
Angemessene Erhöhung erkämpfen statt auf Kommission verlassen!
Der Mindestlohn hat in Deutschland erst eine kurze Geschichte. 2015 wurde er von der damaligen Großen Koalition eingeführt, als Ergebnis jahrelanger Kämpfe durch Gewerkschaften, der Linken und sozialen Bewegungen. Seitdem wurde der Mindestlohn unregelmäßig erhöht, von zunächst 8,50 Euro auf 12,82 Euro. Nun hat die Mindestlohnkommission beschlossen, dass er in zwei Schritten bis zum 1.1.2027 auf 14,60 Euro angehoben werden soll.
von Cathi Schumann, Nürnberg
Setzt die Bundesregierung diesen Vorschlag um, bricht die CDU/CSU-SPD-Koalition ihr im Koalitionsvertrag verklausuliertes Versprechen, in dem von 15 Euro die Rede war(um damit EU-Vorgaben einzuhalten). Ob nun 14,60 Euro oder 15 Euro – ein sorgenfreies Leben ist damit nicht möglich. Und schon gar kein sorgenfreier Lebensabend. Um Altersarmut zu vermeiden, müsste der Mindestlohn bei 21 Euro liegen!¹
Die Mindestlohnkommission
Alle fünf Jahre schlagen die Spitzenverbände der Unternehmer*innen und die Gewerkschaften je drei Vertreter*innen für die Kommission vor, hinzu kommt ein*e Vorsitzende und zwei beratende Mitglieder aus der Wissenschaft. Es finden Verhandlungen statt, bei denen die Gewerkschaften allerdings keine Möglichkeit der Druckausübung durch Streiks haben. Die Kommission hat eine Beraterinnenrolle und legt eine Empfehlung vor, die dann in der Regel von der Regierung übernommen und gesetzlich festgeschrieben wird. Es gab aber auch schon den Fall im Jahr 2022, dass der Mindestlohn von der Regierung ohne Empfehlung durch die Kommission erhöht wurde – es besteht also die Möglichkeit einer größeren Erhöhung und der Umgehung der Unternehmer*innenblockade in der Mindestlohnkommission.
Bürgerliche Propaganda
Es gibt zahlreiche hemmungslose Versuche der Kapitalist*innen, einen angeblich zu hohen Mindestlohn als Gefahr für Unternehmen oder die ganze Volkswirtschaft darzustellen. Das ist keine neue Leier. Vor der Einführung des Mindestlohns wurde lautstark das Ende des Wirtschaftsstandorts Deutschlands verkündet, sollte dieser eingeführt werden. Wie wir alle wissen, ist dies nicht eingetreten. Trotzdem malen Unternehmer*innenverbände, wie zum Beispiel im Handel, dieses Gespenst an die Wand und drohen mit Stellenabbau. Doch selbst das – nicht gerade als gewerkschaftsfreundlich bekannte – Magazin „Focus“ hat festgestellt, dass die meisten Behauptungen bzgl. negativer Folgen des Mindestlohns einfach „Quatsch“ sind – ob die angeblich wachsende Arbeitslosigkeit, drastische Zunahme der Inflation oder steigende Zahl an Insolvenzen.²
Das ist bürgerliche Propaganda, um die Milliardengewinne deutscher Großkonzerne zu sichern. Höhere Löhne bedeuten vor allem geringere Gewinne für die Eigentümer*innen von Banken und Konzernen, nicht etwa den Bankrott von Unternehmen. Ein höherer Lohn senkt einfach nur die Ausbeutungsrate, also den Anteil der geleisteten Arbeit, den die Beschäftigten nicht ausgezahlt bekommen, weil die Unternehmer*innen ihn sich einstreichen – den Mehrwert
Wir dürfen uns nicht von einer derartigen bürgerlichen Propaganda blenden lassen. Wenn bürgerliche Medien oder Politiker*innen von ‘unserem Wirtschaftsstandort’ sprechen, dann geht es ihnen um die Profitbedingungen der Banken und Konzerne. Das sind nicht die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung – der Arbeiter*innen, Jugendlichen und sozial Benachteiligten. Diese müssen durchgesetzt werden. Das bedeutet: Gemeinsamer Kampf für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen!
Erhöhung erkämpfen!
Klar muss sein: Uns wird nach wie vor nichts geschenkt. Im Gegenteil, die Merz-Regierung plant massive Angriffe, unter anderem auf die sozialen Sicherungssysteme und die Arbeitszeitregeln und damit den Lebensstandard von Millionen von Menschen. Es wird in nächster Zeit darum gehen, bestehende Rechte zu verteidigen und gleichzeitig offensiv für notwendige Verbesserungen zu kämpfen, wie zum Beispiel einen höheren Mindestlohn. Dieser sollte sofort, und nicht erst 2027, auf 15 Euro und dann schnell und drastisch weiter erhöht werden.
¹ Mindestlohn-Entscheidung diese Woche: Erhöhung auf bis zu 21 Euro möglich
² Mehr Mindestlohn, miese Stimmung: Warum 15 Euro für manche zu viel ist – FOCUS online