Syrien: Die Assad-Diktatur ist Geschichte

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Aber unabhängige Arbeiter*innenorganisationen sind notwendig, um für eine sozialistische Demokratie zu kämpfen

Millionen Syrer*innen reagierten mit Erstaunen und Freude auf die Nachricht, dass das fünf Jahrzehnte währende despotische Regime der Familie Assad zusammengebrochen war. Präsident Bashir al-Assad und vor ihm sein Vater Hafez al-Assad plünderten das Land, um sich und ihre Gefolgsleute zu bereichern, und regierten mit Terror und Unterdrückung.

von Judy Beishon, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale

Die Welt schaute ungläubig zu, wie Aleppo dem Regime aus den Händen fiel, gefolgt von Hama, Homs und dem großen Finale, Damaskus, innerhalb von nur einer Woche. Die Militäroffensive, die das Regime zu Fall brachte, wurde von einer Reihe von Milizen an drei Hauptfronten durchgeführt: im Norden, Süden und Osten. Es gab ergreifende Szenen, als die Gefängnisse gewaltsam geöffnet wurden und benommene, lange inhaftierte Gefangene aus den höllischen Bedingungen auf die Straßen kamen, was den Sturz des verhassten Regimes versinnbildlichte.

Obwohl Assads Sturz durch eine bewaffnete Offensive herbeigeführt wurde, war der Erfolg dieser Offensive auf die mangelnde Unterstützung des Regimes durch den Teil der Bevölkerung zurückzuführen, auf den es sich hauptsächlich stützte, nämlich die muslimische Minderheit der Alawiten, sowie auf die seit langem bestehende, uneingeschränkte Opposition der sunnitischen muslimischen Mehrheit Syriens und vieler anderer. Auf den Straßen kam es zu Elementen eines Volksaufstands, als klar wurde, dass das Regime wichtige Städte verlor und vor allem, als es nicht mehr überlebensfähig war. Statuen und Bilder von Assad wurden zerstört und in den Präsidentenpalast wurde eingebrochen, neben anderen Zeichen der Freude und der neuen Freiheit.

Die Moral und der Kampfeswille in Assads Armee, zu der auch Wehrpflichtige gehörten, waren zusammengebrochen. Die einfachen Militärangehörigen waren durch die jahrelangen Kämpfe zermürbt und durch die Hungerlöhne und die finanzielle Notlage ihrer Familien und lokalen Gemeinschaften zur Verzweiflung getrieben worden. Eine von Assad in letzter Minute angeordnete Verdoppelung ihrer Gehälter war zu wenig und kam zu spät.

Die durch den Bürgerkrieg zerstörte und durch westliche Sanktionen geschwächte Wirtschaft Syriens stürzte im vergangenen Jahr in eine noch größere Krise, und das syrische Pfund fiel gegenüber dem US-Dollar um 80 Prozent auf den niedrigsten Stand aller Zeiten. Die Inflation erreichte 60 Prozent, was dazu führte, dass sich die meisten Menschen nicht einmal das Nötigste leisten konnten – 42 Prozent waren arbeitslos und 90 Prozent lebten unterhalb der Armutsgrenze –, während Familien wie die Assads als Dollarmilliardäre in großem Luxus lebten, wovon die Sammlung teurer Autos im Präsidentenpalast zeugt. Die alawitische Minderheit war von Assads herrschender Elite während des Bürgerkriegs darüber aufgeklärt worden, dass ihre Existenz von dieser Elite abhinge, aber sie, wie auch andere Teile der Gesellschaft in den vom Regime kontrollierten Gebieten, hatten im Bürgerkrieg enorme Verluste an Menschenleben erlitten, und wofür? Die Entbehrungen und der Kampf ums Überleben wurden immer schlimmer.

