Ford Köln: Kampf um alle Arbeitsplätze nötig!

Bericht vom 24-stündigen Streik am 14. Mai

Im Kölner Ford-Werk sollen wieder Arbeitsplätze abgebaut werden – diesmal 2.900 Stellen, um die Profite des Konzerns zu sichern. Doch die Belegschaft stellt sich entschlossen dagegen. Bei einer Urabstimmung entschlossen sich 93 Prozent zu kämpfen und am 14. Mai traten sie in einen 24-stündigen Streik.

Von Philipp Baursch, Sol Köln

Im Herbst letzten Jahres ist die Anzahl der in der IG Metall organisierten Kolleginnen und Kolllegen um zehn Prozentgewachsen (1). Nach einer Aussage von David Lüdtke, Sprecher der IG Metall bei Ford in Köln, sei man nicht mehr weit von einem hundertprozentigen Organisationsgrad entfernt. Doch wie wird diese Stärke verwendet?

Beim Streikposten

Kölner Sol-Mitglieder besuchten den Streik am Mittwoch, dem 14.05. Bei gutem Wetter fanden wir an verschiedenen Toren Streikposten vor. Man saß geduldig im Schatten oder stand am Grill, während die Tore selbst mit Absperrband blockiert waren.

Wir kamen vorbei, um unsere Solidarität zuzusichern, Infomaterial anzubieten und zu fragen, wie die Stimmung in der Belegschaft ist. Während es anfänglich eine gewisse Skepsis gab, wurde uns – nachdem klar war, warum wir da waren – Essen angeboten und wir kamen ins Gespräch. Die Streikposten wirkten entschlossen, immerhin gibt es große Einigkeit. Auch scheint ein klares Vertrauen in die Streikleitung zu bestehen. Ein Kollege antwortete auf meine Frage, ob man helfen kann, Solidarität zu verbreiten, dass man bestimmt auf uns zukommen würde, wenn man es für richtig hält, es aber gerade nicht notwendig sei.

An Tor 52 fanden die Hauptveranstaltung statt. Mit lauter Live-Musik und einem Besuch von Arbeitsminister Laumann (CDU), der seine Unterstützung bekundete. Während wir das Gespräch mit den Kolleg*innen suchten, begannen auf der Bühne mehrere Reden von der IG Metall und von ver.di. Es wurde versichert, dass man stark und solidarisch kämpfen wird, dass alle Augen in Köln und der Autoindustrie auf die Ford-Werke gerichtet seien und der Kampf für alle von großer Bedeutung ist. Und wofür solle gekämpft werden?

Nicht für Arbeitsplatzerhalt. Faire Abfindungen, Transfermaßnahmen und einen Insolvenzschutz per Sozialtarifvertrag sind die Forderungen der IG Metall. Diese akzeptiert damit von, dass das Werk in Köln kleiner werden wird. Die letzten Redner waren Vertrauensleute von VW, welche sich für vergangene Solidarität bedankten und nun ihrerseits zusicherten, dass man hinter den Kolleginnen und Kollegen stehe – eine starke Geste. Doch die IG Metall feierte den Abschluss bei VW, der nun 35.000 Arbeitsplätze vernichtet, als einen Erfolg. Sie nannten dies ein Weihnachtswunder, doch für viele wird es eine Katastrophe werden (2,3,4).

Wenn das momentan als ein wünschenswertes Ergebnis gilt, bleibt zu fürchten, wie die Zukunft bei Ford aussehen wird.

Kämpferische Belegschaft

Von der Belegschaft kommen andere Töne. Ein Transparent mit der Aufschrift “Kampf um jeden Arbeitsplatz – Halle Y ist streikbereit” hing direkt neben den Forderungen für Abfindungen – ein klarer Widerspruch.

Stolz wurde uns erklärt, dass während des Streiks nichts produziert, nichts ausgeliefert und nichts entwickelt wurde, die Werke lagen still. Stark ist noch die Erinnerung an die 70er Jahre, denn viele Ford-Angestellte sind nicht in der ersten Generation hier. Damals erkämpfte man sich in wilden Streiks, gleichen Lohn für Deutsche und Migrant*innen, zwischen Männern und Frauen. Und das gegen den Willen einer sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsführung. (6) Aber während von der Bühne verkündet wird, dass man dies wiederholen muss, findet dieser Streik unter ganz anderen Vorzeichen statt. Damals standen die Medien klar gegen die Streikenden und die Regierung rief dazu auf, den “wilden” Streik niederzulegen. Heute sind die Sympathien der Öffentlichkeit bei den Kolleg*innen und sogar der Arbeitsminister von NRW drückt seine Unterstützung aus. Das könnte die IG Metall für einen konsequenten Arbeitskampf nutzen. Doch die Führung der Gewerkschaft macht nicht den Eindruck, dass sie dazu bereit ist. Die Forderung nach einem Sozialtarifvertrag kann in einer solchen Situation ein angemessenes Mittel sein, um einen legalen Streik führen zu können. Ein solcher kann aber in der Realität trotzdem um den Erhalt des Werks geführt werden, wie dies 2006 bei Bosch-Siemens Hausgeräte (BSH) in Berlin der Fall war. Um die Arbeitsplätze zu sichern, ist es wahrscheinlich nötig, dass die Kolleginnen und Kollegen von unten das Heft in die eigene Hand nehmen.

