Dortmund: Polizei erschießt 70-jährigen

Foto: Kai Schwerdt, https://www.flickr.com/photos/kaischwerdt/54379784356, CC BY-NC 2.0

Auch in Herne erschießt die Polizei einen Mann

Am 14. März erschoss die Dortmunder Polizei in Scharnhorst Najib Boubaker. Sie wurde gerufen, weil sich Najib Boubaker nach einem epileptischen Anfall weigerte, von Sanitätern behandelt zu werden. Angeblich hätte der 70-Jährige die Polizei mit einem Messer attackiert, die sich nur durch einen Bauchschuss gegen den humpelnden Rentner zu wehren wusste. Recherchen des Neuen Deutschlands widersprechen der Darstellung der Polizei. Nur wenige Tage später erschoss die Polizei in Herne einen 51-Jährigen, nachdem sein Arbeitgeber die Polizei verständigt hatte, weil er sich Sorgen machte, da dieser nicht zur Arbeit erschien. Das Opfer befand sich in einer psychischen Krise.

von Jens Jaschik, Dortmund

Tötungen durch die Polizei scheinen im Ruhrgebiet zu einer traurigen Regelmäßigkeit geworden zu sein. Am 18. August 2022 erschoss die Dortmunder Polizei den 17-Jährigen Mouhamed Dramé. In einem Skandalurteil wurden alle beteiligten Polizisten freigesprochen. Am 3. April 2024 erschießt die Polizei in Dortmund einen Obdachlosen. Kurz darauf erschießt die Polizei in Bochum am 12. April einen 32-Jährigen in seiner Wohnung. Jetzt wieder zwei Tote in kürzester Zeit. In den Medien wird hauptsächlich von “Randalierern” gesprochen. Dass alle Toten sich in psychischen und gesundheitlichen Ausnahmezuständen befanden, schaffte es nicht in die Überschriften. Immer sind die Bodycams der im Einsatz befindlichen Polizist*innen ausgeschaltet. Fast immer wird von den großen Medien die Darstellung und Aussagen der Polizei übernommen. Kritische Nachfragen und investigativen Journalismus gibt es eigentlich nur von links. Am Ende werden alle Polizist*innen freigesprochen oder die Ermittlungen eingestellt.

Das Jahr 2024 war mit 17 Polizeitoten das tödlichste Jahr seit 1999. Immer häufiger greifen Polizist*innen zur Dienstwaffe. Aber Konsequenzen hat die steigende Zahl an Toten nicht. Allein in Dortmund haben drei durch die Polizei Getötete in drei Jahren zu keinen Konsequenzen geführt. Kein Eingeständnis von Polizeipräsident Lange, dass Änderungen nötig wären. Keine Maßnahmen der etablierten Lokalpolitik. Damit sich endlich was ändert, ist ein politischer Kampf nötig. Doch um erfolgreich zu sein, brauchen wir die richtigen Forderungen und Perspektiven.

Sozialistisches Programm

So wie sich Polizeimorde immer wiederholen, können wir nur wiederholen, was wir schon in der Vergangenheit erklärten. Nachdem die Polizei einen Obdachlosen in Dortmund erschossen hatte, schrieben wir:

„Die Taten der Polizei müssen endlich zu Konsequenzen führen, die das Problem grundsätzlich in Angriff nehmen. Um eine solche Veränderung zu erreichen, ist ein sozialistisches Programm nötig.

Es ist eine Illusion zu denken, es würde für die Zukunft ausreichen, Polizist*innen in deeskalativen Strategien zu schulen. Solange die Polizei das Gefühl hat, über den einfachen Bürger*innen zu stehen und machen zu können, was sie will, wird die Eskalation der Gewalt weitergehen. Statt dass die Recklinghausener Polizei, die selber in Skandale verstrickt ist, aus „Neutralitätsgründen“ die Ermittlungen übernimmt, sollte ein Untersuchungsausschuss aus demokratisch gewählten Vertreter*innen der Gewerkschaften, des Migrationsrates und der Mirgant*innenverbände, der Anwohner*innenvertretungen und des Stadtrates gebildet werden und transparent ermitteln. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Polizei grundsätzlich unter die demokratische Kontrolle der Öffentlichkeit gestellt wird. Ein solcher Untersuchungsausschuss könnte den Ausgangspunkt für ein dauerhaftes Kontrollgremium bilden, um polizeiliche Übergriffe zu ahnden und deren Zahl zu reduzieren. Dieses Kontrollgremium müsse Einsicht in alle Akten und Dienstpläne bekommen, sowie das Recht haben gegebenenfalls Polizist*innen zu suspendieren oder aus dem Dienst zu entfernen. Unmittelbar ist es nötig, die sofortige Suspendierung des Todesschützen und die Abrüstung der Polizei zu fordern.

Es ist kein Zufall, dass Polizeigewalt in den meisten Fällen die Menschen trifft, die als die “Schwächsten“ unserer Gesellschaft bezeichnet werden: Obdachlose, Arme, Migrant*innen und Geflüchtete. Wir müssen die Wurzeln von Rassismus, Unterdrückung, Armut und Ausbeutung bekämpfen. Die Institution Polizei hat nicht die Aufgabe, unser Freund und Helfer zu sein, sondern die herrschenden Verhältnisse sozialer Ungerechtigkeit und Ungleichheit aufrechtzuerhalten. Die Folgen der bestehenden unsozialen Verhältnisse sind zahlreich: Manche Menschen fliehen in Drogen- und Alkoholkonsum, andere entscheiden sich für sinnlose Gewalt oder eine kriminelle Laufbahn, viele Menschen werden in die Obdachlosigkeit gezwungen. Wir brauchen Investitionen in soziale Projekte und Jugendzentren, wir brauchen kostenlose Bildung, bezahlbaren Wohnraum, Ausbildungs- und Arbeitsplätze und höhere Löhne für alle. Die Inflation und die allgemeinen Verteuerungen werden die Ärmsten der Armen am härtesten treffen. Wir müssen all denen, die am Kapitalismus verzweifeln, eine positive sozialistische Perspektive entgegenstellen. Veränderung können nur wir selbst – Arbeiter*innen, Jugendliche und sozial Benachteiligte, egal ob wir in Deutschland geboren sind oder nicht – erkämpfen.“

Unsere Aussagen treffen auch auf die Menschen zu, die sich in psychischen Ausnahmesituationen befinden, und machen deutlich, wie wichtig es ist, ein Programm gegen Polizeigewalt mit der sozialen Frage zu verbinden. Massive Investitionen in öffentliche Daseinsvorsorge würden diesen Menschen, die Hilfe zukommen lassen, die sie benötigen, während viele Ursachen für psychische Belastungen zusammen mit der Abschaffung des Kapitalismus verschwinden würden.

Gedenkmahnwache

Am Samstag findet eine Gedenkmahnwache für Nejib Boubaker statt: 22. März 2025, 15 Uhr, Wambler Holz / Ecke Rüschebrinkstraße