Die Bildungspolitik der AfD

Foto: colorful-germany.de 2019

Warum die AfD Politik gegen Jugendliche macht

Die Aufregung war groß, als im April eine Studie zu den Einstellungen und Wahlpräferenzen von Jugendlichen veröffentlicht wurde. In der Medienlandschaft rätselte man über den rasanten Anstieg der AfD-Wahlbereitschaft unter Jugendlichen auf 22 Prozent.i Später hat sich herausgestellt, dass die anscheinende Verdopplung dieses Wertes binnen eines Jahres unter anderem auf ein nicht repräsentatives Studiendesign und eine Fehlinterpretation durch die Medien zurückzuführen ist.ii Dennoch hat die rassistische und arbeiter*innenfeindliche Partei bei den letztjährigen Landtagswahlen einen Anstieg unter den Jungwähler*innen erlebt und ist auf der vor allem von Jugendlichen viel genutzten Plattform Tiktokiii mit Abstand die reichweitestärkste Partei.iv Bei der Europawahl erzielte die AfD unter den 16- bis 24-Jährigen 17 Prozent der abgegebenen Stimmen.v Es bleibt die Frage: Welche Politik hat die AfD jungen Menschen anzubieten?

von Max Eilers, Dresden

Die AfD stellt in ihrem Grundsatzprogramm fest, dass aktuell wenige junge Menschen Ausbildungsberufe wählen und viele Menschen studieren. Würde die AfD sich für die Probleme ihrer Wähler*innen interessieren, dann würde sie untersuchen, was die Ursachen dieser Entwicklung für Jugendliche sind und was die Ausbildungsberufe aktuell so unattraktiv macht.

Dann würde sie schnell auf folgende Daten stoßen: Im letzten Jahr lagen die durchschnittlichen Ausbildungsvergütungen bei 1066 Euro.vi Nach dem Abschluss fielen die Löhne von Personen mit Berufsausbildung mit durchschnittlich 3714 Euro brutto weit unter den Gesamtdurchschnitt von 4323 Euro.vii Und das sind nur die Durchschnittswerte. Am deutlichsten zeigt sich die Unterbezahlung daran, dass beispielsweise für Bäcker*innen, Friseur*innen und Köch*innen nach der dreijährigen Ausbeutung unter Mindestlohn namens „duale Ausbildung“ weniger Lohn herausspringt, als im Durchschnitt für Personen ohne Berufsabschluss. Dass heute über 280.000 Ausbildungsstellen offen bleiben, hat auch etwas mit den Ausbildungsbedingungen zu tun. Ein Drittel der Azubis muss regelmäßig Überstunden machen und jeder Zehnte erhält dafür keine Vergütung. Knapp 13 Prozent leisten regelmäßig ausbildungsfremde Tätigkeiten und jede*r Dritte hat keinen betrieblichen Ausbildungsplan. Der Rückgang neu abgeschlossener Verträge der letzten Jahre führt dazu, dass die Beschäftigten in Zukunft die gleiche Arbeit mit weniger Kolleg*innen stemmen müssen. Ein Teufelskreis setzt ein.


Doch diese Umstände interessieren die AfD nicht. Ihre Erklärung für den Arbeitskräftemangel ist, dass Politiker*innen „Eltern und Jugendlichen ein[…]reden, nur derjenige Bildungsweg sei erfolgreich, der zu einer Hochschule führe“viii. Sie ignoriert die materiellen Bedingungen, unter denen sich junge Menschen mit gutem Grund gegen bestimmte Laufbahnen entscheiden, indem sie unterstellt, dass Jugendliche nicht selber denken können und sich bei der Entscheidung über ihre Zukunft alleine von Eltern und Politiker*innen leiten lassen. Ihre Perspektive auf die Bildungspolitik ist die der oft mittelständischenix Chef*innen, die nicht genügend Azubis und Beschäftigte mit Berufsausbildung finden, um ihr bisheriges Geschäftsmodell profitabel fortzuführen.



