Höhere Eingruppierung für Erzieher*innen

Kitastreik in Berlin, 2024

Druck aufbauen und Unterstützung organisieren

Eine 2022 eingeführte Regelung im Manteltarifvertrag TVöD-SuE könnte eine höhere Eingruppierung für viele Erzieher*innen bedeuten.

von Tristan Kock, Bonn

Neue Beispiele

Die meisten ausgebildeten Erzieher*innen werden in den Entgeltgruppen S 8a oder S 8b eingruppiert. Die Entgeltgruppe S 8a soll dabei die Normaltätigkeit abbilden, während die Erzieher*innen mit „besonders schwieriger fachlicher Tätigkeit“ in die Entgeltgruppe S 8b eingruppiert werden. Für „besonders schwierige fachliche Tätigkeiten“ gibt es einen Beispielkatalog. Dieser Beispielkatalog wurde in der Tarifrunde 2022 unter anderem um die Tätigkeit in Gruppen mit mindestens 15 Prozent Kindern mit erhöhtem Förderbedarf erweitert. Damit dürfte der Kreis der Erzieher*innen, die nach S 8b eingruppiert werden, deutlich steigen.

Die neuen Regelungen gelten im ganz Deutschland, außer in Berlin.1

Schwierigkeiten bei der Umsetzung

Einige Kommunen setzen diese Regelungen aber sehr restriktiv um und erkennen etwa nur Kinder mit Behinderungen als Kinder mit erhöhtem Förderbedarf an. Ver.di vertritt eine weiter gefasste Definition des erhöhten Förderbedarfs und sieht in NRW zum Beispiel auch einen Sprachförderbedarf oder Jugendamtsbezirken mit einem erhöhten Anteil an Kindern, die Bürgergeld beziehen oder in deren Familien nicht vorrangig Deutsch gesprochen wird als Kriterium für einen erhöhten Förderbedarf an. Die Kriterien unterscheiden sich jedoch nach Bundesland. Erzieher*innen die nicht in die Entgeltgruppe S 8b eingruppiert werden, obwohl sie die Voraussetzungen erfüllen oder unsicher sind, ob sie die Voraussetzungen erfüllen, sollten sich bei ihrer ver.di-Betriebsgruppe oder dem oder der zuständigen Gewerkschaftssekretär*in informieren und gegebenenfalls eine Höhergruppierung geltend machen.

Erste Erfolge

Daneben setzt sich ver.di allgemein für eine Höhergruppierung aller Erzieher*innen und eine Aufwertung des frauendominierten Berufs ein. In den ersten Städten wie Mainz oder Leverkusen mit starken gewerkschaftlichen Strukturen konnte bereits eine höhere Eingruppierung aller Erzieher*innen erreicht werden.2 In Mainz zum Beispiel konnte so viel öffentlicher Druck ausgeübt werden, dass der später gewählte Oberbürgermeister sich im Wahlkampf für die höhere Eingruppierung aussprach und dies auch umsetzen musste. Was sicherlich für viele Verwaltungschefs, die einer Höhergruppierung zugestimmt haben, eine Rolle gespielt haben wird, ist die Hoffnung die eigene Personalsituation zu verbessern und Erzieher*innen aus anderen Städten abzuwerben. Auffallend ist auch, dass tendenziell eher wohlhabende Kommunen eine Höhergruppierung vornehmen.

Solidarität

Es ist wichtig, dass der Druck auch auf der gesellschaftspolitischen Ebene verstärkt wird. Dafür sollte ver.di für solche Auseinandersetzungen systematisch Solidaritätskampagnen aufbauen. Schließlich sind Eltern, die ebenfalls Beschäftigte in anderen Bereichen sind, von guter Versorgung in den Kitas abhängig. Die gibt es aber nur auf Grundlage besserer Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Daher wäre es an dieser Stelle wichtig, dass der gesamte DGB aktiv wird, um die Anliegen der Kitabeschäftigten auch in die restlichen Betriebe zu kommunizieren und hier aktive Solidarität aus anderen Bereichen zu organisieren. Das wäre zum Beispiel auch bei dem noch immer schwelenden Arbeitskampf von Erzieher*innen in Berlin ein wichtiges Mittel, bei dem es im Herbst zur Urabstimmung für Erzwingungsstreik für einen Tarifvertrag Gesundheit kommen soll.

Auch soziale Bewegungen und die Partei Die Linke sollten einbezogen werden. Wo Linke-Fraktionen in Stadträten sitzen, sollten sie Anträge zur Höhergruppierung einbringen. Entweder würde so eine Verbesserung erreicht werden oder die bürgerlichen Parteien müssten dagegen stimmen und so deutlich machen, auf welcher Seite sie stehen. Die linke Fraktionsgemeinschaft in Stuttgart brachte die Umsetzung einer gewerkschaftlich geforderten Stuttgart-Zulage in die Haushaltsberatungen ein und Die Linke verteilte bei der TVöD-Runde 2023 Flyer, in denen sie ihre Unterstützung erklärten und über ihren Einsatz informierte. Anfang 2025 geht es in die heiße Phase der nächsten TVöD-Runde. Es stünde der Partei gut zu Gesicht, wenn sich einige Kreisverbände von dem Beispiel in Stuttgart inspirieren lassen.

Weitere Maßnahmen

Die Aktivitäten in Bezug auf die Eingruppierung geben Raum, um gewerkschaftliche Verankerung auch außerhalb von Tarifrunden aufzubauen. Wir begrüßen daher, wenn die Auseinandersetzung zumindest lokal nicht auf einer rein juristischen Ebene geführt wird, sondern sie auch in einen breiteren Kampf um Aufwertung einzubetten. Wir kritisieren den Abbau der Streikdemokratie (zum Beispiel, dass es keine bundesweiten Streikdelegiertenkonferenzen mehr gibt), nachdem 2015 ein schlechter Abschluss von einer Mehrheit der ver.di-Mitglieder abgelehnt wurde. Letztlich wurde in den Tarifrunden die Dynamik aus Streiks nicht genutzt, mit der es möglich gewesen wäre, für alle eine stärkere Aufwertung durchzusetzen. Um eine breite Schicht von Gewerkschaftsaktivist*innen zu entwickeln und eine schlagkräftige Gewerkschaftsbewegung aufzubauen, braucht es eine möglichst demokratische Streik- und Verhandlungsführung. Dafür setzt sich unter anderem das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ ein: www.netzwerk-verdi.de

1Sozial- und Erziehungsdienst Tarifrunde 2022 aktueller Stand | Öffentlicher Dienst | Haufe

2 https://www.presse-service.de/public/Single.aspx?iid=1150890 https://sensor-magazin.de/mehr-gehalt-fuer-erzieher-mit-zusatzqualifikationen