Die Wut der Alawiten auf das Assad-Regime hatte sich der Wut der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit angenähert, die während des Bürgerkriegs, der nach dem Aufstand von 2011 ausbrach, bei weitem am meisten gelitten hatte. In diesem Jahr kam es zu den Aufständen des „Arabischen Frühlings“, die den Nahen Osten erfassten und viele Syrer*innen dazu inspirierten, sich gegen die herrschende Autokratie in ihrem eigenen Land zu erheben. Baschar al-Assad setzte die gesamte Macht des staatlichen Militärapparats, einschließlich chemischer Waffen, gegen die Zentren des Aufstands ein und verschärfte Massenverhaftungen, Folter und Morde. Der Bürgerkrieg flaute in den 13 Jahren danach zeitweise ab und flammte dann wieder auf und forderte schätzungsweise eine halbe Million Tote, viele davon durch barbarische Angriffe auf Wohngebiete durch Assads Truppen und seine ausländischen Verbündeten – insbesondere durch die Luftunterstützung, die Putins Russland ab 2015 leistete. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wurde vertrieben, 13 Millionen Menschen, von denen sechs Millionen ins Ausland flohen.

Endoffensive

Die führende Miliz in der Offensive, die dem Regime den Rest gab, war die islamistische Organisation Hayat Tahrir-al Shams (HTS), die mit von der Türkei unterstützten Milizen der Syrischen Nationalarmee (SNA) zusammenarbeitete. Außerdem gab es einen Vorstoß in Richtung Damaskus aus dem Süden durch eine neu gebildete Koordinierungsstelle namens „Southern Operations room“. Zu letzterer gehörten Angehörige der ehemaligen Freien Syrischen Armee (FSA), darunter auch Angehörige drusischer Gemeinschaften.

Sowohl HTS als auch SNA kontrollieren seit einigen Jahren Gebiete im Norden Syriens, und ein treibender Faktor für ihre Offensive war, dass Assads Truppen in den Wochen zuvor Teile dieser Gebiete brutal beschossen hatten. Dies und der Zustrom von etwa einer halben Million Flüchtlingen aus dem Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon verschärften die bereits schlechten Bedingungen für die Millionen von Menschen in Nordsyrien enorm.

Ein weiterer wahrscheinlicher Faktor für den Zeitpunkt der Offensive und ein sehr wichtiger Faktor für ihren Erfolg war die Schwächung der ausländischen Verbündeten Assads aufgrund der anderen Kriege, die stattgefunden haben: die Hisbollah im Libanon und ihr Sponsor Iran durch Israel sowie Putins Russland durch den vorrangigen Einsatz militärischer Ressourcen im Ukraine-Krieg. Assad konnte sich in den letzten 13 Jahren nur dank der umfangreichen militärischen Hilfe Russlands, des Iran und der Hisbollah an der Macht halten, und diese anderen Kriege hatten dazu geführt, dass diese Unterstützer diesmal nicht in der Lage waren, ausreichende Unterstützung zu leisten. Mit dem Ziel, das syrische Regime zu retten, führte Putins Russland zusammen mit der syrischen Luftwaffe einige brutale Bombardierungen in und um Idlib und Aleppo durch, aber der Einsatz militärischer Ressourcen in der Ukraine schränkte Putins Bereitschaft ein. Insgesamt boten also die letzten 14 Monate des Krieges zwischen Israel und der Hisbollah, der durch den Krieg im Gazastreifen ausgelöst wurde, zusammen mit dem Ukrainekrieg HTS die Möglichkeit, eine Offensive gegen Assad anzuführen.

Kapitalistische Interessen

Nach dem anfänglichen Schock über die Geschwindigkeit der Ereignisse und die unerwartete Wendung beeilten sich die globalen und regionalen kapitalistischen Mächte, scheinheilig eine neue demokratische Zukunft für die Syrer*innen zu fordern. Aber sie alle überlegten ausnahmslos, wie sie ihre eigenen Interessen am besten durchsetzen könnten. Einige nutzten die Umbruch- und Übergangszeit schnell, um ihre militärischen Interventionen zu verstärken: Israel eroberte weitere Teile der besetzten Golanhöhen und bombardierte Militäranlagen in ganz Syrien; die US-Streitkräfte intensivierten die Bombardierung von Gebieten, in denen die Streitkräfte des Islamischen Staates (IS) dominieren; und die Türkei führte zusammen mit der SNA eine weitere Welle militärischer Angriffe gegen Kurd*innen im Norden Syriens durch.

