Grundlagen für echte Selbstbestimmung erkämpfen
Eine Regierungskommission veröffentlichte im April eine Empfehlung zur Änderung der Abtreibungsgesetze. Schwangerschaftsabbrüche sind ein sensibles Thema. Zwar ist es Frauen nach einem Beratungsgespräch möglich, in den ersten 12 Wochen abzutreiben, es handelt sich dabei aber um eine Ausnahmeregelung. Grundsätzlich sind Abtreibungen im Strafgesetzbuch als illegal vermerkt. Dies soll sich eventuell bald ändern. Die Kommission betont, dass es für Frauen wichtig sei, in einem rechtlich geschützten Rahmen abzutreiben, in dem der Schwangerschaftsabbruch nicht als Unrecht gilt.
von Tamara Beck, Stuttgart
Mangelnde medizinische Versorgung
Eine Legalisierung wäre begrüßenswert, wenn auch überfällig. Trotzdem wären dann Abtreibungen nicht für alle Frauen realisierbar. Es bräuchte eine flächendeckende medizinische Versorgung in Stadt und Land, die nur durch massive Investition in das Gesundheitssystem erreichbar wäre. Mit dem Sparkurs der Bundesregierung ist dies nicht vereinbar! Bislang ist auch die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen nicht gewährleistet. Zwar können Frauen mit geringem Einkommen eine Kostenübernahme beantragen, dies ist aber wiederum mit Behördengängen und Formularen verbunden. Für viele Frauen, insbesondere nicht-deutsche, sind diese oftmals eine bedeutende Hemmschwelle. Dass man sich als Abtreibende ständig in einer legalen Grauzone befindet, verstärkt die Vorbehalte verständlicherweise. Viele Abtreibungen könnten durch korrekte Verhütung vermieden werden, doch auch hier spielt die Finanzierung eine Rolle. Kondome sind nicht sonderlich billig und auch die Pille wird nach dem 22. Lebensjahr teurer. Methoden wie die Spirale, die bis zu 500 Euro kostet, sind für viele nicht realistisch.
Beratung oder Abfertigung?
Die verpflichtende Beratung vor einer Abtreibung ist eine weitere Hürde für die Schwangere. Im Gesetz steht: „Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen […].” Eine neutrale Wegweisung, die auf individuelle Bedürfnisse eingeht, ist das nicht. Viele Frauen berichten, dass ihnen deutlich von der Abtreibung abgeraten wurde und sie emotional unter Druck gesetzt wurden. Andere, dass sie nicht ernst genommen und nicht genügend über Alternativen aufgeklärt wurden. Der Termin gleicht oft einer Abfertigung, bei der am Ende sowieso der Abtreibungsschein ausgehändigt wird. Nur wenige fühlen sich danach besser als zuvor. Die Einflussnahme hört damit nicht auf. Vor Abtreibungskliniken sind regelmäßig religiöse und fanatische Abtreibungsgegner*innen anzutreffen, die Frauen durch Plakate, Gebete und Ausrufe belästigen und von der Abtreibung abhalten wollen.
Konservative untergraben Abtreibungsrecht
Die Vorstellung, Frauen treiben gerne und aus Spaß ab, ist eine Vorstellung, die sich unter Konservativen hartnäckig hält. So stellt die AfD Sachsen in einem auf Social Media kursierenden Meme junge emanzipierte Frauen als „ungepflegt“ dar, die „schon ihre dritte Abtreibung mit 22“ hätten und „stolz darauf“ wären. Von Seiten des Zentralkomitees deutscher Katholiken kommt Gegenwind zur Lockerung und die CDU droht mit einer Klage bei Legalisierung. Eine Abtreibung ist aber kein Spaziergang, der gerne jährlich angetreten wird. Sie geht für jede Frau einher mit psychischen, körperlichen, sozialen oder familiären Problemen. Oftmals sehen sich Frauen durch Wohnungsnot, Armut, Kita-Platzknappheit, familiären oder sozialenDruck oder fehlende Unterstützung zu einer Abtreibung gedrängt.
Der Kampf geht weiter
Für uns ist klar: Abtreibung muss legalisiert werden. Gleichzeitig müssen Schwangeredie nötigen gesundheitlichen und sozialen Leistungen erhalten, um wirklich eine Wahl zu haben. Die Entscheidung zur Abtreibung muss frei sein und nicht durch äußere, ökonomische oder soziale Faktoren forciert. In den USA hat die Aufhebung des “Roe v. Wade”-Urteils, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche 2022 auf Bundesebene außer Kraft gesetzt. Diese Entwicklung zeigt, dass erkämpfte Frauenrechte im Kapitalismus stets bedroht sind. Für eine sozialistische Zukunft, in der alle frei von Stigma und finanziellen Zwängen entscheiden können, ob und wann sie Kinder haben wollen!