
Palästina-Solidarität ist kein Antisemitismus
Der Bundesgeschäftsführer der Partei Die Linke, Janis Ehling, hat das Parteivorstands-Mitglied Ulrike Eifler öffentlich aufgefordert die Partei zu verlassen. Warum? Sie hatte auf X eine Grafik mit dem Slogan „All united to free Palestine“ veröffentlicht, auf der das Gebiet Israels und Palästinas mit Händen in den Farben Palästinas gefüllt war. Das wurde ihr in einer Kampagne von Zionist*innen und bürgerlichen Medien als Antisemitismus ausgelegt und behauptet, damit unterstütze sie die Auslöschung Israels.
Von Sascha Staničić, Sol-Bundessprecher
Dass die pro-israelischen Kräfte, die zum zehntausendfachen Tod und millionenfachen Leid der Palästinenser*innen in der Regel schweigen, so reagieren, kann nicht verwundern. Dass aber die Parteiführung der Linken sich nicht schützend vor Ulrike Eifler stellt, sondern ihr im Gegenteil die Solidarität versagt, ist ein Skandal.
Parteivorstandsbeschluss
Der Parteivorstand hatte in Abwesenheit von Ulrike Eifler am Donnerstag Abend – einen Tag vor dem Bundesparteitag – einen Beschluss gefasst, in dem er sich indirekt von ihr distanzierte und sie aufforderte den Post zu löschen. Da heißt es: „Der Parteivorstand distanziert sich von jedem Aufruf, jedem Statement und jedweder bildlichen Darstellung, die unter dem Deckmantel der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung die Existenz Israels negiert oder die Auslöschung Israels propagiert.“
Nun kann man berechtigt die Frage aufwerfen, ob die veröffentlichte Grafik zu unterschiedlichen Interpretationen einlädt oder ob die Reaktion der Israel-Lobby vorhersehbar war. Der Parteivorstand hätte auch darauf hinweisen können, dass er die Veröffentlichung aufgrund dieser vermeintlichen Interpretationsoffenheit unglücklich findet und nicht unterstützt, aber Ulrike Eifler vorzuwerfen, dass sie „unter dem Deckmantel der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung die Existenz Israels negiert oder die Auslöschung Israels propagiert“ ist infam.
Sie selbst sagt dazu: „Für mich zeigt sie (die Grafik, A.d.A.) vor allem das unfassbare Leid in Gaza, im Westjordanland und dass – was häufig vergessen wird – in Israel auch Palästinenser leben. (…) Mir ging es darum, auf die hungernden, traumatisierten und sterbenden Kinder aufmerksam zu machen und auf die Verzweiflung ihrer Eltern.“ Und: „Die Auslöschung Israels war nie meine Position und sie ist es bis heute nicht.“
Solidarität
Solidarität bedeutet auch, dass man Genoss*innen unterstützt, die vom gemeinsamem Klassenfeind angegriffen werden, auch wenn man nicht hundertprozentig mit ihnen übereinstimmt. Das scheint die Linke-Führung vergessen zu haben, die auf dem gestern begonnenen Parteitag noch die „revolutionäre Freundlichkeit“ als neue Umgangsform propagierte. Davon ist im Umgang mit Ulrike Eifler nichts zu spüren, die berichtet, dass nicht einmal persönlich mit ihr gesprochen worden war, bevor der Beschluss und öffentliche Aufforderungen zum Verlassen der Partei getätigt wurden.
Doppelstandards
Der Parteivorstandsbeschluss und der Umgang mit Ulrike Eifler folgt dem Parteiausschluss des Palästina-Aktivisten Ramsi Kilani, der in der Linken auch zu keinem großen Protest geführt hat. Ines Schwerdtner betonte in ihrer Rede auf dem Linke-Parteitag, dass die Partei Doppelstandrads bei der Bewertung von Kriegen ablehne. In der Partei herrschen beim Thema Naher Osten jedoch eben solche Doppelstandards, denn die vielen „antideutschen“ Parteimitglieder, die an ihre Solidarität mit einem einen genozidalen Krieg führenden Staat ausdrücken, werden weder ausgeschlossen noch zum Parteiaustritt aufgefordert.
Sozialistisches Programm
Eine sozialistische Partei muss unmissverständlich auf der Seite der Unterdrückten stehen und sie muss Unterdrückung als solche benennen. Im Fall der Palästinenser*innen bedeutet das, deren Selbstbestimmungs- und Widerstandsrecht zu unterstützen, ein Ende von Krieg, Vertreibung und Besatzung zu fordern und den Staat Israel als das zu benennen, was er ist: den Besatzer und Unterdrücker. Es bedeutet auch, wie Ulrike Eifler es tut, Waffenlieferungen an Israel abzulehnen. Das auszusprechen hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Die Sol steht für das Recht der Palästinenser*innen und der Israelis auf einen eigenen Staat. Letzteres bedeutet auch nicht die Politik der in Teilen rechtsextremen israelischen Regierung zu unterstützen, sondern anzuerkennen, dass sich seit der Gründung des Staates Israel dort eine Nation entwickelt hat, deren Angehörige zu siebzig Prozent im Staat Israel geboren wurden. Die Anerkennung deren Rechts auf einen eigenen Staat ist aus unserer Sicht eine Voraussetzung, sie von dem zionistischen Regime wegzubrechen und für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser*innen zu gewinnen.
Wir sind davon überzeugt, dass der Nahost-Konflikt nicht im Rahmen der kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse gelöst werden kann und treten für ein sozialistisches Palästina neben einem sozialistischen Israel als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens ein. Wir vertreten aber vor allem, dass die Völker selbst entscheiden sollen, wie sie leben wollen und dass das erst möglich ist, wenn Krieg, Besatzung und Kapitalismus überwunden sind. Diejenigen Linken, die einen einheitlichen Staat auf dem Gebiet von Israel und Palästina mit gleichen Rechten für alle dort lebenden Menschen propagieren, vertreten diesbezüglich eine andere Position als wir – sie sind aber keine Antisemit*innen, die die jüdische Bevölkerung im Nahen Osten bekämpfen oder gar auslöschen wollen.
Die Führung der Linkspartei sollte sich hinter Ulrike Eifler stellen statt ihr die Solidarität zu verweigern.