Es gibt keine ausländische Macht, der die einfachen Syrer*innen vertrauen können, außer der Solidarität der Arbeiter*innenklasse auf internationaler Ebene, die sich wie die Arbeiter*innen und Armen in Syrien dem gleichen Klassenkampf gegen die Interessen der kapitalistischen und imperialistischen herrschenden Eliten stellen muss. Die Gerede dieser Eliten über die Hoffnung auf „Demokratie“ in Syrien ist angesichts ihrer anhaltenden Unterstützung für ihre Verbündeten, die Ägypten, Saudi-Arabien und andere diktatorische Regime regieren, schlicht gelogen.

Der plötzliche Sturz von Assad markiert den Beginn einer neuen Ära in Syrien, in der sich die syrischen Arbeiter*innen unabhängig von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit für ihre eigenen Interessen organisieren müssen, um eine Zukunft frei von Unterdrückung und Ausbeutung zu sichern. Sie können keiner der prokapitalistischen Milizen vertrauen, auch nicht der HTS, einer Organisation, die auf einem rechtsgerichteten politischen sunnitischen Islam basiert und seit 2017 mit ihrer ,Heilsregierung’ die syrische Provinz Idlib auf autoritäre Weise regiert.

HTS war ursprünglich Jabhat al-Nusra, ein Zweig von Al-Qaida, aber seine Gründer spalteten sich 2016 von Al-Qaida ab und sagten sich von der Ideologie, der globalen Ausrichtung und den durch und durch terroristischen Methoden von Al-Qaida los. Der Anführer von HTS, Ahmed al-Sharaa (auch bekannt als Abu Mohammad al-Jolani), ist sehr daran interessiert, von den westlichen Mächten akzeptiert zu werden, und hat versucht, dem westlichen Imperialismus zu versichern, dass er nicht mehr „antiwestlich“ ist. Für die syrischen Massen bietet HTS jedoch keine Alternative zum verfaulenden, ausbeuterischen Kapitalismus. Die Ideologie und die schrecklichen Methoden von Al-Qaida sind für Syrer*innen sicherlich kein Weg nach vorne, aber auch der Blick auf die westlichen Mächte ist kein Weg in eine menschenwürdige Zukunft. Diese Mächte werden sich nur um ihre eigenen Interessen kümmern, wie all ihre Interventionen im Nahen Osten und anderswo gezeigt haben.

Es gibt auch keine Lösung für das massive Ausmaß der Armut auf der Grundlage des verfallenden kapitalistischen Systems in Syrien. Doch sobald Assad abgesetzt war, bat HTS den von Assad ernannten Premierminister, das weitere Funktionieren des kapitalistischen Staatsapparats und der Institutionen sicherzustellen, und einige Tage später ernannte HTS den Chef seines eigenen Ministaats in Idlib, Mohammad al-Bashir, zum neuen nationalen Premierminister; und die ersten Minister, die für al-Bashirs Regierung ernannt wurden, kamen alle von HTS. Unterdessen wurde führenden Wirtschaftsvertreter*innen versichert, dass das neue Regime auf einer freien Marktwirtschaft und Wettbewerb basieren und sich auf eine Weise in die Weltwirtschaft integrieren würde, wie es Assad abgelehnt hatte (Reuters 10.12.24).

Die genaue Natur eines von HTS geführten Regimes ist in diesem frühen Stadium ungewiss, einschließlich der Frage, ob es in Richtung einer stark ausgeprägten, konservativen islamistischen Herrschaft tendieren wird. Insgesamt überwacht es den Regierungswechsel zu einer anderen Gruppe nicht gewählter Personen, um die Art und Weise, wie die Gesellschaft gesteuert wird, zu ändern, aber nicht, um die Schrecken des Kapitalismus zu beseitigen, wie es nur eine sozialistische Transformation könnte.

