Sri Lanka: Bauen wir eine sozialistische Zukunft

Offener Appell der Vereinigten Sozialistischen Partei an sozialistische Organisationen

Die folgende Erklärung wurde von der Vereinigten Sozialistischen Partei (USP, United Socialist Party, der Sektion des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale in Sri Lanka) am 12. August an sozialistische Parteien und Gruppen in Sri Lanka adressiert.

Socialistworld.net


Wir befinden uns in Sri Lanka an einem entscheidenden Punkt, da die Kapitalist*innenklasse, der Staat, die Elite und ihre Institutionen, die regionalen Mächte, China und die westlichen imperialistischen Mächte ein gemeinsames Ziel haben: die Niederschlagung der Massenbewegung, die sich entwickelt hat – während sie gleichzeitig für ihre eigenen Interessen und Investitionen kämpfen. Die Kapitalist*innen haben gemeinsam keine Lösung für die Krise. Gelddrucken, Zinsanpassungen, Steuererhöhungen, Verkauf von öffentlichen Diensten, Land und lebenswichtigen Dienstleistungen an Kapitalist*innen, Lohnkürzungen und die Aufnahme weiterer Kredite mit drakonischen Auflagen waren die Methoden, auf die sie sich geeinigt haben. Dies ist für die kämpfenden Massen nicht akzeptabel, da es nur zu noch mehr Armut und Elend führen wird. Die Vertreter der Bourgeoisie sind bereit, maximale Gewalt anzuwenden und alles zu tun, was nötig ist, um ihre Kontrolle zu behalten. Sozialist*innen und Gewerkschaftsaktivist*innen sollten ihre Zusammenarbeit verstärken und zurückschlagen, um Repression zu verhindern und die Massenbewegung voranzubringen.

Das derzeitige Parlament repräsentiert nicht die Massen. Die Forderung nach dem Rücktritt des Präsidenten und aller 225 Parlamentsmitglieder wurde vom Militär unterdrückt. Aber die Massen haben ihre Macht und Stärke unter Beweis gestellt und gezeigt, dass alles möglich ist. Die Massen sollten den Scheinvorschlag einer “Übergangsregierung” aus Plünderern nicht akzeptieren. Aber die Bewegung sollte eine Übergangsregierung aus Vertretern der Arbeiter*innen, der Armen und der Unterdrückten organisieren, die Notmaßnahmen ergreifen kann, um die Krise, in der sich die Menschen befinden, zu lindern, und die Wahlen zu einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung organisieren kann, die über die Zukunft Sri Lankas entscheiden kann.

Wir begrüßen die Forderungen, die bisher von den Massen und Aragalaya (dt. „Kampf“, eine aus der Massenbewegung entstandene Gruppierung, die die Proteste teilweise organisiert hat, A.d.Ü.) artikuliert wurden, auch wenn diese Forderungen noch etwas begrenzt sind, da sie die kapitalistischen Wurzeln dieser Krise nicht in Frage stellen. Aber selbst um diese Forderungen durchzusetzen, brauchen wir eine starke Beteiligung der organisierten Arbeiter*innenklasse und den Aufbau einer demokratisch organisierten Massenorganisation, die ein alternatives sozialistisches Programm vorlegt. Sozialist*innen können zusammen mit unseren Unterstützer*innen in der organisierten Arbeiter*innenbewegung eine Initiative in diese Richtung ergreifen.

Wir haben in der Vergangenheit viele Diskussionen auf der Linken geführt, um unsere Arbeit in bestimmten Fragen zu koordinieren und uns möglicherweise auf ein allgemeines Programm zu einigen. Die JVP-Führer, obwohl sie behaupten, links und sogar marxistisch zu sein, haben sich nie auf solche demokratischen Diskussionen eingelassen oder auch nur versucht, auch nur annähernd ein sozialistisches Programm vorzulegen, da sie in der Praxis innerhalb des Kapitalismus arbeiten. Der Rest der LSSP, die kommunistischen Parteien und einige andere kleine Organisationen agieren und agierten opportunistisch, indem sie wiederholt Bündnisse mit kapitalistischen Parteien eingegangen sind, sich an Koalitionsregierungen beteiligt haben und nichts mehr mit dem Aufbau der sozialistischen Kräfte zu tun haben. Wir müssen an die einfachen Mitglieder und jene Unterstützer*innen, die kämpfen wollen, appellieren, mit ihnen zu brechen, um zu einem sozialistischen Programm zu gelangen. Wir haben in der Vergangenheit auch argumentiert, dass die bloße Zusammenarbeit einiger sozialistischer Gruppen allein nicht ausreicht, um eine Massenorganisation zu schaffen; aber gemeinsame Aktionen zu einem klaren Programm können ein Ausgangspunkt sein, um einen breiteren Teil der Arbeiter*innenklasse einzubeziehen, insbesondere die organisierten Arbeiter*innen in den Gewerkschaften.

