Nigeria: Interview mit einem Sozialisten

Ein Gespräch mit Abbey Trotsky über willkürliche Verhaftungen von Aktivist*innen und die Notwendigkeit internationaler Solidarität

Abbey Trotsky ist Sprecher der Democratic Socialist Movement (Demokratische Sozialistische Bewegung) in Nigeria, die eine Schwesterorganisation der Sol ist. Das Interview wurde im September geführt, vor der Freilassung von Adaramoye Michael. Warum das noch kein Ende der Solidaritätskampagne bedeuten kann und mehr Informationen finden sich hier: https://solidaritaet.info/2024/10/nigeria-michael-lenin-mosiu-sodiq-und-eleojo-opaluwa-freigelassen/

Was ist mit Adaramoye Michael geschehen?

Adaramoye Michael ist ein Genosse der DSM und wurde in den frühen Morgenstunden des 5. August verhaftet und von der National Intelligence Agency (NIA), der nigerianischen Geheimpolizei, in seiner Wohnung willkürlich verhaftet. Insgesamt sind über eintausend Aktivistinnen und Aktivisten verhaftet worden. Darunter auch Mosiu Sodiq, Daniel Akande, Eleojo Opaluwa, Abayomi Abiodun, Khalid Aminu, Angel Innocent, die ohne Anklage festgehalten werden.

Was ist der Grund für die Inhaftierungen?

Die Inhaftierung der jungen Aktivisten steht in Verbindung mit den End-bad-government-Protesten hier bei uns in Nigeria. Diese richten sich gegen die Armut und Not, die durch die Entscheidung der Regierung, die Gaspreise um 400 Prozent zu erhöhen, noch einmal verschlimmert wurde. Das war 2023. Zwischen dem 10. August und jetzt sind die Gaspreise noch einmal um 500 Prozent gestiegen.

Die Lage ist so schlimm, dass wegen des eingeschränkten Personenverkehrs in einigen Bundesstaaten Nigerias die Grundschulen geschlossen bleiben müssen. 

Adaramoye Michael ist auch Mitglied der Education Rights Campaign. Was muss man sich unter der ERC vorstellen?

Diese Struktur wurde von der DSM ins Leben gerufen und hat bereits erfolgreiche Proteste gegen gestiegene Schul- und Studiengebühren organisiert. 

Die ERC fragt aber auch nach den Ursachen der ständigen Attacken auf das Bildungssystem. Für uns sind die Ursachen die kapitalistische Krise und die Weigerung der nigerianischen Regierung, öffentliche Institutionen zu fördern. 

Deshalb darf sich unser Kampf nicht allein gegen die Angriffe auf das Bildungssystem richten, sondern auch gegen den Kapitalismus als System. Nur der Sozialismus kann für alle Schüler*innen gleichberechtigte Bildung garantieren. Deshalb will die ERC nigerianische Schüler*innen ermutigen, für ihre Rechte und die Abschaffung des Kapitalismus zu kämpfen.

Ist dieser Umgang mit Protesten typisch für Nigeria?

Die Regierung geht immer wieder mit harter Repression gegen Proteste vor. Da die Polizei häufig direkt auf Demonstrant*innen schießt, wurden in den letzten zwei Jahren hundert Menschen getötet.

So kann es nicht weitergehen. Es handelt sich um die Methoden einer blutigen Diktatur. Sie ist auf so vielen Ebenen inhuman und genau deshalb gehen so viele Menschen gerade aktiv gegen dieses Regime vor. Und daher reagiert das Regime auch auf diese harte Art und Weise.

Wie sind die Verhafteten von der NIA behandelt worden?

Ihnen wurden die Augen verbunden. Sie hatten lange keinen Zugang zu ihren Familien oder anwaltlicher Vertretung. Wir hatten lange Zeit keine Möglichkeit, herauszufinden, wo sie sind. All das verstößt gegen nigerianisches Gesetz.

Was kann man tun, um Euren Kampf zu unterstützen?

Es gab schon viel öffentlichen Druck. Es kamen aus aller Welt Protestschreiben und Erklärungen, die die Inhaftierungen verurteilt haben. 

Gegen Adaramoye Michael und andere wurden schwerwiegende Anklagen wegen Terrorismus und Hochverrat erhoben. Ihnen drohen jahrelange Haftstrafen und sogar die Todesstrafe wäre möglich. Die Anklagen sind erfunden und wir müssen erreichen, dass sie fallen gelassen werden.

Deshalb brauchen wir auch weiterhin internationale Unterstützung und Spenden. Auch deshalb, weil man sich auf das nigerianische Gefängniswesen nicht verlassen kann. Besuche kosten Geld und die Versorgung der Inhaftierten ist nicht gesichert. Wir müssen ihnen sogar Essen ins Gefängnis bringen.

Die Kundgebungen in Berlin vor der nigerianischen Botschaft und Frankfurt am Main vor dem dortigen Konsulat und die vielen Protestbriefe haben geholfen, den Fall bekannt zu machen und die Behörden hier unter Druck zu setzen. Solche Aktionen helfen uns.