Dies ist keine Überraschung, da die syrischen Arbeiter*innen noch keine eigene Massenpartei aufgebaut haben, die die Macht übernehmen, den Kapitalismus beseitigen und den dringend benötigten demokratischen Sozialismus einführen kann. In der Zwischenzeit wird es zweifellos einige Illusionen in Gruppen wie HTS und andere prokapitalistische Organisationen geben, die sich gegen die Assad-Dynastie stellten, weil sie die Speerspitze bei der Absetzung Assads bildeten und Veränderungen versprachen. Viele Angehörige der Minderheiten in Syrien begrüßten das Versprechen der HTS, ihre Existenz und ihre Rechte zu respektieren, und Wehrpflichtige, die in Assads Militärapparat gekämpft hatten, begrüßten die Amnestieerklärung der HTS für sie. HTS und die anderen siegreichen Milizen haben aus dem Debakel im Irak gelernt, wo die von den USA angeführten Invasionstruppen nach dem Sturz von Saddam Hussein etwa 50.000 „baathistische Beamte“ und viele irakische Armeeoffiziere entließen, was zu enormen Ressentiments führte. Dies führte dazu, dass sich viele der Entlassenen den mächtigen Oppositionsmilizen anschlossen und militärisches Fachwissen einbrachten.

Die Zusicherungen von HTS an Minderheiten, Beamte und Wehrpflichtige waren wichtig, um einen fast unblutigen Sturz des Assad-Regimes zu gewährleisten, aber aufgrund der kapitalistischen Wirtschaftskrise werden die Spannungen zwischen den vielen verschiedenen ethnischen und religiösen Bevölkerungsgruppen über die Verteilung der Ressourcen unweigerlich zunehmen. Solche Spannungen können sowohl von aufstrebenden Kriegsherren als auch von ausländischen Interventionen weiter angeheizt und ausgenutzt werden, was auf die Gefahr einer Spirale in weitere konfessionsbasierte Konflikte hindeutet. Die Ausbildungslager des Islamischen Staates (IS) stellen ebenfalls weiterhin eine Gefahr dar – bis eine Massenbewegung von Arbeiter*innen aufgebaut ist, die eine starke Alternative zu seiner reaktionären Ideologie darstellen kann.

Nein zu ausländischer Intervention!

Ausländische Mächte werden versuchen, die verschiedenen Konfliktparteien zu unterstützen, wie sie es bereits während des Bürgerkriegs in Syrien und auch anderswo in der Region getan haben. Die Türkei unter Präsident Erdoğan führt Krieg gegen die autonomen, derzeit von den USA unterstützten kurdischen Gebiete in Nordsyrien und die von Kurden geführte militärische Dachorganisation, die Syrian Democratic Forces (SDF), was eine Ergänzung der Militäroperationen gegen die Kurden in der Türkei darstellt. Im Rahmen dieses Krieges hat die Türkei über ihren Stellvertreter SNA zwei Gebietsstreifen im Norden Syriens effektiv besetzt.

Erdoğan hat sich zeitweise um Abkommen mit Assad bemüht, aber in diesem Fall sah er es als im Interesse der türkischen Kapita­list*innen und seines Regimes an, die Offensive der HTS zu billigen. Die Türkei kontrolliert die HTS zwar nicht – wie die USA, das Vereinigte Königreich und die EU bezeichnet sie die HTS als „terroristisch“ –, aber die Versorgungskanäle für die HTS mussten über die Türkei laufen. Das Erdoğan-Regime hatte wahrscheinlich anfangs nicht damit gerechnet, dass das Assad-Regime vollständig zusammenbrechen würde, hofft nun aber, dass die Türkei durch ihre Unterstützung der erfolgreichen Seite als stärkster ausländischer Akteur mit Bodentruppen in Syrien politisch und wirtschaftlich hervorgeht und dass der Einfluss der Türkei in der gesamten Region gestärkt wird.

