
Dokumentiert: Stellungnahme des Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di
Am 18. März war es nach drei Verhandlungsrunden so weit: Die VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) hat die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst für 2,5 Mio. Beschäftigte für gescheitert erklärt und die Schlichtung angerufen. Ver.di-Vorsitzender und Verhandlungsführer Frank Werneke bedauerte das Scheitern: „Wir haben uns bis an die Schmerzgrenze bewegt. Die Arbeitgeber haben unsere Einigungsvorschläge abgelehnt.“ Die VKA bot in der letzten Verhandlung lächerliche 2 Prozent Lohnerhöhung ab Oktober 2025, ab Juli 2026 2 Prozent und ab Juli 2027 noch einmal 1,5 Prozent bei insgesamt 36 Monaten Laufzeit. In den Verhandlungen soll von Arbeitgeberseite sogar eine 42-Stundenwoche aufgekommen sein.
Die Kosten für die ver.di-Forderungen für die 2,5 Millionen Beschäftigten hatte die VKA auf 15 Milliarden Euro beziffert. Dieses Geld soll angeblich nicht da sein, während am gleichen Tag im Bundestag riesige Sondervermögen und Schuldenaufnahme beschlossen wurde. Doch klar ist, dass das vor allem in Aufrüstung und Teile der Infrastruktur gesteckt werden soll, was aber weder den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst zugutekommen soll, noch der Masse der arbeitenden Bevölkerung insgesamt. Im Gegenteil – die sollen den Gürtel enger schnallen. Dieses Signal aus den Reihen der Regierung und der VKA sollte aufrütteln – nicht nur die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, sondern alle Teile der Arbeiter*innenklasse im Land und die Gewerkschaften.
Nein zum Sparen für Rüstungsmilliarden
Hunderte Milliarden Euro vor allem in Aufrüstung wird die Arbeiter*innenklasse zwangsläufig durch Steuern, Abgaben, geringere bzw. keine Lohnerhöhungen und Einsparungen in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge zahlen müssen. Der soziale Kahlschlag dieser neuen Wirtschaftswende unter der von Merz geführten CDU/CSU-SPD-Regierung wird massiv und möglicherweise um einiges größer und schwerwiegender ausfallen als die Agenda 2010. Die Reichen sollen weiter geschont werden. Wirtschaftsverbände wünschen sich Einschränkungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Verlängerung der gesetzlichen Arbeitszeiten, die Abschaffung eines Feiertags, Angriffe auf das Streikrecht. Aktuell fordern Ökonomen wie der Ifo-Chef Fuest die komplette Abschaffung oder eine schrittweise Kürzung des Elterngeldes. Es ist auch möglich, dass diese Regierung solche Vorhaben scheibchenweise angeht. Aber klar ist, dass die vom ehemaligen BlackRock-Manager Merz geführte Regierung im Interesse des Kapitals handeln wird. Auch in vielen Kommunen gab es bereits massive Kürzungsbeschlüsse bei sozialen und kulturellen Einrichtungen wie auch beim ÖPNV. Außerdem gibt es eine Reihe von Krankenhäusern, die der Krankenhausreform zum Opfer fallen und geschlossen werden sollen. Die Abschaffung des Bürgergelds in der jetzigen Form wird ebenso kommen.
Gegenwehr statt Sozialpartnerschaft
Ver.di und alle anderen DGB-Gewerkschaften müssen sich klar gegen die geplanten Angriffe und das Aufrüstungsprogramm stellen und auch in der Frage von Krieg und Militarisierung eine unabhängige Position im Interesse der Arbeiter*innen international einnehmen. Es ist eine wichtige Aufgabe, diese Diskussion in den Gewerkschaften zu führen. Ver.di muss auch erklären, dass sich die geplante Wirtschaftswende gegen die gesamte arbeitende Bevölkerung richtet. In der laufenden Tarifrunde darf die Sparlogik nicht akzeptiert werden, sondern muss stattdessen für die Durchsetzung der mehr als berechtigten Forderungen gekämpft werden. Statt Entlastung der Reichen wäre es nötig, das Geld über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und höhere Besteuerung von Unternehmen und Reichen für nötige massive Investitionen in Gesundheit, Bildung, Soziales und Umweltschutz zu holen.
Schlichtung ist kein Hebel, sondern Knebel
Wenn die VKA sich jetzt „in die Schlichtung flüchten“ wie Frank Werneke sagt, und sogar den ver.di-Vorschlag einer vierten Verhandlungsrunde ablehnen, so ist das vor allem möglich, weil ver.di (bzw. bereits die damalige ötv) vor Jahrzehnten eine Schlichtungsvereinbarung mit der VKA unterschrieben hat, die verbindlich ist, wenn nur eine Seite sie anruft. Kolleg*innen wissen aus eigener Erfahrung, dass das Ergebnis einer Tarifrunde durch die Kampfkraft in den Betrieben und eine konsequente Strategie zur Durchsetzung der Forderungen bestimmt wird. Die Verhandlungen, die Entscheidung über eine Annahme oder Fortsetzung der Auseinandersetzung, Streiks usw. müssen in den Händen der Beschäftigten liegen. Eine Schlichtungsvereinbarung (vor allem, wenn sie so restriktiv ist, wie die im öffentlichen Dienst) gibt das stärkste Druckmittel, den Arbeitskampf, aus der Hand und unterbindet zudem jegliche Aktionen, die „zu einem Scheitern“ der Schlichtung führen könnten, also auch Aktivitäten außerhalb des Streiks.