In Anbetracht der Vorgeschichte könnte es große Schwierigkeiten geben, ein gemeinsames allgemeines Programm zu entwickeln, auf das wir uns alle einigen können. Gemeinsame Aktionen auf der Grundlage konkreter Forderungen, denen alle zustimmen, könnten jedoch stattfinden, während darüber diskutiert wird, was ein klares Programm enthalten sollte. Die USP wird weiterhin für ein sozialistisches Programm kämpfen, da wir der Meinung sind, dass es auf kapitalistischer Grundlage keine Lösung für die gegenwärtige Krise geben kann. Wir schlagen allen linken Parteien, Gewerkschaften und Sozialisten vor, ein sozialistisches Programm vorzulegen und die Arbeiter*innenklasse und die kämpfenden Massen für dieses Programm zu gewinnen.

Alle Vertreter*innen der Kapitalist*innen ablehnen

Gemeinsam sollten wir die kämpfenden Massen dazu aufrufen, alle pro-kapitalistischen Vertreter*innen abzulehnen, da sie versuchen, das gegenwärtige System zu retten. Es darf kein Vertrauen in eine der kapitalistischen Parteien geben. Jedes Interimsabkommen mit den Vertreter*innen der Kapitalist*innen kann die Bewegung nur destabilisieren und schwächen. Stattdessen müssen wir unsere eigene politische Plattform aufbauen. Mit einer demokratischen föderalen Struktur und einem klaren Programm könnten wir wichtige Teile der Gesellschaft und die Massen zusammenbringen. Die Einrichtung eines “Volksrats”, der lediglich die kapitalistische Regierung unterstützen soll, wird den Bedürfnissen der Massen nicht gerecht werden.

Welche Organisation?

Es zeichnet sich ein Konsens darüber ab, dass in den Dörfern und Städten demokratisch organisierte Komitees  oder Ausschüsse gebildet werden müssen, um den Widerstand zu organisieren und die Verteilung der Güter demokratisch zu überwachen. Dies sollte jedoch die Beteiligung von Arbeiter*innen, Bäuer*innen und anderen wichtigen Aktivist*innen im Sinne einer echten Vertretung beinhalten. Es sollten demokratische Strukturen geschaffen werden, in denen die Delegierten gewählt werden und den Komitees gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Es sollte darüber diskutiert werden, welche Rolle diese Ausschüsse spielen können. Können diese Komitees z. B. die Verantwortung für Betriebe übernehmen, die wichtige Güter produzieren und größtmöglichen Einfluss auf sie ausüben, wie betriebliche Gewerkschaftsgruppen aufgebaut und integriert werden, können sie Bäuer*innen und Jugendliche zusammenbringen usw. Es sollte eine offene Diskussion über die Art der Ausschüsse geführt werden, und es sollte daran gearbeitet werden, solche Ausschüsse aufzubauen, was eine dringende Aufgabe ist. Diese Komitees können durch gewählte Delegierte ein nationales Gremium bilden. 

Dieses Gremium kann auch die politische Repräsentation festlegen und entscheiden, welche Art von Verfassung erforderlich ist usw. Das nationale Gremium kann dabei helfen, wichtige Unterausschüsse zu bilden, z. B. Verteidigungskomitees, die die Demonstrierenden vor Angriffen der Sicherheitskräfte und der Regierungsanhänger schützen. Ein solches Komitee wird auch an die einfachen Soldat*innen appellieren, sich am Schutz der Massen zu beteiligen. Es ist keine leichte Aufgabe, dies zu organisieren, ohne mit den staatlichen Institutionen in Konflikt zu geraten, die für sich in Anspruch nehmen, die Macht zu haben, die Gesellschaft zu organisieren. Daher sollte auch die Übernahme von Schlüsselinstitutionen und deren Überführung unter die demokratische Kontrolle der Massen organisiert werden.

