Ein Wendepunkt für Sri Lanka?

AKD gewinnt die Präsidentschaftswahlen 2024

Die neunten Präsidentschaftswahlen, die am 21. September 2024 stattfanden, sind anders als alles, was in der Vergangenheit geschehen ist. Es ist die erste Wahl seit der Massenbewegung (Aragalaya), die den früheren Präsidenten Gotabaya stürzte. Diese Wahl war auch Ausdruck einer tiefgreifenden politischen Zersplitterung, die im ganzen Land stattgefunden hat. Der eigentliche Wettbewerb fand zwischen zwei Parteien statt, deren Ergebnisse knapp beieinander lagen, was zu Verzögerungen bei der Auszählung führte. Es ist das erste Mal in der Geschichte Sri Lankas, dass eine zweite Auszählung der nächsten Vorzugsstimmen stattfinden musste, da sich bei der ersten Auszählung kein klarer Sieger abzeichnete.

von Saarankan, Tamilische Solidaritätskampagne Sri Lanka

Das bei den Präsidentschaftswahlen angewandte Verhältniswahlsystem erlaubt es den Wähler*innen, auf ihrem Stimmzettel ihre erste, zweite und dritte Präferenz zu wählen. Die erste Vorzugsstimme wurde zwischen Anura Kumara Dissanayake (AKD) von der Partei National People’s Power (NPP), der 42 Prozent erhielt, und Sajith Premadasa von der Partei Samagi Jana Balawegaya (SJB), der 32 Prozent erhielt, aufgeteilt. Da keine Partei die erforderliche Mindestzahl von über 50 Prozent erreichen konnte, um die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, musste eine zweite Auszählung der zweiten Präferenzstimmen stattfinden, bei der Anura von der National People’s Power zum Sieger erklärt wurde.

Verschiedene Agenturen haben für den Fall, dass die von der JVP geführte NPP die Wahl verliert, Gewalttätigkeiten vorausgesagt. Daher wurde eine Ausgangssperre bis zum Mittag des 22. angekündigt. Der Kampf zwischen Anura und Sajith war erbittert. Sajith musste um jede Stimme kämpfen und vor allem alles tun, um Wähler*innen aus dem Norden und Osten zu gewinnen. Sajith sah sich auch mit Problemen konfrontiert, da ein Teil der Kapitalistenklasse Ranil Wickremesinghe, den Führer seiner früheren Partei, der UNP (United National Party), unterstützte. Ranil Wickremesinghe kandidierte jedoch als unabhängiger Kandidat in der Annahme, dass ihm dies mehr Stimmen einbringen würde.

Auf der anderen Seite verfolgte AKD einen “Hardliner”-Ansatz und setzte sein Vermächtnis fort, den singhalesischen Chauvinismus zu schüren, wobei er seine Hauptbasis im Süden der Insel aufbaute. Das Programm von AKD war nicht marxistisch. Es gelang ihm, die Unterstützung ehemaliger Anhänger*innen der Rajapaksa-Familie zu gewinnen und selbst in Orten, wie Hambantota, eine deutliche Mehrheit zu erzielen. Einige, vor allem westliche Medien, bezeichnen ihn als marxistischen Kandidaten, was völlig falsch ist; AKD hat sich öffentlich von marxistischen Prinzipien distanziert, um die Wahl zu gewinnen.

Anura wird auch oft als die neue Alternative dargestellt, die einen sauberen Wechsel zur korrupten Regierung Sri Lankas herbeiführen wird. AKD wird als der Politiker angesehen, der die Arbeiter*innenklasse aus der Armut und den Nöten, unter denen sie leidet, befreien kann. Seine Politik und sein Wahlprogramm bieten jedoch keinen wirklichen Wandel. Die Politik von AKD unterscheidet sich nicht grundlegend von der von Ranil Wickremesinghe; der Sieg von Anura wird nicht durch seine angeblich “linke” Politik errungen. Stattdessen spielte die verzweifelte Hoffnung auf das Unmögliche und die Wut auf das korrupte politische Establishment eine wichtige Rolle. Auch sein singhalesisch-chauvinistische Auftreten trug dazu bei, Unterstützung für ihn zu gewinnen.

