Sol aktiv am 1. Mai 2024

Gegen den Klassenkampf von oben!

„Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“ – Unter diesem Motto mobilisierte der Deutsche Gewerkschaftsbund in diesem Jahr zu Mai-Kundgebungen und -Demonstrationen. Über 330.000 Menschen haben sich laut Gewerkschaftsangaben beteiligt. Über 100 Mitglieder der Sol waren ebenfalls dabei und demonstrierten u.a. in Aachen, Berlin, Bielefeld, Bonn, Detmold, Dortmund, Dresden, Hamburg, Heidelberg, Kassel, Leipzig, Mainz, Nürnberg, Rostock und Stuttgart.

von Tom Hoffmann, Berlin

Im Mittelpunkt stand dabei die Warnung vor den umfassenden Angriffsplänen, welche das Kapital gegen die Rechte der Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten fordert und formuliert. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Forderungen von Unternehmensverbänden, CDU/CSU und FDP oder „Wirtschaftsexperten“ nach „Reformen“. Das kurz zuvor vom FDP-Parteitag beschlossene 12-Punkte-Programm für eine „Wirtschaftswende“, welches u.a. Angriffe auf die Rente, auf Sozialleistungen, Steuersenkungen für Unternehmen und mehr fordert, steht sinnbildlich dafür.

In unserem Flugblatt mit dem Titel „Gegen den Klassenkampf von oben“ machen wir Vorschläge, wie Gewerkschaften und Linke den Kampf gegen die feuchten Träume des Kapitals führen sollten und warum es dringend nötig ist, an den Aufbau einer sozialistischen Kraft zu gehen, welche die Interessen der Lohnabhängigen glaubhaft vertritt und Aktive aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen organisiert.

Zusammen mit anderen Kolleg*innen sammelten wir zudem Unterstützung für den Aufruf „Wir schlagen Alarm“, welcher von den Gewerkschaften konsequente Gegenwehr einfordert und Kolleg*innen sammelt, die sich aktiv daran beteiligen wollen. Während dies bei einer Schicht von Kolleginnen und Kollegen auf eine sehr gute Resonanz stieß, reagierten sozialdemokratisch orientierte Gewerkschaftsfunktionär*innen teilweise ablehnend und zeigte sich, wie erwartet, auch, dass vielen die Gefahr und Dimension der drohenden Angriffe noch nicht bewusst ist.

In Aachen organisierten Sol-Mitglieder zusammen mit anderen einen kämpferischen Block auf der Mai-Demonstration, an dem sich über 150 Menschen beteiligten. Sie protestierten u.a. lautstark gegen den Auftritt von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), den sie auf der Abschlusskundgebung übertönen konnten.

In Berlin beteiligten sich Sol-Mitglieder an den Blöcken ihrer Gewerkschaften und am klassenkämpferischen Block, welcher für einen klassenkämpferischen Kurs der Gewerkschaften warb und sich für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft aussprach. Alexandra Arnsburg, Telekom-Beschäftigte und Streikaktive, sprach vom Lautsprecherwagen über die aktuelle Tarifrunde. Angelika Teweleit sprach für das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di über die Notwendigkeit, sich von der Sozialpartnerschaft zu lösen und in die Offensive zu gehen. Es wurde ebenfalls Solidarität mit den Menschen in Gaza, die unter dem Krieg Israels leiden, zum Ausdruck gebracht – u.a. wurde eine Solidaritätsadresse des palästinensischen Gewerkschaftsverbands vorgelesen. Schockierenderweise kam es durch Ordner*innen des DGB und unterstützt durch die Polizei zu Übergriffen und wurde auch ein Kollege verhaftet, als versucht wurde die Anhänger*innen des Blocks nicht auf die Abschlusskundgebung zu lassen. Wir protestieren gegen dieses Vorgehen und fordern, dass Kolleg*innen auch kritische Haltungen zur Positionierung der DGB-Führung weiter vorbringen können! Am Abend beteiligten sich Sol-Mitglieder an der „Revolutionären Mai-Demonstration“, welche, trotz einzelner Polizeiübergriffe, weitgehend friedlich verlief.

In Dresden beteiligten sich Sol-Mitglieder u.a. am Fest der Linken und der DGB-Demo. Dorit Hollasky, Sol-Mitglied und ver.di-Betriebsgruppensprecherin am Städtischen Klinikum*, erhielt für ihre Reden und u.a. für ihre Kritik am Auftritt von Arbeitsminister Hubertus Heil viel Applaus.

In Mainz organisierten Sol-Mitglieder zusammen mit anderen eine Demonstration, welche sich im Verlauf mit dem DGB-Marsch zusammenschloss und gemeinsam zur Kundgebung lief. Ein Genosse konnte auf der Demo für die Sol sprechen und auf Initiative der Sol konnten auch Betriebsräte von Lieferando auf der Abschlusskundgebung eine Rede halten. Sol-Mitglieder beteiligten sich am Jugendblock und am gemeinsamen Block des „Stoppt den Krieg“ Bündnisses, welche gegen den Krieg Israels protestierten. Leider distanzierte sich der DGB später in den Medien davon.

