Ein knapper Sieg für AKD
Bei den Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka wurde Anura Kumara Dissanayake zum neunten exekutiven Präsidenten des Landes gewählt. Er erhielt 5.634.915 Stimmen gegenüber seinem nächsten Konkurrenten Sajith Premadasa, der 4.363.035 Stimmen erhielt, und dem amtierenden Präsidenten Ranil Wikramasinghe, der 2.299.767 Stimmen erhielt.
Von Srinath Perera, United Socialist Party (CWI Sri Lanka)
Nach der srilankischen Verfassung muss ein Kandidat 50 Prozent der Stimmen plus eine Stimme erhalten, um direkt Präsident zu werden. Bei allen bisherigen Wahlen hatte der siegreiche Kandidat diese Schwelle erreicht. Anura Kumara lag jedoch weit unter dieser Marke, so dass die Zweit- und Drittpräferenzen der unterlegenen Kandidaten, mit Ausnahme des zweitplatzierten Kandidaten, für die Wahl des Präsidenten herangezogen wurden. Es handelt sich also um eine Art Stichwahl zwischen den ersten beiden Kandidaten. Bei dieser zweiten Auszählung erhielt er 105.264 Stimmen gegenüber 167.867 Stimmen für Sajith, so dass er insgesamt 5.740.179 Stimmen (42,31 Prozent) erhielt. Sajiths Gesamtzahl betrug 4.530.902 (32,76 Prozent) Stimmen. Selbst nach Hinzurechnung der Zweitstimmen konnte Anura Kumara keine 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, wurde aber gemäß den gesetzlichen Bestimmungen für gewählt erklärt. Damit ist Anura Kumara Dissanayaka der erste Präsident des Landes, der bei der Wahl keine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhielt.
Anura Kumara, auch bekannt als AKD, ist der Führer der den irreführenden Namen tragenden Volksbefreiungsfront (JVP), einer pseudo-marxistischen maoistischen Partei, die 1971 und 1988/89 zwei bewaffnete Aufstände organisierte. Unter der Führung von AKD hat die JVP jedoch all ihre sozialistische Rhetorik abgelegt und sich heimlich dem Kapitalismus verschrieben. Um ihren Rechtsruck zu untermauern, gründete er die Nationale Volksmacht (NPP) als eine Wählervereinigung, die immer mehr rechtsgerichtete Elemente umfasst, vor allem Universitätsakademiker*innen und pensionierte Militäroffiziere.
AKD hat sich Geschäftsleuten und Unternehmen angenähert und mehrere Gesprächsrunden und Diskussionen mit ihnen abgehalten, um ihnen zu versichern, dass er keine sogenannte sozialistische oder linke Politik mehr verfolgt und dass Industrielle und andere Unternehmer*innen so weitermachen können wie bisher. Bei einem solchen Treffen lobte ein führender Unternehmer AKD, da er seine marxistische Politik zugunsten einer kapitalistischen Politik aufgegeben habe, und er würde daher für AKD stimmen und forderte andere auf, es ihm gleichzutun.
Die Zusammensetzung der für AKD abgegebenen Stimmen offenbart einige nüchterne Tatsachen. Er wurde von den singhalesischen Wähler*innen im Süden stark unterstützt, die beim letzten Mal Gotabhaya Rajapaksha [ehemaliger Staatspräsident der aufgrund der Massenbewegung 2022 zurücktreten musste, Anm. d. Übersetzerin] eine überwältigende Mehrheit gegeben haben. Er hoffte, dass er all diese Gotabhaya-Stimmen auf sich vereinigen könnte, um die 50 Prozent-Hürde zu überwinden, doch das gelang ihm nicht. Der amtierende Präsident Ranil hat diese Wähler*innenschaft mit dem Argument, er sei der Mann, der die Wirtschaftskrise lösen könne, die Mitte 2022 zu langen Lieferengpässen bei Treibstoff, Gas und anderen lebenswichtigen Gütern geführt hat, bis zu einem gewissen Grad verprellt.
AKD war sich dieser riskanten Situation im Süden bewusst und führte einen intensiven Wahlkampf im Norden und Osten, indem er diese Provinzen mehrmals besuchte, um um die Stimmen der Minderheiten zu werben. Obwohl er dabei bis zu einem gewissen Grad erfolgreich war und seine Stimmenbasis von rund 1 Prozent im Norden und Osten im Jahr 2019 auf etwa 8 Prozent erhöht hat, hat die Mehrheit der Menschen in diesen beiden Provinzen kein Vertrauen in ihn. Die Tamil*innen und Muslim*as im Norden und Osten sowie die Tamil*innen in den Bergregionen haben ihn entschieden abgelehnt, sodass er im ersten Wahlgang nicht die 50 Prozent +1 Stimmen erhielt, die nötig sind, um Präsident zu werden.
Die JVP, die Partei von AKD, war maßgeblich daran beteiligt, den damaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksha nach 2006 zu drängen, die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) mit schweren Waffen anzugreifen und den Krieg im Norden und Osten fortzusetzen, bis die LTTE besiegt war. In diesem barbarischen Krieg wurden mehr als hunderttausend unschuldige Tamil*innen getötet und Tausende weitere verstümmelt. Die JVP hat öffentlich erklärt, dass sie maßgeblich an der Führung des Krieges beteiligt war, und AKD hat gesagt, dass er sich niemals für die Unterstützung dieses Krieges entschuldigen wird.