Dieses Szenario wird von den Kurd*innen in Syrien verständlicherweise als große Bedrohung angesehen, ist aber alles andere als sicher. Ein Kommentator der International Crisis Group wies darauf hin, dass HTS nun, da es Zugang zur gesamten Staatsmacht Syriens hat, weniger auf die Hilfe der Türkei angewiesen sein wird und dass HTS im Interesse der Stabilität zumindest vorerst eine fortgesetzte Autonomie der Kurd*innen Syriens im Nordosten tolerieren könnte – ein Gebiet, das die Kurd*innen beim Zusammenbruch des Assad-Regimes erweitert haben – gegen den Willen der Türkei.

Auf jeden Fall wird Erdoğan hoffen, dass einige der 3,7 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei in ihr Heimatland zurückkehren, obwohl es möglich ist, dass viele aus Sorge vor einem neuen Bürgerkrieg abwarten wollen. Einige europäische Regierungen haben im Übrigen mit unverschämter Eile die Bearbeitung von Asylanträgen von Syrer*innen ausgesetzt, wodurch diese Asylsuchenden in einer weiteren beunruhigenden Ungewissheit zurückgelassen wurden. Selbst wenn einige der syrischen Flüchtlinge glauben, dass sie sicher nach Hause zurückkehren können, bedeutet das nicht, dass sie ein Zuhause haben, in das sie zurückkehren können, und dass ihre Existenzgrundlage nicht durch den Krieg zerstört wurde. Darüber hinaus sind zwar bereits einige syrische Flüchtlinge zurückgekehrt, aber es gibt auch einen Strom neuer Flüchtlinge, sowohl von Minderheiten, die Angst vor der Zukunft haben, als auch von Menschen, die befürchten, zu sehr mit dem gestürzten Assad-Regime in Verbindung gebracht zu werden.

Die USA haben 900 Soldat*innen in Syrien im kurdischen Nordosten stationiert, die dort verblieben sind, nachdem sie zur Bekämpfung der Ausbreitung des IS entsandt worden waren. US-Präsident Trump gab jedoch 2019 überraschend bekannt, dass sie in Wirklichkeit dort zurückgehalten wurden, um das in dieser Region produzierte Öl zum Nutzen der USA „zu behalten“. Nun, kurz vor Beginn seiner zweiten Amtszeit, wird Trump in Bezug auf Syrien vor unmittelbaren Dilemmata stehen. Einerseits möchte er an seiner Äußerung festhalten, dass der Syrienkonflikt „nicht unser Kampf“ sei, die er am Tag des Falls von Damaskus gemacht hat, andererseits muss er Entscheidungen über die dort stationierten US-Truppen treffen.

Nach der Schwächung der von Iran angeführten „Widerstandsachse“ aufgrund der schweren Schläge, die Israel der Hamas und der Hisbollah zugefügt hat, ist der Verlust des Verbündeten des Iran in Syrien, des Assad-Regimes, ein weiterer schwerer Schlag für die herrschende Theokratie des Iran. Als das Ende dieses Verbündeten offensichtlich wurde, befahl der Iran hastig und demütigend seinem Personal, Syrien zu verlassen, und zog damit einen Schlussstrich unter das Scheitern nicht nur seines direkten militärischen Einsatzes, sondern auch der anderen schiitisch-muslimischen Kampfeinheiten, die er aus den Nachbarländern, darunter dem Irak, dorthin geschickt hatte. Die Hisbollah im Libanon hat durch den Krieg Israels gegen sie, insbesondere im Oktober und November 2024, einen schweren Rückschlag erlitten und erheblichen Schaden genommen. Dass sie anschließend nicht in der Lage war, das Assad-Regime zu stützen, trug nur zu ihren Rückschlägen bei.