In Ostwestfalen-Lippe beteiligten sich Genoss*innen an Aktionen in Detmold und Bielefeld. In Detmold wurde die Sol im Vorfeld vom DGB ausgeladen, einen Info-Stand anzubieten – was uns aber nicht daran hinderte, mit vielen Kolleg*innen ins Gespräch zu kommen.

In Stuttgart beteiligten sich Genoss*innen an der DGB-Kundgebung und einer spontanen Demonstration, sowie an der späteren „revolutionären Demonstration“. Hier kam es zu massiver Gewalt seitens der Polizei, welche laut Berichten von Teilnehmer*innen unvermittelt auf einen Teil der Demonstration einschlug und diesen einkesselte. Wir protestieren gegen diese Repression!

In Dortmund, Kassel und Rostock beteiligten sich Genoss*innen an den DGB-Aktionen und sammelten u.a. Unterschriften für den Aufruf „Wir schlagen Alarm“.

Zum ersten Mal waren Sol-Mitglieder auch in Hamburg am 1. Mai in Aktion und nahmen an zwei Demonstrationen teil. Hier wurden viele Flugblätter für die erste Sol-Veranstaltung in Hamburg am 18.5. verteilt.

In Bonn beteiligten sich Mitglieder der Sol an der DGB-Kundgebung und am revolutionären Block, sowie am 1.Mai Fest am Frankenbadplatz und stießen auf viel Interesse an sozialistischen Ideen. Ein Sol-Mitglied konnte für die linksjugend [`solid] eine klassenkämpferische Rede halten, welche wir unten spiegeln.

Insgesamt konnten Sol-Mitglieder etwa 350 Zeitungen verkaufen, circa eintausend Euro Spenden sammeln und mindestens 30 Personen kennenlernen, die ihre Kontaktdaten für weitere Diskussionen und Aktivitäten mit uns hinterließen.

Rede des Sol-Mitglieds David beim 1. Mai in Mainz

Bericht vom 1. Mai in Mainz von Sara (Sol Mainz)

Am 1. Mai 2024 fand in Mainz auch wieder eine Demonstration statt, organisiert vom Internationalen 1. Mai Bündnis und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Wir waren aktiv an der Mobilisierung beteiligt und haben uns stark für die Veranstaltung eingesetzt. Als Teil des Jugendblocks, an dem sich neben der Sol auch Jugend für Sozialismus, SDAJ und Linke Liste/SDS beteiligten, haben wir mit einer Plakatkampagne intensiv für die Demo mobilisiert.
Die Demo richtete sich gegen die vielfältigen Krisen, die ihren Ursprung im Kapitalismus haben, darunter Armut, Krieg, Klimazerstörung. Besonders unterstützten wir den Gaza-Block, der sich ebenfalls an der Demonstration beteiligte und Verbindungen zu anderen Bewegungen knüpfte, die sich gegen Krieg, Ausbeutung und Krisen einsetzten.
Mit rund 600 Teilnehmenden war die Demonstration gut besucht. Wir nutzten die Gelegenheit, um Unterschriften für den Aufruf “Wir schlagen Alarm!” zu sammeln, und stießen auf großes Interesse. Während der Demo führten wir zahlreiche Diskussionen mit den Teilnehmenden. Wir brachten unser Programm den Menschen näher und erhielten positive Resonanz. Insgesamt konnten wir 76 Unterschriften für den Aufruf sammeln, 33 Ausgaben unserer Zeitung “Solidarität” verkaufen und 3 Menschen kennen lernen, die Interesse an der Sol und unseren Ideen haben.
Vor dem DGB – Haus schloss sich der DGB der Demo an, was wir positiv sehen, denn in den letzten Jahren haben die Gewerkschaften lediglich eine Kundgebung durchgeführt. Dennoch müssen wir kritisieren, dass die Mobilisierung des DGB unter seinen Möglichkeiten blieb. Es erschienen hauptsächlich Hauptamtliche des DGB oder Personen mit Positionen in der Gewerkschaft. Es wäre aber wichtig gewesen, alle Mitglieder zu mobilisieren, insbesondere diejenigen, die sich gerade in Tarifauseinandersetzungen befinden. Das ist verschenktes Potential, welches nächstes Jahr genutzt werden sollte.
Leider distanzierte sich der DGB auch vom Gaza-Block, auch wenn dies nicht an konkreten Slogans oder Aussagen festgemacht wurde, die dies begründen. Stattdessen sollten die Gewerkschaften an der Verbreitung von Anti-Kriegs-Positionen beteiligen und als solche an Aktivitäten und Demonstationen gegen Kriege teilnehmen, denn Kriege egal wo sie stattfinden sind nie im Interesse der Artbeiter*innen und Unterdrückten, egal ob in Deutschland oder sonstwo auf der Welt.
Die Atmosphäre bei der Demonstration war dennoch positiv. Die Teilnehmenden waren motiviert und lautstark, und es fühlte sich gut an, Teil einer Gruppe zu sein und sich für den Sozialismus und gegen den Kapitalismus einzusetzen.

