
Mit kämpferischer Politik und demokratischer Einbeziehung der Mitglieder die neue Dynamik nutzen
Zur Bundestagswahl zeigten Stimmzuwächse und Mitgliederentwicklung bei der Partei Die Linke steil nach oben. Sie gewann mit 8,8 Prozent zwei Millionen Stimmen mehr als 2021 und holte sechs Direktmandate in Berlin, Erfurt und Leipzig. Zehntausende neue Mitglieder sind in den Wochen vor der Wahl eingetreten. Das bietet eine riesige Chance, eine starke sozialistische Opposition aufzubauen. Es muss aber auch aus den Fehlern, die die Partei in die Krise stürzten, gelernt werden.
Von Michael Koschitzki und Sascha Staničić, Linke-Mitglieder in Berlin
SPD und Grünen hatten in diesem Wahlkampf auf das sonst so übliche Links-Blinken weitgehend verzichtet und sich stattdessen im Rahmen der sogenannten Migrationsdebatte daran beteiligt, Migrant*innen zu Sündenböcken für gesellschaftliche Missstände zu machen, die sie selbst zu verantworten haben.
Da alle nach rechts gegangen sind, war Die Linke die einzige Kraft, die in den rassistischen Chor nicht einstimmte und wurde zum einzigen Angebot für soziale Politik. Während die Parteiführungen sich in der Vergangenheit vor Wahlen an SPD und Grüne angebiedert hatten, wurde diesmal mit dem Slogan „Alle wollen regieren, wir wollen verändern“ ein klarer Oppositionswahlkampf geführt. Das ist gut und ein Geheimnis des Erfolgs. So konnte die Existenzkrise zu einer Wiederaufbau-Dynamik führen. Die Tatsache, dass die Partei vor dem Aus stand, führte zusammen mit der Angst vor einem Durchmarsch der AfD zur Mobilisierung für Die Linke.
Guter Wahlkampf
Daran konnte ein glaubwürdiger Wahlkampf ansetzen, in dem die Partei klar gegen die Reichen auftrat und soziale Themen in den Mittelpunkt stellte. Auch konkrete Hilfsangebote, wie der Heizkostenrechner und ein besserer Auftritt in den sozialen Medien spielten eine Rolle bei dem Wahlerfolg, vor allem aber die massenhafte Mobilisierung tausender Mitglieder und Unterstützer*innen im Haustürwahlkampf.
Doch das wirklich Entscheidende dahinter war eine oppositionelle und auf die Interessen der Arbeiter*innenklasse ausgerichtete Botschaft. Das kam an.
Die Partei erneuern
Das alles bedeutet nun eine große Chance, aus den Millionen Stimmen, den 64 Bundestagsmandaten und tausenden neuen Mitgliedern eine politische Kraft zu entwickeln. Dazu haben wir Vorschläge (siehe unten) erarbeitet und darauf hingewiesen, dass ein politischer Kurswechsel im Vergleich zur Ausrichtung der letzten Jahre nötig ist. Denn unterm Strich war es die Anpassung an SPD und Grüne, die Wahrnehmung als Teil des politischen Establishments, die Die Linke in die Krise geführt hat (nachdem sie schon ein Wahlergebnis von 11,9 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 erzielt hatte). Wenn in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern mit Linke-Beteiligung in den Landesregierungen Kürzungen und Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützt werden, in Sachsen und Thüringen CDU-Ministerpräsidenten ins Amt gebracht werden und man nur nicht mit prokapitalistischen Parteien regiert, weil diese nicht wollen oder es keine rechnerischen Möglichkeiten gibt, ist es eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, dass die Partei nicht nachhaltig aus der Krise kommen wird. Wenn jetzt in der Berliner Linken schon wieder über “linke Mehrheiten“ mit SPD und Grünen nachgedacht wird, wird sich Geschichte wiederholen und die gewachsene Unterstützung aufs Spiel gesetzt. Auch der Beschluss des Parteivorstands zum Thema Ukraine nach dem Zusammenstoß von Trump und Selenskyj weist in eine völlig falsche Richtung und ist weit entfernt von einer unabhängigen sozialistischen Position. Es ist von größter Bedeutung, dass Die Linke zur Frage der Aufrüstung und von Waffenlieferungen eine unmissverständlich ablehnende Haltung einnimmt und beibehält.
Sol aktiv dabei
Es muss verhindert werden, dass der derzeitige Aufschwung wieder aufs Spiel gesetzt wird. Dazu sind breite Debatten, eine Einbeziehung der Mitglieder und eine Orientierung auf Kampagnen und Klassenkampf nötig. Sol-Mitglieder werden in diesen Debatten – auch im Rahmen der Antikapitalistischen Linken (AKL) – für ein klares sozialistisches Programm eintreten: dafür, dass Die Linke deutlich eine Systemalternative zum Kapitalismus formuliert, offensiv die Eigentumsfrage (also die Überführung der Banken und Konzerne in demokratisches öffentliches Eigentum fordert), sich gegen Regierungsbeteiligungen mit prokapitalistischen Parteien ausspricht und den Fokus auf die Unterstützung von Klassenkämpfen und sozialen Protestbewegungen legt.
Vorschläge für den Parteiaufbau
Es gilt nun, die Tausenden neuen Mitglieder nicht nur zu Wahlkämpfer*innen für ein paar Wochen zu machen, sondern sie dauerhaft zu aktiviere. Ihnen muss vermittelt werden, dass der Wiedereinzug in den Bundestag nicht das Ziel, sondern nur ein Mittel für die Organisierung von Gegenwehr und den weiteren Aufbau der Partei sein muss – und dass Die Linke im Bundestag nur so viel Wirkung erzielen kann, wie es Streiks, Massenproteste und Demonstrationen außerhalb des Parlaments geben wird. Dabei könnten folgende unterschiedliche Maßnahmen helfen:
- Die Durchführung von Kampagnen, bei denen die neuen Mitglieder eingebunden werden können: gegen kommunale Kürzungen, gegen Arbeitsplatzvernichtung, gegen Aufrüstung, zur Vorbereitung auf die kommenden Angriffe einer neuen Bundesregierung, gegen Rassismus, gegen Mietwucher etc. und die Unterstützung von Streiks und Protestbewegungen.
- Die Organisierung von Linke-Strukturen da, wo die neuen Mitglieder sind – also in Betrieben oder Branchen bzw. Gewerkschaften, an Hochschulen, in Stadtteilen
- Organisierung einer breiten und demokratischen Debatte zur zukünftigen Politik und Praxis der Partei, in der die Streitfragen, die die Partei in den letzten Jahren geprägt und zur Krise der Partei geführt haben, thematisiert werden: Regierungsbeteiligungen, Waffenlieferungen an die Ukraine, Haltung zum Nahostkonflikt, wie den Kampf gegen die AfD führen – auf dieser Basis Neuwahl zu allen Gremien und Delegiertenmandaten in der Partei
- Angebote zur politischen Bildung wie Lesekreise, Seminare zur Einführung in den Marxismus und die Geschichte der Arbeiter*innenbewegung etc.