Der Sturz Assads ist auch ein Schlag gegen die Interessen Russlands, nicht zuletzt, weil Putin und Co. ihren in Syrien gelegenen Marine- und Luftwaffenstützpunkt als sehr wichtig erachten. Syrien nimmt im Nahen Osten eine geografisch zentrale Position ein, da es an die Türkei, Israel, Jordanien, den Irak und den Libanon grenzt. Sowohl der Iran als auch Russland werden sich ansehen, mit welchen Gruppen sie in Syrien Verbindungen suchen können, um dort einen gewissen Einfluss zu behalten.

Auch in den sunnitisch-arabischen Golfstaaten ist der Sturz von Assad nicht besonders willkommen. Sie hatten erst letztes Jahr Assads Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen und fürchten nun, wie auch die westlichen Mächte, die Möglichkeit einer unberechenbaren Regierung in Syrien. In einem Leitartikel der Financial Times wurde dies zum Ausdruck gebracht: „Um die Chance auf ein hoffnungsvolleres Syrien zu ergreifen, müssen diejenigen, die Einfluss auf Jolani haben – die Türkei und vielleicht auch Katar – dafür sorgen, dass er die Regierung des Landes einer zivilen Verwaltung überlässt, die die Vielzahl der Religionsgemeinschaften Syriens widerspiegelt. Dies sollte es arabischen und westlichen Regierungen, die HTS als terroristische Organisation einstufen, ermöglichen, mit der Regierung zusammenzuarbeiten“ (9.12.24). Das „hoffnungsvollere Syrien“, auf das Bezug genommen wird, wäre für die Interessen des westlichen Imperialismus hoffnungsvoller, nicht für die Syrer*innen.

Die israelische Regierung betrachtete das Assad-Regime als Feind und Teil der „Achse des Widerstands“, aber gleichzeitig sah der israelische Premierminister Netanjahu es als „den Teufel, den man kennt, im Gegensatz zum Teufel, den man nicht kennt“. Die Ablösung des relativ vorhersehbaren Assad-Regimes durch eine unberechenbare islamistisch geführte Regierung ist für die israelische Führung ein großes Problem.

Sozialistische Sichtweise

Einige linke Organisationen weltweit beklagen den Verlust des Assad-Regimes und betrachten es als das kleinere Übel im Vergleich zu einem Regime, das von einer Organisation wie HTS geführt werden könnte, die auf einem rechtsgerichteten politischen Islam basiert. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sie das Assad-Regime als antiimperialistisch betrachten und nun befürchten, dass sein Sturz dem westlichen Imperialismus zugutekommen wird. Es stimmt, dass das Baath-Regime Anfang der 1960er Jahre mit sozialistischer Phraseologie die Banken und die wichtigsten Industrien verstaatlichte und die staatliche Kontrolle über die Wirtschaft übernahm. Der Vater von Bashar Assad führte jedoch den Militärputsch von 1970 an, der das Ende dieser Ära markierte, während er sich in der Zeit vor dem Zusammenbruch des Stalinismus weiterhin auf die stalinistische Bürokratie in der Sowjetunion stützte, um Hilfe und Handel zu erhalten.

Marxist*innen lehnen Imperialismus ab, raten aber den Arbeiter*innen nicht, den Kampf gegen repressive und pro-kapitalistische Regime aufzugeben, nur weil diese Regime mit einigen imperialistischen Mächten in Konflikt stehen. Tatsächlich ist eine sozialistische Revolution der effektivste Weg, sich dem Imperialismus zu widersetzen.

