Polizei erschießt Obdachlosen

Foto von Christoph Scholz, https://www.flickr.com/photos/140988606@N08/31747766292 (CC BY-SA 2.0)

Erneut stirbt ein Mensch beim Einsatz der Dortmunder Polizei

Am Abend des 3. April erschoss die Dortmunder Polizei vor der Reinoldikirche in der Innenstadt einen Menschen. Ein Obdachloser, der sich in einer psychischen Krisensituation befand, wurde durch einen Polizisten niedergestreckt. Mal wieder reagierte die Dortmunder Polizei mit äußerster Gewalt, statt die Situation zu deeskalieren.

Von Jens Jaschik, Sol Dortmund

Laut Bericht der Polizei war der Obdachlose in einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit einem anderen Obdachlosen. Scheinbar war er verwirrt und in einer psychisch labilen Situation. Vom Todesschuss kursieren in den sozialen Medien zahlreiche Videos. Beim Anschauen wird schnell klar, dass es keine Notwendigkeit gab, den Obdachlosen zu erschießen. Fünf Polizisten kreisten den Mann ein. Mit einem schweren Straßenschild bewaffnet, das drei Meter lang und äußerst unhandlich ist, eilt der Obdachlose auf die Polizist*innen zu. Es ist nicht schwer, dem Angreifer auszuweichen. Man sollte meinen, dass die Polizei eine solche Situation handhaben kann – und nur wenige Sekunden bevor der Mann erschossen wird, ist einer der Polizisten auch dabei den Mann zu entwaffnen und versucht ihn von hinten zu überwältigen. Doch dann schießt einer der Polizisten aus unmittelbarer Nähe auf den Obdachlosen. Der Schütze hätte in der Situation genauso gut einen seiner Kollegen treffen können. Nach Angaben der Polizei wurde zuvor ein Taser eingesetzt, der aber keine Wirkung zeigte.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Dortmunder Polizei unfähig ist, eine Krisensituation ohne die Anwendung äußerster Gewalt zu beenden. Tatsächlich ist es die dritte Person innerhalb von zwei Jahren, die durch die Hände der Polizei in Dortmund ums Leben kommt. Im Oktober 2022 starb ein Obdachloser in Dortmund Dorstfeld an den Folgen eines Tasereinsatzes. Nur wenige Monate zuvor erschoss die Polizei den suizidgefährdeten 16-jährigen Jugendlichen Mouhamed Dramé mit mehreren Schüssen aus einer Maschinenpistole vor einer Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt. Von Mouhamed ging zu keiner Sekunde eine Gefahr für die Polizist*innen aus. Im Anschluss verschworen sich die beteiligten Polizist*innen, die wahren Geschehnisse zu vertuschen. Wir berichteten damals auf solidarität.info. Nicht zuletzt auf Grund des gewaltigen Druck der Öffentlichkeit stehen heute fünf Polizisten wegen Totschlags und schwerer Körperverletzung vor Gericht.

Diese Fälle sind nur die Spitze des Eisberges. Es würde den Rahmen des Artikel sprengen, alle Fälle aufzuzählen, in denen die Polizei mit unnötiger Gewalt reagierte, die nicht zu Todesfällen führten.

Was nötig ist

Am Freitag den 5. April findet um 19:00 Uhr eine Kundgebung vor der Reinoldikirche statt, die vom Solidaritätskreis Mouhamed und dem Bündnis “Schlafen statt Strafen” organisiert wird. Es ist notwendig, unsere Wut in Widerstand zu verwandeln und zahlreich auf die Straße zu gehen. Obwohl fünf Dortmunder Polizisten für die Tötung von Mouhamed Dramé im Jahr 2022 vor Gericht stehen, scheint sich nichts geändert zu haben. Das liegt daran, dass es sich bei Polizeigewalt um ein strukturelles Problem handelt. Die Taten der Polizei müssen endlich zu Konsequenzen führen, die das Problem grundsätzlich in Angriff nehmen. Um eine solche Veränderung zu erreichen, ist ein sozialistisches Programm nötig.

Es ist eine Illusion zu denken, es würde für die Zukunft ausreichen, Polizist*innen in deeskalativen Strategien zu schulen. Solange die Polizei das Gefühl hat, über den einfachen Bürger*innen zu stehen und machen zu können, was sie will, wird die Eskalation der Gewalt weitergehen. Statt dass die Recklinghausener Polizei, die selber in Skandale verstrickt ist, aus „Neutralitätsgründen“ die Ermittlungen übernimmt, sollte ein Untersuchungsausschuss aus demokratisch gewählten Vertreter*innen der Gewerkschaften, des Migrationsrates und der Mirgant*innenverbände, der Anwohner*innenvertretungen und des Stadtrates gebildet werden und transparent ermitteln. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Polizei grundsätzlich unter die demokratische Kontrolle der Öffentlichkeit gestellt wird. Ein solcher Untersuchungsausschuss könnte den Ausgangspunkt für ein dauerhaftes Kontrollgremium bilden, um polizeiliche Übergriffe zu ahnden und deren Zahl zu reduzieren. Dieses Kontrollgremium müsse Einsicht in alle Akten und Dienstpläne bekommen, sowie das Recht haben gegebenenfalls Polizist*innen zu suspendieren oder aus dem Dienst zu entfernen. Unmittelbar ist es nötig, die sofortige Suspendierung des Todesschützen und die Abrüstung und Entwaffnung der Polizei zu fordern.

Es ist kein Zufall, dass Polizeigewalt in den meisten Fällen die Menschen trifft, die als die “Schwächsten” unserer Gesellschaft bezeichnet werden: Obdachlose, Arme, Migrant*innen und Geflüchtete. Wir müssen die Wurzeln von Rassismus, Unterdrückung, Armut und Ausbeutung bekämpfen. Die Institution Polizei hat nicht die Aufgabe, unser Freund und Helfer zu sein, sondern die herrschenden Verhältnisse sozialer Ungerechtigkeit und Ungleichheit aufrechtzuerhalten. Die Folgen der bestehenden unsozialen Verhältnisse sind zahlreich: Manche Menschen fliehen in Drogen- und Alkoholkonsum, andere entscheiden sich für sinnlose Gewalt oder eine kriminelle Laufbahn, viele Menschen werden in die Obdachlosigkeit gezwungen. Wir brauchen Investitionen in soziale Projekte und Jugendzentren, wir brauchen kostenlose Bildung, bezahlbaren Wohnraum, Ausbildungs- und Arbeitsplätze und höhere Löhne für alle. Die Inflation und die allgemeinen Verteuerungen werden die Ärmste der Armen am härtesten treffen. Wir müssen all denen die am Kapitalismus verzweifeln, eine positive sozialistische Perspektive entgegenstellen. Veränderung können nur wir selbst – Arbeiter*innen, Jugendliche und sozial Benachteiligte, egal ob wir in Deutschland geboren sind oder nicht – erkämpfen.

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