Rede von Angelika Teweleit am 1. Mai in Berlin
Rede von Angelika Teweleit in Berlin für das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di
Rede von Alexandra Arnsburg in Berlin über die Tarifrunde bei der Telekom
Rede von Tristan Kock für die Linksjugend [‘solid] Bonn, hier im Wortlaut:

Expert*innen, bürgerliche Politiker*innen, Arbeitgeberverbände und die Bild sind sich einig: Deutschland geht es wirtschaftlich schlecht. Damit es wieder bergauf geht müssen “wir” länger arbeiten- in der Woche und bis zur Rente-, müssen “wir” unseren Gürtel enger schnallen und die Sozialleistungen kürzen, es braucht Einschränkungen des Streikrechts und niedrigere Steuern fürs Kapital. 

Zwar könnte man so etwas ähnliches wahrscheinlich jeden Mai sagen, aber es spricht einiges dafür, dass die Regierung in den nächsten Jahren größere Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse durchführen wird. Die Prognosen für 2024 sehen eine Veränderung das BIP um die 0%. Das bedeutet eine Stagnation, wenn nicht eine Rezension. 

Deutschlands Wirtschaft ist stark in den globalen Handel integriert. Das bisherige Erfolgsmodell beruhte auf einem großen Außenhandelsvolumen, was mit einer Abhängigkeit von Warenexporten und Rohstoffimporten einhergeht. Dies wurde durch billiges Öl und Gas aus Russland und den freien Binnenmarkt der EU ermöglicht. Hier ist es wichtig zu betonen, dass die Deindustrialisierung der südeuropäischen EU-Staaten durch die deutschen Exportüberschüsse und die Spardiktate, keine Fehler waren, wie manche Linke es gerne behaupten, sondern bewusst Teil der deutschen Politik war und eine Grundlage für ihren Erfolg war. Nun gibt es aber ein Ende der russischen Rohstoffe und der deutsche Sparkurs hat das Nachsehen im Wettbewerb mit dem Milliarden-Infrasturkturprogramm der US-Regierung.

Seit der Wiedervereinigung und noch mal besonders verstärkt seit dem Ukrainekrieg lässt sich in der Außenpolitik der BRD ein Wandel von der wirtschaftlichen Interessensdurchsetzung hin zu einer militärischen Durchsetzung erkennen. Hier sind die zwei Jugoslawienkriege und der Afghanistankrieg zu nennen. Seit der Zeitenwende gibt es mit dem 100-Mrd. Sondervermögen eine deutliche Steigerung der Aufrüstung. Einerseits hält der deutsche Imperialismus an einem Bündnis mit den USA fest, andererseits strebt Deutschland eine Rolle als eigenständige europäische Führungsmacht an. Welcher Aspekt stärker ist, hängt auch davon ab ob sich nach der nächsten Präsidentschaftswahl Trumps “America First” oder Bidens “Global Leadership”durchsetzen wird. Aber ob der deutsche Imperialismus mehr transatlantisch oder europäisch ausgerichtet ist; Gutes für die Unterdrückten der Welt und die deutsche Arbeiter*innenklasse bedeutet er nicht. 

Wir  lehnen jegliche Illusionen in imperialistische Staaten ab. Der russische Krieg gegen die Ukraine zeigt dass schwächere Imperialisten keinesfalls die besseren Imperialisten sind. Der Krieg gegen Rojava, welcher mit materieller und diplomatischer Rückendeckung aus Deutschland geführt wird, zeigt dass auch liberale Demokratien keine Werte sondern Interessen verfolgen. Kein Imperialismus wird uns einer menschenwürdiges Gesellschaft näher bringen, die einzige Kraft die dazu in der Lage ist, ist die Arbeiter*innenklasse.

Um den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen und die Aufrüstung zu finanzieren, fordern einige Kapitalist*innen und Politiker*innen Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse; Steuern für Unternehmen sollen gesenkt werden und die Subventionen erhöht, das Bürgergeld soll gekürzt werden und aus uns soll mit einer Erhöhung der Wochenarbeitszeit und des Renteneintrittsalters noch mehr Arbeitszeit herausgepresst werden. 

Darauf müssen sich die Gewerkschaften, soziale Bewegungen und die Linke vorbereiten und Gegenwehr organisieren; wir schlagen vor an den Orten an denen wir aktiv sind Diskussionen zu führen und regionale und überregionale Aktionskonferenzen zu organisieren. Besonders in den Gewerkschaften braucht es eine Debatte über den politischen Streik und die Art, wie Arbeitskämpfe geführt werden. Wir setzen uns gegen Schlichtungsvereinbarungen und für kämpferische und von unten, durch Streikdelegiertensysteme kontrollierte Arbeitskämpfe ein.

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