Auch hätte die Baath-Einparteienherrschaft in Syrien, die zunehmend unter der Kontrolle einer Familie steht, nicht aus Gründen der Verteidigung des Säkularismus unterstützt werden dürfen. Das Assad-Regime wahrte zwar formal den Anschein der Säkularität, stützte sich aber gleichzeitig auf Teile der Bevölkerung. Sozialist*innen fordern säkulare Staaten, die Meinungs- und Religionsfreiheit zulassen, aber unter der Herrschaft der Assads wurden alle Ansichten oder Überzeugungen, die als Bedrohung für das Regime angesehen wurden, vom Militärapparat und dem Geheimdienst mit harter Hand unterdrückt. Syrien war nie eine sozialistische Demokratie, was jedoch unerlässlich gewesen wäre, wenn die Gewinne aus der Verstaatlichung der Industrie zum Wohle der gesamten Bevölkerung genutzt werden sollten. Als die Wirtschaft schließlich in eine Krise geriet (teilweise aufgrund westlicher Sanktionen, die vor allem die Ärmsten trafen), griff das Regime auf die Kürzung von Subventionen für Grundnahrungsmittel, die Senkung der Löhne im öffentlichen Sektor, die Kürzung öffentlicher Dienstleistungen und die Privatisierung staatlicher Unternehmen zurück – und übergab sie der reichen Elite an der Spitze und ihren ausländischen Geldgebern.

Syrien steht nun vor der Frage, die sich immer dann stellt, wenn eine Regierung oder ein Regime gestürzt wird, nämlich: Was soll an ihre Stelle treten? Sozialist*innen verurteilen das Assad-Regime, können aber auch kein künftiges Regime unterstützen, das von einem rechten politischen Islam oder einer anderen Form kapitalistischer Herrschaft geführt wird. Man sollte keinem der lokalen oder regionalen kapitalistischen oder aufstrebenden kapitalistischen Führer*innen vertrauen, die einen Kurs der Profitmacherei für die Oberschicht oder eine politische Karriere im Dienste kapitalistischer Interessen verfolgen wollen – oft auf der Grundlage von „Teile und herrsche“, indem sie sich als Verteidiger*innen und Förderer*innen der einen oder anderen Bevölkerungsgruppe ausgeben.

Der jahrelange Bürgerkrieg hat zu massiven Vertreibungen geführt, aber Millionen Syrer*innen wollen in ihre Heimatgebiete zurückkehren, von denen die meisten historisch gesehen ethnisch und religiös gemischt waren. Christ*innen, Muslim*innen, Kurd*innen, Alawit*innen, Drus*innen, Turkmen*innen, Ismailit*innen und viele andere – einfache Menschen in ganz Syrien haben genug vom Krieg, haben kein Interesse am Krieg und sehnen sich nach Sicherheit und Frieden. Um dies zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung, sich auf lokaler Ebene demokratisch und unabhängig von allen prokapitalistischen Interessen zu organisieren.

Lehren aus dem Arabischen Frühling 2011 und den Protesten, die seither in Syrien stattgefunden haben – darunter einige in vom Regime kontrollierten Gebieten gegen das Assad-Regime und einige in der Provinz Idlib gegen die „Heilsregierung“ der HTC – wurden gezogen. Nach einer Kürzung der Treibstoffsubventionen durch Assads Regierung kam es Ende August letzten Jahres zu einer Welle von Protesten, insbesondere in der südlichen Provinz Suwayda, wo die drusische Minderheit konzentriert ist, und man forderte den Sturz der Regierung. Tausende von Demonstrierenden blockierten die Straße nach Damaskus und stürmten ein örtliches Büro der Baath-Partei. Ein Generalstreik brach aus und breitete sich auf Deraa aus, die Stadt, in der der Aufstand von 2011 begonnen hatte (Financial Times, 28.8.2023).

Auch politische Oppositionsnetzwerke wurden organisiert, hauptsächlich online, um der Unterdrückung zu entgehen, wie die „Bewegung des 10. August“, die im August 2023 gegründet wurde und Forderungen wie einen höheren Mindestlohn und die Freilassung politischer Gefangener stellte und die Idee eines friedlichen, konfessionsübergreifenden Widerstands gegen das Assad-Regime förderte.

