Sollen kritische Stimmen mundtot gemacht werden?
Die Sol-Gruppe in Lemgo/Lippe erhielt folgenden Brief vom Detmolder Deutschen Gewerkschaftsbund als Antwort auf eine Anmeldung für einen Info-Stand bei der Gewerkschafts-Kundgebung am 1. Mai.
Dieser Versuch, unseren Genoss*innen einen Info-Stand zu verweigern, ist ein politischer Skandal und widerspricht dem Geist der Solidarität und des gemeinsamen Kampfes, für den der 1. Mai steht.
Mit der Sol in Lemgo/Lippe trifft es eine Gruppe, in der aktive Gewerkschaftsmitglieder aus verschiedenen Betrieben wie der Post und dem Krankenhausbereich, organisiert sind und die in den letzten Jahren bei vielen Kämpfen Solidarität organisiert hat.
Scheinbar möchte die lokale DGB-Führung aber nicht mit Kritik am sozialpartnerschaftlichen Kurs der Gewerkschaftsführungen konfrontiert werden.
Wir dokumentieren hier den Briefwechsel.
Brief des Gewerkschaftssekretärs Thomas Aulbur an die Sol:
Guten Tag Herr Gubar,
Sie hatten sich für einen Stand am 1. Mai in Detmold angemeldet. Wir können Ihnen keinen Standplatz zuweisen, da es aus den Reihen unserer Gewerkschaften Kritik an ihrer Teilnahme gab und wir dies als gewerkschaftlicher Dachverband sehr ernst nehmen.
Wir bitten um Ihr Verständnis. Für Rückfragen stehe ich telefonisch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Aulbur
Gewerkschaftssekretär
Antwort der Sol:
Guten Tag Herr Aulbur,
mit Überraschung haben wir Ihre E-Mail zur Kenntnis genommen, in der Sie uns in Ihrer Funktion als Gewerkschaftssekretär des Deutschen Gewerkschaftsbunds mitteilen, dass wir keinen Standplatz für die vom DGB angemeldete Kundgebung zum Arbeiter*innenkampftag am 1. Mai erhalten werden. Sie begründen es damit, dass es Kritik an unserer Teilnahme vonseiten einer der DGB-Gewerkschaften gegeben haben solle. Dabei sagen Sie jedoch nichts zum Ursprung oder Inhalt dieser Kritik.
Sozialist*innen, insbesondere Mitglieder unserer Organisation, kämpfen Tag für Tag in Betrieben und sowohl innerhalb als auch außerhalb der DGB-Gewerkschaften um Verbesserungen für die Arbeiter*innenklasse. Wir setzen uns für Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen, geringere Arbeitszeit und eine bessere Personalausstattung ein – und das nicht nur am ersten Mai. Wir unterstützen und beteiligen uns aktiv an Tarifauseinandersetzungen und Arbeitskämpfen und ermutigen unser Umfeld ebenfalls, gewerkschaftlich aktiv zu werden.
In Lippe setzen sich unsere Mitglieder besonders für den Erhalt des Klinikums Lippe in öffentlicher Hand und den Standort in Lemgo ein. Nicht nur dort kämpfen wir gegen Personalmangel und für bessere Bedingungen für Auszubildende. Bei der Deutschen Post haben wir uns gegen die geplante Gesetzesnovelle gestellt, mit der die Streichung von zehntausenden Arbeitsplätzen droht. Unsere Mitglieder bringen sich Tag für Tag am Aufbau von ehrenamtlichen ver.di-Strukturen in Betrieben wie dem Klinikum Lippe, der Deutschen Post und vielem mehr ein. Zusammen mit vielen Beschäftigten und Ver.di-Mitgliedern haben wir darüber hinaus den Kampf gegen die arbeiter*innenfeindliche AfD unterstützt und eigenständig die Präsenz der DGB-Gewerkschaften an entsprechenden Demonstrationen gesichert. Unsere Mitglieder bereiten sich intensiv auf eine neue Dimension von sozialen und politischen Angriffen vor, die bereits jetzt massive Kürzungen für die lohnabhängige Bevölkerung bedeuten und zukünftig weitere massive Einschnitte bei Arbeitszeitbegrenzung, Sozialausgaben, Rentenhöhe und Renteneintrittsalter sowie beim Streikrecht bedeuten könnten.
Bereits im vergangenen Jahr wurde ein Genosse von einer skeptischen DGB-Hauptamtlichen in Lippe nach unserer Gewerkschaftsposition gefragt. Die Kollegin konnte sich jedoch auf unserer Webseite Solidaritaet.info davon überzeugen, dass wir zwar keinen Hehl über unsere Kritik der Gewerkschaftsführung machen, wir jedoch ausdrücklich und engagiert in den DGB-Gewerkschaften arbeiten und jeglicher Vorwurf „gewerkschaftsfeindlicher Positionen“ an den Haaren herbeigezogen sein muss.
Wir sind umso mehr erschrocken und enttäuscht von Ihrer Entscheidung, die sich gegen eine Beteiligung unserer Organisation an der 01. Mai-Kundgebung stellt. Aus Ihrem Schreiben interpretieren wir, dass Sie jegliche Teilnahme unserer Mitglieder an der Demonstration ablehnen. Wir sind der Überzeugung, dass weder die Mehrheit noch ein signifikanter Teil der Gewerkschaftsmitglieder diese Haltung teilt. Daher fordern wir Sie auf, uns und anderen sozialistischen bzw. linken Gruppen die Möglichkeit zu geben, offen auf der Maikundgebung aufzutreten. Da Sie in dem Schreiben erwähnen, dass Sie die geäußerte Kritik ernst nehmen möchten, wollen wir Sie herzlich einladen, an unserem nächsten Treffen teilzunehmen. Dieses findet am Montag, den 29. April, um 19:00 Uhr in der Lageschen Straße 5 in Lemgo statt. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns dort darüber informieren könnten, was der genaue Inhalt dieser Kritik ist, und wir uns in einer offenen Debatte darüber austauschen könnten.
Mit solidarischen Grüßen,
Arthur Gubar
Sozialistische Organisation Solidarität Lemgo