mit der Einführung einer Vermögenssteuer und drastischen Steuererhöhungen auf hohe Einkommen und Gewinne zur Kasse gebeten werden

– Verstaatlichung der Autokonzerne und Umstellung der Produktion auf Busse, (Straßen)-Bahnen und andere gesellschaftlich sinnvolle Produkte unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch Vertreter*innen der Gewerkschaften, der Beschäftigten, Umweltbewegung und des Staates

– Rekommunalisierung der privatisierten Bereiche des ÖPNV

– Rechtsformänderung der Deutschen Bahn zu einem staatlichen Eigenbetrieb statt einer Aktiengesellschaft und Rückverstaatlichung der privaten Eisenbahngesellschaften. Demokratische Kontrolle durch Vertreter*innen der Gewerkschaften, der Beschäftigten, Nutzer*innen und des Staates

– Für eine demokratisch geplante Wirtschaft, die den Bedürfnissen von Menschen und Natur folgt, als Fundament einer sozialistischen Gesellschaft.

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