Die Erfahrung hat gezeigt: sobald ein Schlichterspruch verkündet wird, ist dieser immer ein Kompromiss zulasten der Kolleg*innen, und gleichzeitig wächst der öffentliche Druck zur Annahme dieses Spruchs enorm. Um sich nicht selbst in eine solche Sackgasse zu manövrieren und den Kolleg*innen alle Freiheit zu lassen, von der Kampfkraft ihrer Gewerkschaft Gebrauch zu machen, sollte die Vereinbarung schnellstmöglich und ersatzlos aufgekündigt werden. Zu allem Überfluss könnten die Schlichter nicht schlimmer sein: Die Gewerkschaftsseite benannte den früheren Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr (SPD), der Vorsitzender des kommunalen Arbeitgeberverbands Bremen und Mitglied des Präsidiums der VKA war und damit nichts anderes als ein Arbeitgeber*innenvertreter ist. Die Arbeitgeber*innen haben den neoliberalen Hardliner Roland Koch (CDU) als Schlichter auserkoren, der als hessischer Ministerpräsident zum Beispiel den Ausstieg Hessens aus der Tarifgemeinschaft der Länder organisierte, womit die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden für die Beschäftigten des Landes Hessen verbunden war.
Vorbereitung auf Erzwingungsstreik
Doch auch ein schlechtes Schlichtungsergebnis kann und muss abgelehnt werden. Danach sind Urabstimmung und Erzwingungsstreik möglich. Erste Bezirke bereiten sich auf den unbefristeten Streik vor – das muss jetzt schnellstmöglich in allen Bezirken, Betrieben und Dienststellen stattfinden. Ohne das wird es nicht möglich sein, die mehr als berechtigten Forderungen voll durchzusetzen. Ebenso wurden bereits während der Tarifrunde neuralgische Betriebe und Dienststellen herausgearbeitet, die nicht nur durch Arbeitskampfmaßnahmen symbolischen Druck ausüben, sondern auch ökonomische Strahlkraft haben. Das ist einerseits gut, andererseits sollte man bei einem Erzwingungsstreik die volle Kampfkraft entfalten und die Beschäftigten des gesamten öffentlichen Dienstes aufrufen, ohne Ausnahmen. Ökonomischer Druck ist das eine, aber es muss auch der politische Druck durch die gemeinsame Aktion der Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufgebaut werden. Dieser muss dadurch gestärkt werden, dass auch aus allen anderen Bereichen, Betrieben und Gewerkschaften breite Solidarität bis hin zu unterstützenden Aktionen für einen Ausbau des öffentlichen Dienstes anstatt seinem Abbau organisiert wird. Außerdem sollte der Kampf gegen Stellenabbau und Entlassungen in anderen Bereichen damit verbunden werden. Denn dies ist eine der ersten Auseinandersetzungen unter der neuen Regierung und es ist wichtig, dass die Gewerkschaften hier nicht in die Defensive geraten.
Demokratische Streikführung
Die jetzigen Wochen der Schlichtung sollten maximal genutzt werden, um möglichst viele Kolleg*innen anzusprechen und mit ihnen über die Notwendigkeit eines Streiks zu diskutieren. Gleichzeitig sollten auf allen Ebenen Streikdelegierte gewählt werden. Wie beim vierwöchigen Streik im Sozial- und Erziehungsdienst 2015 sollte eine bundesweite Streikdelegiertenkonferenz einberufen werden. Dort sollte – in Rückkopplung mit den Streikversammlungen vor Ort – über die notwendigen Schritte im Arbeitskampf diskutiert und abgestimmt werden. Verhandlungsergebnisse sollten auch dort besprochen und bewertet werden.
Ein schlechtes Ergebnis wie minimale Lohnerhöhungen bei einer immens langen Laufzeit wäre das eine Niederlage für die Gewerkschaft und würde wahrscheinlich zu Mitgliederverlusten führen. Um das zu verhindern, müssen Aktive aus den Betrieben sich schon jetzt zusammenschließen und Druck auf die Führung machen. Insgesamt braucht es einen Kurswechsel – politisch und personell – weg von Sozialpartnerschaft hin zu einer kämpferischen Strategie für ver.di. Dafür wird es immer dringender, dass sich kämpferische Kolleg*innen zusammentun und in ver.di organisieren, kämpferische Strategien diskutieren und einfordern. Das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di” bietet hierfür eine Plattform.
Veranstaltung
Das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ unterstützt den Aufruf „Wir schlagen Alarm“. Die Initiator*innen dieses Aufrufs machen sich dafür stark, dass in den Gewerkschaften Widerstand gegen die geplante Wirtschaftsagenda unter einer Merz-Regierung diskutiert und vorbereitet wird. Ein nächstes Zoom-Meeting dazu findet statt am
Freitag, 4. April, um 19 Uhr
Weitere Details folgen auf www.netzwerk-verdi.de