Eine überkonfessionelle Organisation ist definitiv unerlässlich. Während Sozialist*innen das Recht auf Selbstbestimmung für unterdrückte Nationalitäten und Minderheiten verteidigen, wäre eine Aufteilung Syriens auf der Grundlage ethnischer Konflikte und „Säuberungen“ eine Katastrophe für die gesamte Bevölkerung. Was das Wort „friedlich“ betrifft, so wäre es ein Fehler, wenn es eine pazifistische Position unter allen Umständen bedeuten würde. Die Menschen der Arbeiter*innenklasse müssen dringend demokratisch kontrollierte Verteidigungsorganisationen aufbauen, die bewaffnet sein müssen, um über praktische Verteidigungsmittel in einem Land zu verfügen, in dem lokale Anführer von Milizen versuchen werden, Angriffe durchzuführen, und eine neu gebildete kapitalistische Regierung versuchen wird, eine staatliche Militärmacht wieder aufzubauen, die Opposition und Dissens unterdrücken kann.

Syrien steht am Anfang einer Reise, auf der sich neue Formationen entwickeln und bestehende Gruppen schwächen können. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass ohne eine sich organisierende und zum Kampf gegen den Kapitalismus und für eine Arbeiter*innendemokratie bereite Arbeiter*innenklasse eine neue Diktatur entstehen kann, wie wir es vor einem Jahrzehnt in Ägypten gesehen haben, oder dass für eine gewisse Zeit große Instabilität und Unordnung herrschen können, wie im Irak und in Libyen.

Arbeiter*innenorganisationen müssen ein politisches Programm diskutieren und debattieren, das auf vollen demokratischen Rechten besteht, einschließlich des Rechts zu demonstrieren, zu streiken und sich zu organisieren, sowie Garantien für Frauen- und Minderheitenrechte. Sie müssen jede Aussicht auf eine Staatsmacht in den Händen einer bestimmten prokapitalistischen Konfession oder Ethnie in der Gesellschaft – ob HTS oder andere – oder einer prokapitalistischen Regierung von sogenannten „Expert*innen“ oder Technokrat*innen oder einer Regierung der sogenannten „nationalen Einheit“ ablehnen.

Die einzige akzeptable Regierung ist eine, die sich aus Vertreter*innen der Arbeiter*innenklasse in jeder Ortschaft zusammensetzt – Vertreter*innen, die gewählt werden und jederzeit von denen, die sie gewählt haben, abberufen und ersetzt werden können. Nur so kann eine Politik im Interesse der überwältigenden Mehrheit der Gesellschaft umgesetzt werden, anstatt eine Politik, die hoffnungslos auf den Aufbau einer erfolgreichen kapitalistischen Wirtschaft abzielt – in einer Welt, in der der Kapitalismus als System in einem fauligen Verfall begriffen ist – und mit dem Irrglauben, dass die Profite der Kapitalist*innen zu den Massen durchsickern werden.

Während die Arbeiter*innen und Armen in Syrien ihre Forderungen diskutieren und debattieren, müssen sie ihre eigene Massenpartei aufbauen, die dafür sorgen kann, dass diese Forderungen erfüllt werden. Nur ein Programm, das darauf basiert, das System, das Armut, Ungleichheit und Krieg verursacht, zu beseitigen und es durch eine demokratische sozialistische Gesellschaft zu ersetzen, die auf dem öffentlichen Eigentum an natürlichen Ressourcen, Industrie und Dienstleistungen und sozialistischer Wirtschaftsplanung basiert, wird es allen Menschen ermöglichen, das zu haben, was sie für ein menschenwürdiges Leben benötigen. Der Baathismus war einst ein Beispiel für eine abscheuliche, verzerrte Form der Planwirtschaft und hat mit seiner zynischen Fassade aus antiimperialistischer und linker Rhetorik den Begriff Sozialismus beschmutzt. Die Aufgabe, die in Syrien vor uns liegt, besteht darin, das Bewusstsein dafür zu schärfen, was echter Sozialismus bedeutet, und eine klassenbasierte Kraft aufzubauen, die ihn verwirklichen kann.