Die Programmatik der AfD

Die AfD ist für eine Wiedereinführung von Haupt- und Realschulenx, sowie Sonderschulenxi und damit faktisch dafür, dass insbesondere arme, migrantische und behinderte Kinder mit zehn Jahren ausgesondert werden – mit der Folge, dass ihnen universitäre Laufbahnen erschwert werden. Außerdem fordert die AfD exklusivere Zulassungsverfahren für bestimmte Studiengänge, um „die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft“xii zu sichern.

Die Errungenschaften der Studierendenbewegungen nach 1968 sollen zurückgedreht werden.xiii Es sollen also sowohl weniger Menschen studieren, als auch die Zulassungsbeschränkungen erhöht werden. Diese Maßnahmen halten dann mehr junge Menschen von universitären Karrieren ab und zwingen sie dazu, die miserablen Löhne in Ausbildungsberufen hinzunehmen.

Das Problem der fehlenden Fachkräfte soll also nicht durch Verbesserungen der Ausbildungsbedingungen gelöst werdenxiv, sondern durch den Ausschluss der ärmeren Schichten der arbeitenden Klasse von universitärer Bildung. Die einzige Idee, die die AfD hat, um Ausbildungen zu verbessern, ist die abstrakte Forderung, dass „[b]erufliche Fach- und Meisterschulen […] erhalten und gestärkt“xv werden sollen. Aber ein größeres Budget für die tatsächlich unterfinanzierten Berufsschulenxvi würde nicht ausreichen, um Ausbildungsberufe wieder attraktiv zu machen. Zumal die AfD nicht sagt, wie das finanziert werden soll. Das eigentliche Thema, nämlich die Arbeitsbedingungen, umschifft die AfD, denn hier vertreten sie eine unsoziale Politik, die entgegensetzt zu den Interessen der Arbeiter*innen und Auszubildenden ist.

Wer in seiner Jugend Freizeit, ökonomische Unabhängigkeit und selbstbestimmte Bildung will und ein Interesse an einer sicheren Zukunft hat, muss also der AfD und den pro-kapitalistischen Parteien, die für miese Bildungs- und Ausbildungsbedingungen verantwortlich sind, den Kampf ansagen. Wir dürfen uns dabei nicht spalten lassen. Studierende, Schüler*innen, arbeitslose Jugendliche und Auszubildende müssen gemeinsam den jungen Wähler*innen der AfD klar machen, dass sie bei ihr nichts zu gewinnen haben. Im Kampf gegen die AfD und die Politik, die sie stark macht, schlagen wir folgende Forderungen vor, die nicht vor den Sachzwängen der kapitalistischen Krisenverwaltung zurückweichen, sondern in ihrer Gesamtheit langfristig nur abgesichert werden können, wenn die großen Konzerne enteignet und unter die demokratische Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung gebracht werden:

  • Gebührenfreie Kitas, Unis und Volkshochschulen!
  • Verkleinerung der Schulklassen auf maximal 15 Schüler*innen und Einstellung der dazu nötigen Lehrkräfte
  • Einführung von bedarfsgerechten Gemeinschaftsschulen als Regelschule
  • Schluss mit Schul- und Universitätsprivatisierungen – Unternehmen raus aus den Bildungseinrichtungen
  • Einen garantierten, wohnortnahen Ausbildungsplatz – einen garantierten Studienplatz im Wunschfach
  • Betriebe müssen im Umfang von zehn Prozent der Arbeitsplätze Ausbildungsplätze anbieten. Unternehmen, die das nicht umsetzen, müssen 20.000 Euro pro fehlendem Ausbildungsplatz und Jahr als Abgabe zahlen. Von diesem Geld sollen Ausbildungsplätze durch den Staat geschaffen werden. Garantierte Übernahme im erlernten Beruf.
  • Drastische Erhöhung der Auszubildendenvergütungen mindestens auf das Niveau des gesetzlichen Mindestlohns
  • Statt Bafög für wenige: Einführung einer elternunabhängigen Grundsicherung für Schüler*innen und Studierende ab 16 Jahren von 700 Euro plus Warmmiete
  • Verwaltung von Schulen und Hochschulen sowie Gestaltung der Lehrinhalte durch demokratisch gewählte Komitees von Schüler*innen, Studierenden, Lehrenden, Gewerkschaftsvertreter*innen und Eltern

i Vgl. z.B.: Wundersee, Phillip (2024): So pessimistisch wie noch nie. Tagesschau. Online verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/studie-jugend-100.html (abgerufen am 25.04.2024).

