Die Krise in der Automobilindustrie ist kapitalismusgemacht
Die Automobilindustrie bildet das Herzstück des deutschen Kapitals – und befindet sich in einer historisch beispiellosen Krise. Mercedes berichtet von massiven Absatzeinbrüchen, BMW meldet Rekordverluste und VW hat angekündigt, hierzulande gleich drei von zehn Werken schließen und damit zehntausende Stellen abbauen zu wollen. Grund hierfür sei vor allem die Konkurrenz aus China, die den internationalen Markt mit billigen E-Autos flutet. Außerdem habe man in Deutschland zu lange am Verbrenner festgehalten und die Energiewende daher gehörig verschlafen, wie man etwa auf tagesschau.de lesen kann.
von Peter Klingel, Berlin
Zunächst einmal muss man klarstellen: Der Grund für die Krise der deutschen Autoindustrie ist weniger im Umstieg auf E-Mobilität als vielmehr in der Funktionslogik des globalen Kapitalismus zu finden. Global sind die Produktionskapazitäten für Automobile größer als deren Markt. Wenn sich dieses ohnehin bestehende Missverhältnis über einen längeren Zeitraum hinweg verschärft, etwa wenn es, wie in den letzten Jahren der Fall, aufgrund sinkender Kaufkraft weniger Nachfrage nach Neuwagen besteht, entstehen für das Kapital nicht mehr handhabbare Überkapazitäten: Die produzierten Autos bleiben liegen und die Produktionsstätten können immer weniger ausgelastet werden. Beides führt zu sinkenden Profiten. Solche Krisen werden im Kapitalismus mit der massenhaften Vernichtung von Arbeitsplätzen und Standortschließungen beantwortet.
So war es auch schon während der globalen Wirtschaftskrise 2008/2009, die vor allem die US-Autoindustrie schwer getroffen hat. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg verloren 400.000 Amerikaner*innen ihren Job. Im Zuge des anschließenden Branchen-Booms fand dann eine massive Verschiebung der Entwicklung und Produktion in asiatische Länder statt. Diese hatte sich zwar bereits vorher angekündigt – unter anderem haben auch deutsche Firmen bereits vorher angefangen, vermehrt in Asien zu produzieren –, nahm jetzt aber enorm an Fahrt auf. Hier sind die Löhne niedriger und die Arbeiter*innen haben weniger Rechte als in den westlichen Produktionszentren. Der Umstand, dass es jetzt gerade Fahrzeuge aus China sind, die zunehmend den Markt dominieren, hat hier seine Wurzeln.
Systemische Ursache
Mit anderen Worten: Die aktuelle historische Krise ist zu einem Großteil auch das Ergebnis der letzten historischen Krise. Wenn wir diese dem Kapitalismus eigene Krisenlogik verstehen, dann können wir erkennen, dass es für einen endgültigen Ausweg aus dem Dauerkrisenmodus andere Lösungen braucht, als diejenigen, die jetzt gerade diskutiert werden, wie zum Beispiel die Umstellung auf E-Mobilität.
Gerade mit Blick auf Arbeitsplatzsicherheit ist dies zum Beispiel eine echte Scheindebatte. So berichtet etwa tagesschau.de, dass ein solcher Umbau aufgrund der niedrigeren Personalanforderungen in der Herstellung in den kommenden zehn Jahren knapp 140.000 Arbeitsplätze in der Autobranche zur Folge haben würde, was ca. 15 Prozent aller derzeitigen Stellen entspricht.
Und selbst aus ökologischer Sicht wäre die Umstellung nicht sinnvoll, verursacht doch allein die Herstellung von Batterien für E-Autos so beträchtliche Emissionen, dass sich ein Neuwagen erst nach zehntausenden von Kilometern rechnet. Und das unter der Voraussetzung, dass der Strom, der das Auto am Laufen hält, überwiegend Ökostrom ist, was angesichts der deutschen Energielandschaft natürlich auf Jahre hinweg nicht der Fall sein wird. Hinzukommen die Emissionen aus dem Abbau von Lithium in Südamerika und Kobalt in Afrika. Kurzum: Klimafreundlich sieht anders aus.
Dies alles bedeutet nicht, dass eine Abkehr vom Verbrenner nicht notwendig ist. Es geht bei diesen Einwänden einzig darum, zu zeigen, dass mit solchen Scheinlösungen langfristig niemandem gedient sein wird, außer den Konzernen, die weiterhin ihre Profite steigern können.
Was es braucht, damit wir ein für allemal aus der Dauerkrise namens Kapitalismus herauszukommen, ist ein System, in dem die Produktion an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt ausgerichtet ist, anstatt darauf, einzelne Kapitalisten immer reicher zu machen. Mit Blick auf Mobilität hätte dies konkret die weitgehende Abkehr vom Individualverkehr zufolge.
Wir brauchen eine sozialistische Verkehrswende
Es ist stattdessen Zeit für eine sozialistische Verkehrswende – mit massiven Investitionen in Bus und Bahn, Nahverkehr zum Nulltarif und erschwinglichen Ticketpreisen im Regional- und Fernverkehr. Das Geld, um ein solches Projekt zu finanzieren, müssen wir uns von den Superreichen holen. Wenn wir die Kapitalisten enteignen, die Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten überführen und ihre angesammelten Gewinne und Produktionskapazitäten endlich im Interesse der Bevölkerung nutzen würden, dann wäre eine solche Verkehrswende und die Rettung aller Arbeitsplätze ohne Verzicht (durch Produktionsumstellung) möglich.