Welches Programm?

Wir müssen zumindest bei den wichtigsten Forderungen, die für jede sozialistische Organisation von grundlegender Bedeutung sind, eine gemeinsame Haltung erreichen. Der Aufruf zur Massenmobilisierung sollte mit der Aufforderung an die organisierte Arbeiter*innenklasse verbunden sein, Maßnahmen wie einen Generalstreik zu ergreifen. Wir müssen für den Schutz der verstaatlichten Dienstleistungen kämpfen und sie unter die demokratische Kontrolle der Arbeiter*innen stellen – Überführung der Kommandozentralen der Wirtschaft in öffentliches Eigentum – Einführung eines angemessenen Mindestlohns für alle Arbeiter*innen. Freihandelszonen und besondere Zugeständnisse an ausländische Investoren zur Superausbeutung müssen abgeschafft werden – Gewerkschaften und Arbeiter*innenorganisationen müssen demokratisch und unabhängig von kapitalistischen Parteien organisiert werden, usw. 

Wir müssen die völlige Abschaffung und Nicht-Bezahlung der Schulden fordern. Dies gilt auch für Mikrokredite. Zum Beispiel müssen alle Schulden der Bäuer*innen sofort gestrichen werden. Wir sollten auch jedes Abkommen mit dem IWF und die Ausplünderung durch die indischen und chinesischen Kapitalisten ablehnen. Es sollte ein internationaler Aufruf zu Solidaritätsaktionen und Unterstützung erfolgen, insbesondere für die Arbeiter*innen in der südasiatischen Region. Die Forderung nach der Abschaffung der exekutiven Präsidentschaft und drakonischer Gesetze, wie dem Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus und der gewerkschaftsfeindlichen Gesetzgebung, macht eine vollständige Änderung der Verfassung und eine völlige Neuordnung der Gesellschaft erforderlich. Die Forderung nach einer demokratisch gewählten revolutionären verfassungsgebenden Versammlung ist von entscheidender Bedeutung, um dieser Notwendigkeit gerecht zu werden und die Neuorganisation der Gesellschaft vorzubereiten. Dies kann zu einer von den Arbeiter*innen geführten Regierung und der Einführung einer demokratisch geplanten Wirtschaft führen.

Solche Forderungen sollten in all unseren Materialien und Kampagnen artikuliert werden. Während wir die Pressefreiheit, die freie Meinungsäußerung und alle demokratischen Rechte verteidigen, sollten Sozialist*innen auch ihre Position zur nationalen Frage deutlich machen, wenn wir Arbeiter*innen aller Ethnien vereinen wollen.

Wir müssen mutig für eine sozialistische Alternative eintreten

Einige Organisationen, wie die JVP, verwenden marxistische Rhetorik, aber in Wirklichkeit vertreten sie weder sozialistische Ideen noch arbeiten sie am Aufbau der Kräfte des Sozialismus. Die Zusammenarbeit mit Kapitalist*innen und Verteidiger*innen des Kapitalismus wird mit dem Argument gerechtfertigt, dass es in dieser Phase keine Massenunterstützung für sozialistische Veränderungen gibt. Dies ist genau das Gegenteil der Strategie von Lenin und den Bolschewiki im Jahr 1917, als sie daran arbeiteten, die Unterstützung der Mehrheit für “Alle Macht den Sowjets” und sozialistische Ideen aufzubauen.

Wir wissen, dass keine Massenbewegung “rein“ ist oder sich geradlinig entwickelt. Wirtschaftliche und soziale Forderungen, die die Massen artikulieren, können sie dazu bringen, einen Bewusstseinssprung zu machen, um die Begrenztheit des Kapitalismus und die Unfähigkeit, dauerhafte Lösungen innerhalb der Grenzen des Kapitalismus zu erreichen, zu erkennen. Aber sozialistische und linke Organisationen, einschließlich der Gewerkschaften, müssen die Diskussionen darüber offen und mutig führen und die notwendigen konkreten Schritte vorschlagen, die unternommen werden müssen. So können wir daran arbeiten, das Vertrauen der Massen in sozialistische Ideen zu stärken. Die Massen suchen nach einer Alternative. Wir müssen klar machen, dass die Alternative eine sozialistische ist.

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