iiHeidsiek, Alexandra (2024): Rätselraten über AfD-Affinität der jungen Generation: Neue Umfrage liefert ganz andere Zahlen. Der Freitag. Online verfügbar unter: https://www.fr.de/politik/umfrage-daten-werte-afd-jugend-junge-generation-93059605.html (abgerufen am 4.6.2024); Siggelkow, Pascal (2024): Wie viele wollen wirklich die AfD wählen? Tagesschau. Online verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/jugend-afd-100.html (abgerufen am 4.6.2024).

iiiGranow, Carolina; Scolari, Julia (2024): TikTok – Nutzung und Potenziale der

Kurzvideo-Plattform. Media Perspektiven 4/2022. Online verfügbar unter: https://www.ard-media.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/pdf/2022/2204_Granow_Scolari.pdf (abgerufen am 4.6.2024), S. 166-176.

ivHöppner, Stephanie (2024): Jugendliche bei der Europawahl: Auftrieb für die AfD? Deutsche Welle. Online verfügbar unter: https://www.dw.com/de/jugendliche-bei-der-europawahl-auftrieb-f%C3%BCr-die-afd/a-68400321 (abgerufen am 10.04.2024).

vSpiegel (2024): Forsa: AfD und Volt punkten bei Jungen, Grüne verlieren hingegen massiv

. Online verfügbar unter: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/europawahl-2024-afd-und-volt-punkten-bei-16-bis-24-jaehrigen-gruene-verlieren-massiv-a-670179cc-a3c5-4c5d-a4c6-22218a847c2d (abgerufen am 10.6.2024).

viStatista (2023): Durchschnittliche monatliche Ausbildungsvergütung in Deutschland im 1. bis 4. Ausbildungsjahr nach Ausbildungsbereich. Online verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/193399/umfrage/ausbildungsverguetung-nach-ausbildungsjahren/ (abgerufen am 14.04.2024).

viiDestatis (2024): Verdienste nach Ausbildungsabschluss April 2023. Online verfügbar unter:

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Grafiken/Verdienste/2024/_Interaktiv/20240325-verdienste-abschluss.html (abgerufen am 14.04.2024).

viii AfD (2022): Grundsatzprogramm. Online verfügbar unter: https://www.afd.de/wp-content/uploads/2023/05/Programm_AfD_Online_.pdf (abgerufen am 4.6.2024), S. 53

ix ebd., 2022, 22; 69f.; 75; 88; 93

x ebd., 2022, 52

xi ebd., 54

xii AfD 2022, 53

xiii ebd., 52; 54 f.

xivDumont, Hanna; Maaz, Kai; Neumann, Marko; Becker, Michael (2013). Soziale Ungleichheiten beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I: Theorie, Forschungsstand, Interventions- und Fördermöglichkeiten. In: Maaz, Kai; Neumann, Marko; Baumert, Jürgen (Hrsg.) Herkunft und Bildungserfolg von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft – Sonderheft, Nummer 24. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00454-5_7.

xv AfD (2022), 53

xviBorkowski, Sebastian (2022): Berufsschulen unter Druck. Junge Welt. 06.07.2022 /Seite 4 (Beilage). Online verfügbar unter: https://www.jungewelt.de/beilage/art/429265 (abgerufen am 4.6.2024).

Abbildungsverzeichnis

-colorful-germany.de (2019): Rassismus 2019/02. Online verfügbar unter:
https://i1.wp.com/colorful-germany.de/wp-content/uploads/2019/02/rassismus_0075.jpg?resize=768%2C384
(abgerufen am 7.6.2024).

-Destatis (2024): Verdienste nach Ausbildungsabschluss April 2023.
Online verfügbar unter:
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Grafiken/Verdienste/2024/_Interaktiv/20240325-verdienste-abschluss.html
(abgerufen am 14.04.2024).

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