Der chauvinistische Kurs von AKD und der NPP ist also klar, und die große Mehrheit der Tamil*innen im Norden, Osten und anderen Gebieten hat gegen AKD gestimmt. Nicht nur die Tamil*innen, auch die Muslim*as im Osten und in anderen Teilen des Landes haben nicht für ihn gestimmt, obwohl es der NPP gelungen ist, kleine Unterstützer*innengruppen in der muslimischen Gemeinschaft aufzubauen. Die Tamil*innen von Maleiyaga, die im Bergland und in anderen angrenzenden Bezirken leben, haben ihn eindeutig abgelehnt und überwiegend für Sajith Premadasa gestimmt. AKDs Wählerbasis sind also die Singhales*innen im Süden, und alle Minderheitengemeinschaften haben seine hohlen Vorstöße zu Recht abgelehnt.
Eine Besonderheit bei dieser Wahl ist das Auftreten eines tamilischen Kandidaten, der tamilische nationalistische Forderungen vertritt. Dies geschah zum ersten Mal nach den ersten Präsidentschaftswahlen 1982, nach denen die Tamil*innen im Norden und Osten für singhalesische Kandidaten aus dem Süden gestimmt hatten, die jedes Mal versprachen, ihre Probleme zu lösen. Dennoch schenkten die singhalesischen Kandidaten ihren Forderungen und Beschwerden keine Beachtung, selbst als sie die Präsidentschaft gewannen, und in den politischen Kreisen der tamilischen Gemeinschaft wurde eine Diskussion darüber geführt, wie ihre Forderungen vorangebracht werden könnten, und das Ergebnis war die Ernennung von P. Ariyanatram zum gemeinsamen tamilischen Kandidaten. Doch selbst in tamilischen politischen Kreisen herrschte keine Einigkeit über die Kandidatur von Ariyanatram.
Bei der Wahl wurde dieser gemeinsame tamilische Kandidat mit gemischten Ergebnissen aufgenommen. Ariyanathram erhielt insgesamt 226.343 Stimmen und damit 1,7 Prozent. Er konnte keinen der Wahlbezirke gewinnen. Alle fünf Bezirke im Norden und Osten sowie der Bezirk Nuvaraeliya, in dem die Maleiyaga-Tamil*innen in der Mehrheit sind, wurden von Sajith Premadasa, dem wichtigsten Kandidaten der Opposition, gewonnen. Die Mehrheit der Tamil*innen im Norden und Osten hat also auch in dieser Zeit einem singhalesischen Kandidaten aus dem Süden vertraut, und die nationale Frage wird sich noch eine Weile hinziehen, ohne dass ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen wäre.
Wichtig ist auch das Ergebnis der linken Parteien bei dieser Wahl. Vier linke Parteien, die sich auf den Sozialismus stützen, waren bei dieser Wahl im Rennen. Das Socialist People’s Forum (SPF), die Nava Sama Samaja Party (NSSP), die United Socialist Party (USP, das CWI in Sri Lanka) und die Socialist Equality Party. Bei dieser Wahl hatte die NSSP, die bis zu seinem kürzlichen Tod von Wikramabahu Karunarathna geführt wurde, 12.760 Stimmen erhalten, so dass der wenig bekannte Priyantha Wikramasinghe, der Kandidat der NSSP, die meisten Stimmen der Linken erhielt. Viele Hoffnungen auf eine Herausforderung von AKD wurden jedoch in Nuwan Bopage, den Kandidaten der SPF, gesetzt. Die Frontline Socialist Party, der Hauptbestandteil der den irreführenden Namen tragenden People’s Struggle Alliance (PSA) war ursprünglich eine Abspaltung von der JVP. Nach einem mit viel Tamtam geführten Wahlkampf konnte Bopage, der unter dem Banner des Socialist People’s Forum (SPF) antrat, nur 11.191 Stimmen auf sich vereinen. Vor diesem Hintergrund sind die 8.954 Stimmen, die Sirithunga Jayasuriya, der Kandidat der USP, erhielt, eine bemerkenswerte Leistung, da seine Kampagne im Vergleich zu der von Bopage, der von einem beträchtlichen Teil einflussreicher Personen in den linken Kreisen unterstützt wurde, über weit weniger Ressourcen verfügte. Hinzu kommt, dass Bopage mit Unterstützung der FSP schamlos den Namen Aragalaya – die Bezeichnung für die Massenbewegung von 2022 – für seine Kampagne verwendete, ohne die Aragalaya-Aktivist*innen zu konsultieren, was dazu führte, dass sich eine große Zahl von Aktivist*innen von ihm distanzierte.
Daher hat das Wahlergebnis schwerwiegende Folgen für die Menschen und insbesondere für die linke Bewegung. AKD ist mit einem linken Anstrich an die Macht gekommen, obwohl er jeglichen Anspruch, links zu sein, aufgegeben hat, wie seine Bereitschaft, innerhalb des Kapitalismus zu arbeiten, zeigt. Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass die NPP nicht über eine solide Unterstützung in der Bevölkerung verfügt und dass sie sich jederzeit, auch schon bald, auflösen könnte. Die FSP, die nicht in ihrem eigenen Namen antrat und ihr Mitglied Bopage unter einem anderen Parteinamen ins Rennen schickte, sind die größten Verlierer dieser Wahl, und ihr Anspruch, die wichtigste Partei der Linken zu sein, hat sich zerschlagen. Die Stimmen, die für Sirithunga Jayasuriya, den Kandidaten der USP, abgegeben wurden, zeigen, dass das Potenzial für eine revolutionäre linke Bewegung immer noch vorhanden ist und wir es mit Vorsicht, aber mit Nachdruck und Entschlossenheit nutzen müssen.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt und erschien zuerst am 26. September auf www.socialistworld.net