Ford will die Stellen abbauen, weil sie im Rahmen der internationalen Überkapazitätskrise der Autoindustrie die Profite nicht aufrecht erhalten können. Der Fokus auf E-Mobilität bringt sie in direkte Konkurrenz mit chinesischen Betrieben, die länger und mehr in diese Technologie investiert haben und dem europäischen Markt klar voraus sind. Zeitgleich wollen sie auch eine andere Schicht von Kunden erreichen und teurere Modelle verkaufen. Der Versuch, in neue Märkte vorzudringen, um im Vergleich überteuerte E-Autos zu verkaufen, hat Ford zurückgeworfen. Rechtfertigt das Werksschließungen? 2024 hat Ford schätzungsweise 2,8 Milliarden Euro an Dividenden ausgeschüttet (7). Doch davon profitieren nur die Aktienhalter*innen, nicht die Angestellten. Im Gegenteil, um die Profite zu wahren, sollen hier die besagten 2900 Arbeitsplätze wegfallen.

Der Mutterkonzern in den USA hat die “Patronatserklärung” über seine Tochter in Deutschland zurückgezogen. Das bedeutet, dass er nicht mehr für Schulden haften wird und man hier insolvent gehen könnte. Mit anderen Worten darf man in Köln sehen, wo man bleibt, wenn man durch den angegeben Kurs nicht genug Geld macht. Und es sind die Leute, die am wenigsten Einfluss auf diesen Kurs haben, deren Arbeitsplätze und deren Lebensunterhalt auf dem Spiel steht, falls Ford in Deutschland bankrott gehen sollte.

Kampf um alle Arbeitsplätze führen

Darum sollte ein konsequenter Kampf für den Erhalt aller Arbeitsplätze geführt werden. Doch im Rahmen der kapitalistischen Konkurrenz in der globalen Autoindustrie wird es unweigerlich Verlierer geben, die Arbeitsplätze vernichten. Nur wenn die Logik von Marktkonkurrenz und Profitproduktion gebrochen wird, ist eine dauerhafte Perspektive für alle Arbeitsplätze denkbar. Die Forderung sollte sein: Verstaatlichung der Fordwerke und Umstellung auf gesellschaftlich sinnvolle Produktion unter demokratischer Kontrolle der Belegschaft! Nur so kann sichergestellt werden, dass das langsame Absterben der Werke, deren Belegschaft seit der Jahrtausendwende halbiert wurde, dauerhaft verhindert werden kann.

Schon im Vorfeld des Streiks wurden wir zu Soli-Gruppen eingeladen und auch auf dem Streik selber erhielten wir einen Flyer vom Solidaritätskreis-Fordkollegen. Seit hundert Jahren sind die Werke hier am Rhein. Angestellte, Rentner*innen und deren Familienmitglieder gibt es in jedem „Veedel“. Wenn die Ford-Belegschaft sich entscheidet, zu kämpfen, werden – komme was wolle – große Teile Kölns zu ihnen stehen. Um ein Graffiti aus meinem Stadtteil zu zitieren: “Ford-Streik verteidigen”.

Quellen:

(1) https://www.sueddeutsche.de/auto/tarifstreit-bei-autobauer-ig-metall-vermeldet-deutlichen-mitgliederzuwachs-bei-ford-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-250505-930-500183

(2) https://www.igmetall-wob.de/meldung/weihnachtswunder-von-hannover-sichert-volkswagen-standorte-ab-betriebsbedingte-kuendigungen-werksschliessungen-und-einschnitte-in-das-laufende-monatseinkommen-beim-autobauer-abgewendet

(3) https://www.igmetall.de/im-betrieb/kampf-um-zukunft-bei-ford-in-koeln

(4) https://solidaritaet.info/2025/01/weihnachtswunder-bei-vw/

(5) https://solidaritaet.info/2023/02/ford-koeln-kampf-um-jeden-arbeitsplatz-fuehren/

(6) https://solidaritaet.info/2023/08/vor-50-jahren-streik-bei-den-koelner-ford-werken/

(7) https://stockanalysis.com/stocks/f/dividend