Argumente gegen die Hetze gegen Bürgergeldempfänger*innen
Das gerade erst eingeführte Bürgergeld sollte großzügiger und menschenwürdiger sein als das Arbeitslosengeld II. Doch schon ein Jahr nach Einführung gibt es jede Menge Kürzungen bei den Leistungen.
Von Dorit Hollasky, Sozialarbeiterin, Sprecherin der ver.di Betriebsgruppe am Städtischen Klinikum Dresden*
In Deutschland beziehen ungefähr 5,5 Millionen Menschen. Davon sind 1,5 Millionen Kinder unter 15 Jahren. 2,2 Millionen von ihnen gehen arbeiten und müssen aufstocken, studieren oder pflegen Angehörige. Trotzdem machen AfD, CDU, FDP und die meisten bürgerlichen Medien massiv Stimmung gegen die Betroffenen. Sie argumentieren, dass sich durch das Bürgergeld das Arbeiten nicht mehr lohne. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD sagte, dass Bürgergeld sei kein „bedingungsloses Grundeinkommen“, auf dem man sich ohne Gegenleistung ausruhen könne.
Bei den Haushaltsverhandlungen für 2024 zeigte sich einmal mehr das wahre Gesicht der sich selbst „sozial“ nennenden Parteien SPD und Grünen. Viele der minimalen Verbesserungen, die mit dem Bürgergeldgesetz erreicht werden sollten, wurden ein Jahr nach Einführung einfach im Rahmen der Haushaltsverhandlungen wieder gestrichen. Hundert Millionen Euro werden zum Beispiel durch Streichung des Bürgergeldbonus gespart. Hier gab es zuvor 75 Euro monatlich, wenn man an einer Weiterbildung teilgenommen hat. 150 Millionen Euro sollen gekürzt werden, indem die sogenannten Totalverweigerer zwei Monate lang keinen Regelsatz ausbezahlt bekommen. Mit der Realität hat das wenig zu tun: 2023 gab es gegen 0,03 Prozent der Bürgergeldbeziehenden Sanktionen wegen sogenannter Arbeitsverweigerung, das sind 1120 Personen monatlich. Um die geplanten Einsparungen von 150 Millionen zu erreichen, müssten 12.500 Menschen monatlich sanktioniert werden. Der Öffentlichkeit wird also eine viel höhere Zahl von Verstößen vorgegaukelt.
„Arbeitsverweigerung?“
Dabei ist schon der Begriff zu hinterfragen: die Sanktionen treffen vor allem Menschen mit psychischen Erkrankungen, Leseschwierigkeiten, mangelnden Sprachkenntnissen oder Suchtkrankheiten. Die Sanktionierungen verschärfen die Lage dieser Betroffenen, und in Bedarfsgemeinschaften leiden auch die Haushaltsmitglieder, etwa Kinder, unter den Streichungen. In den meisten Fällen bieten die Jobcenter auch nicht wirklich sinnvolle, realistische Jobs an, sondern fordern nur allgemein zu Bewerbungen auf, auch wenn abzusehen ist, dass die betreffende Person diese Arbeit gar nicht bekommen wird oder ausüben kann. Die Herrschenden weigern sich, allen Menschen eine sinnvolle und existenzsichernde Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen.
Lohnabstandsgebot
Zunächst muss festgestellt werden, dass die Einkommen schlicht zu niedrig sind! Der Mindestlohn, der insbesondere aufgrund des Drucks von ver.di, NGG und der LINKEN per Gesetz eingeführt wurde, drückt aus, dass die Löhne, die von den Kapitalist*innen teilweise gezahlt werden, nicht zum Leben reichen.
Das ifo Institut hat die Folgen der Erhöhung der Bürgergeld-Regelsätze untersucht und kommt zu folgendem Fazit: “Es wird deutlich, dass trotz der deutlichen Anhebung der Regelsätze im Bürgergeld weiterhin ein spürbarer Lohnabstand besteht.“
Entscheidend ist, den Mindestlohn und die Tariflöhne zu erhöhen, um ein würdiges Leben zu ermöglichen. Die AfD stimmt im Bundestag übrigens regelmäßig gegen die Erhöhung des Mindestlohns oder hat sich enthalten. Mit ihr wird es also keine besseren Arbeits- und Lebensbedingungen geben.
Was fordert die Sol?
Das Recht auf ein menschenwürdiges Leben beinhaltet eine sichere Wohnung, genug zu essen und die Möglichkeit, sozial und kulturell am Leben teilzuhaben. Wir fordern deshalb eine soziale Mindestsicherung ohne Sanktionen von 900 Euro plus Warmmiete. Der Mindestlohn muss sofort auf 15 Euro erhöht werden. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse gehören abgeschafft und die Arbeitsbedingungen grundlegend verbessert. Wir wollen die wöchentliche Arbeitszeit auf 30 Stunden, bei vollem Lohn- und Personalausgleich, reduzieren.
Menschen brauchen kein Klima von Druck und Misstrauen, sondern eine positive Motivation und die Bestätigung, ein wertvoller Teil der Gemeinschaft zu sein. Damit wir das erreichen, müssen wir den Kapitalismus abschaffen, die Eigentums- und Machtverhältnisse ändern und den immensen Reichtum von oben nach unten umverteilen.
*Angabe der Funktion dient nur der Kenntlichmachung der Person