Widerstand organisieren gegen anstehende Kürzungen!
Die Kommunen und Kreise in Deutschland steuern auf eine finanzielle Krise zu. Durch Inflation, steigenden Ausgaben bei Personal und Einbruch der Gewerbesteuer bei gleichzeitig fehlender Aufstockung, oder sogar Kürzung von Fördermittel auf Bundes- und Landesebene werden viele Kommunen in eine Haushaltssicherung geraten. Das bedeutet, dass die Kommunen nicht mehr selbst ihre Finanzplanung entscheiden dürfen, sondern die Finanzaufsicht der Landesregierung die Vorgaben macht. Die kommunale Selbstverwaltung wird damit ausgesetzt und Kürzungen und Sparmaßnahmen werden von oben aufgezwungen. “Freiwillige“ Leistungen wie Schwimmbäder, Kulturzentren und Beratungsstellen sind dann von der Schließung bedroht. Im folgenden Artikel soll am Beispiel des Kreises Lippe die Krise der Kommunen verdeutlicht werden.
Von Frank Redelberger, Stadtrat für Die Linke in Lemgo
Das Defizit im Kreis Lippe beträgt für 2024 etwa dreißig Millionen Euro. Um das zu reduzieren, haben die bürgerlichen Parteien Kürzungen in Höhe von sechs Millionen Euro beschlossen. Das restliche Defizit wird aus Rücklagen beglichen, die damit allerdings aufgebraucht sind, ähnlich gehen viele andere Kommunen zur Zeit vor. Weitere Kürzungen in den kommenden Jahren sind damit sicher. Zusätzlich werden noch 3,8 Millionen Euro jährlich beim Nahverkehr gespart.
Bundesweit herrschte in den Kommunen letztes Jahr ein Defizit von 6,4 Milliarden Euro. Fürs laufende Jahr geht der deutsche Städtetag sogar von einem Defizit von zehn Milliarden Euro aus.
Gewerbesteuer
Ein Grund für die aktuell besonders schlechte Finanzlage des Kreises Lippe ist der Einbruch bei der Gewerbesteuer von dem größten Unternehmen Lippes, Phoenix Contact in Blomberg mit circa 22.000 Beschäftigten. Die Gewerbesteuer wird nur auf Gewinne fällig, weshalb viele Kommunen in der nächsten Zeit große Probleme bekommen, wenn Unternehmen in die Krise kommen und keine Gewinne machen. Bei Phoenix Contact ist das schon der Fall und der Stadt Blomberg im Kreis Lippe fehlen dadurch dieses und nächstes Jahr jeweils 15 Millionen Euro Steuereinnahmen.
Die Koalition aus SPD, Grünen und Unabhängigen hat daraus eine zehnseitige Liste an Kürzungen erarbeitet. Diese wurde am 18. März im Kreistag mit einer knappen Mehrheit angenommen. Die Linke hat dagegen gestimmt. Genauso FDP und CDU. Die letzteren allerdings, weil ihnen nicht genug gekürzt wurde.
Nahverkehr
Bei dem eigenen Verkehrsunternehmen des Kreises sollen 750.000 Euro und bei dem anderen vom Kreis beauftragten Verkehrsunternehmen 2,5 Millionen eingespart werden. Das wird nur mit Linienzusammenführungen, Reduzierung der Taktzeiten und Begrenzung des Fahrtzeitraums funktionieren. Auch die Anbindung der kleineren Orte wird darunter leiden. Ähnlich sieht die Lage in anderen Kommunen aus. Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik sind bundesweite Investitionen von rund 372 Milliarden Euro bis 2030 nötig, um Straßen, Wege und Schienen zu erhalten und auszubauen.
Ein solches gut ausgebautes, öffentlich finanziertes und am besten kostenfreies Angebot ist mit der knappen Finanzierung der Kreise nicht möglich und müsste durch eine massive Umverteilung von Bundes- und Landesmitteln über eine Erhöhung der Vermögens- und Gewinnsteuern finanziert werden.
Steigende Kosten
Neben dem aktuellen Einbruch in der Gewerbesteuer sind das weitere große Problem die steigenden Ausgaben und die unzureichende Gegenfinanzierung durch Bund und Länder. Die Mehrausgaben bestehen vor allem aus höheren Personalkosten und der allgemeinen Inflation der Preise.
Einige Kommunen sind jetzt schon in der Haushaltssicherung, weitere bereiten sich darauf vor. In ganz NRW sind es vierzig Prozent aller Kommunen, die für das Jahr 2024 ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen wollen. Solch ein Sparhaushalt bedarf der Genehmigung der Finanzaufsicht des Landes NRW. Wenn aus ihrer Sicht nicht genug gespart wurde, kann den Kreisen und Kommunen auch ihr Selbstverwaltungsrecht entzogen werden und ein härterer Sparhaushalt aufgezwungen werden.
Widerstand organisieren
Nötig wäre es, dass sich Personalräte öffentlich gegen die Kürzungen aussprechen und die betroffenen Beschäftigten in Betriebsversammlungen zusammenbringen und kollektiv über eine Kampagne gegen die Sparpolitik beraten.
Parallel dazu sind die Gewerkschaften und soziale Verbände in der Pflicht, die Beschäftigten anzusprechen und zu organisieren. Die finanziellen Probleme gibt es nicht nur im Kreis Lippe. Es gibt also gute Möglichkeiten, landes- und bundesweite Proteste und Bewegungen zu organisieren und mit dem Widerstand gegen die bundesweiten Angriffe der Ampel-Regierung auf soziale Leistungen zu verbinden.
Gewerkschafter*innen, Beschäftigte in den betroffenen Bereichen, die Betroffenen der Kürzungen, Linke, Aktivist*innen aus sozialen Bewegungen etc. sollten jetzt zusammenkommen, um über die Auswirkungen der Kürzungen und möglichen Widerstand dagegen diskutieren. In einem Antikürzungs-Bündnis könnte über die Situation, über Strategien des Widerstands sowie mögliche politische Forderungen diskutiert werden. Ein erster Schritt könnte eine gemeinsame Aufklärungskampagne sein, um die Bevölkerung über den drohenden Sozialkahlschlag aufzuklären.
Mögliche Forderungen könnten sein:
- Rücknahme aller Kürzungen
- Vollständige Finanzierung der zugewiesenen Aufgaben von Bund und Land
- Massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur
- Ausweitung statt Kürzung von Dienstleistungen, sozialen Angeboten und Beratungsstellen
- Weg mit der Schuldenbremse!
- Finanzierung dessen durch eine Vermögensabgabe von dreißig Prozent für Millionär*innen und Milliardär*innen und die Wiedereinführung der Steuern auf Erbschaft, Schenkungen und Unternehmensgewinne