Sajith repräsentiert die Kapitalist*innenklasse. Als Verzweiflungsmaßnahme machte er einigen muslimischen und tamilischen Parteien Versprechungen. In Verbindung mit der schrecklichen Haltung von AKD in der nationalen Frage bedeutet dies, dass die NPP im Norden nur wenig zulegen konnte. Ein kleiner Teil der Stimmen aus dem Norden und Osten ging an Anura, was überraschenderweise mehr ist, als sie normalerweise erhalten. In Anbetracht der Ressourcen, die sie im Norden und Osten für ihre Kampagne eingesetzt haben, hat AKD im Norden jedoch kläglich versagt. AKD ist es nicht gelungen, die Wählerschaft im Norden zu beeindrucken. Die Bevölkerung dort hat ihn vor allem wegen seiner Haltung zu tamilischen Forderungen, einschließlich der nationalen Forderungen, nicht unterstützt.

Sajith hingegen konnte in Kilinochchi, wo die Wahlbeteiligung mit 68 Prozent sehr hoch war, eine beträchtliche Anzahl von Stimmen gewinnen. Obwohl ein bedeutender Teil des Nordostens für Ranil gestimmt hat, bedeutet dies nicht, dass sie die Eliten und die Kapitalist*innenklasse unterstützen. Was nach wie vor dominiert, ist die nationale Frage. Dies zeigt sich an den Stimmen, die der gemeinsame tamilische Kandidat Pakkiyaselvam Ariyenthiran erhalten hat.

Der Gedanke an einen gemeinsamen tamilischen Kandidaten tauchte erst viel später im Wahlkampf auf. Der gemeinsame tamilische Kandidat konnte jedoch im Norden und Osten eine beträchtliche Anzahl von Stimmen auf sich vereinen. Ariyenthiran wurde im nördlichen Bezirk hinter Sajith Zweiter. Im Osten blieb jedoch eine erhebliche Schwäche, da er hinter Sajith und Ranil auf den dritten Platz zurückfiel. Dies wirft viele Fragen auf. Obwohl der ITAK-Abgeordnete, der sich Sumanthirans Entscheidung, Sajith zu unterstützen, widersetzte, in Kilinochchi ansässig ist, gelang es Sajith, selbst in seiner Basis erhebliche Stimmen zu gewinnen. Allein die Tatsache, dass der gemeinsame tamilische Kandidat nicht einmal in Jaffna einen Kandidaten aus dem Süden besiegen konnte, zeigt, wie zersplittert die tamilischen Stimmen sind.

Eine weitere Beobachtung ist, dass Ariyenthiran, ein Abgeordneter aus Batticaloa, nicht einmal in seiner eigenen Region den Stimmenzuwachs anführen konnte. Er landete hinter allen drei Kandidaten aus dem Süden.

Dies macht deutlich, dass zwischen der tamilischen Arbeiter*innenklasse und den tamilischen Politiker*innen eine große Kluft besteht. Der Versuch, tamilische Stimmen zu gewinnen, ohne auf alle ihre Forderungen – demokratische, wirtschaftliche und nationale – einzugehen, macht es unmöglich, sie vollständig zu mobilisieren. Alle, die an der gemeinsamen tamilischen Kandidatur beteiligt sind, sowie diejenigen, die die Tamil*innen auffordern, die chauvinistischen Kräfte des Südens abzulehnen, müssen ein weitsichtiges politisches Programm unter den Tamil*innen aufstellen.

Unter den Marxist*innen, die zur Wahl antraten, stach Siritunga Jayasuriya von der Vereinigten Sozialistischen Partei (USP) als jemand hervor, der die Rechte der Tamil*innen uneingeschränkt unterstützt. Er war der einzige Kandidat, der die nationale Frage in den Vordergrund stellte. Die nationale Frage allein reicht jedoch nicht aus, um die tamilischsprachige Bevölkerung im Norden und Osten zu mobilisieren. Sie haben unter einem langen Krieg und einem Völkermord, den sie bis heute nicht vergessen haben, enorm gelitten. Sie einfach aufzufordern, tamilischen Politiker*innen zu vertrauen und die Tendenz aufzugeben, für die Kapitalisten des Südens zu stimmen, wie dies bei früheren Wahlen der Fall war, wird keine Früchte tragen.

Es ist zwingend notwendig, eine klare Position zur nationalen Frage zusammen mit allen anderen Forderungen hervorzuheben, mit dem Ziel, die Arbeiter*innenklasse im Norden, Osten und auch im Süden zu stärken. Diese Strategie wurde außer von der United Socialist Party, der sri-lankischen Sektion des CWI, von keinem Kandidaten vorgeschlagen.

Die Schlacht nach den Wahlen, um die Rechte der Massen zu sichern, hat gerade erst begonnen. Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist immens. Diejenigen, die fest auf der Seite der Massen stehen, müssen ein Höchstmaß an Einigkeit auf prinzipieller Basis anstreben, um unseren Kampf zu stärken.