Kolumbien: Wie weiter?

© Fernando Garcia, via flickr, CC BY 2.0, Bildausschnitt

Der linke Präsident Petro gerät an Grenzen

Drei Jahre nach der Wahl des linken Kandidaten Gustavo Petro zum Präsidenten Kolumbiens befindet sich das Land in einer Krise. Viele fürchten nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der ELN-Guerilla, dem Mordanschlag auf den rechten Präsidentschaftskandidaten Miguel Uribe und der Eskalation von Gewalt in verschiedenen Regionen eine Rückkehr in die dunklen Jahre des Landes. Währenddessen stehen die rechten Parteien in den Startlöchern, um 2026 das Heft wieder in die Hand zu nehmen.

Von Jens Jaschik, Sol Dortmund

Bis 2021 zählte Kolumbien als eine sichere Bank für US-Interessen in Lateinamerika. Doch als die herrschenden Eliten in Form einer Steuerreform einen Angriff auf den ohnehin schon niedrigen Lebensstandard in dem Land mit der höchsten sozialen Ungleichheit Lateinamerikas planten, hatte das Volk genug. Gewaltige Massenproteste erschütterten die Gesellschaft. Bei den Präsidentschaftswahlen 2022 setzte sich dann der ehemalige Guerillakämpfer Gustavo Petro durch. Er wurde der erste sozialdemokratische Präsident in der Geschichte Kolumbiens – einem Land, in dem Gewerkschafter*innen regelmäßig von Paramilitärs ermordet werden und ganze Gewerkschaftsstrukturen zerschlagen wurden.

Die Wahl Petros setzte gewaltige Hoffnungen frei, dass sich das Land in eine positive Richtung für die Masse der Bevölkerung entwickeln würde. Für seine Amtszeit versprach Petro weitgehende Reformen, die das Leben der Masse der einfachen Menschen massiv verbessern würden. Manche Linke hofften, dass sich Kolumbien von einem Vasallenstaat des US-amerikanischen Imperialismus in einen modernen kapitalistischen Staat mit weitgehenden Arbeiter*innenrechten verwandeln würde. Aber Petros Regierung hatte in seiner Amtszeit nicht nur mit dem Widerstand der alten Eliten zu kämpfen, sondern auch mit der Krise des Weltkapitalismus – in einem Land, das besonders unter den US-amerikanischen Zöllen leidet.

Arbeiter*Innenpartei nötig

Als Petro gewählt wurde, erklärten wir, dass ein Kampfplan nötig sei, um das Programm umzusetzen, mit dem er gewählt wurde. Die Mobilisierung zum Wahlkampf und die vorherigen Massenproteste gegen den Präsidenten Iván Duque hätten dafür genutzt werden müssen, eine Massenpartei der Arbeiter*innen und Jugend aufzubauen. Stattdessen setzte Petro auf eine Politik von oben, in der Hoffnung, dass das Amt des Präsidenten ausreicht, um die nötigen Veränderungen durchzusetzen. Für die Masse der Arbeiter*innen war keine eigenständige Rolle vorgesehen. Die rechte Opposition hat versucht alle (!) Reformen der Regierung zu verhindern. Immer dann, wenn das Taktieren und die Verhandlungen scheiterten, hat Petro zu Protesten aufgerufen, um die Unterstützung für sein Programm zu demonstrieren und die Blockade der Rechten zu brechen. Doch weitgehende Zugeständnisse an die prokapitalistische Opposition führten dazu, dass die Reformen nur in verwässerter Form beschlossen wurden.

Unter einfachen Kolumbianer*innen herrscht die Angst, dass bei den Wahlen im März nächsten Jahres die Rechten die Uhr zurückdrehen werden und wieder ein Vertreter der Oligarchie an der Spitze des Landes stehen wird. Aber noch ist es nicht zu spät für den Aufbau einer Arbeiter*innenpartei. Immer wieder haben die Jugend und die Arbeiter*innenklasse gezeigt, dass sie progressive Maßnahmen Petros unterstützen, auch wenn sich Ernüchterung und Enttäuschung breit macht. Zuletzt hatten die Gewerkschaften die Arbeitsreform mit einem 48-Stunden-Streik unterstützt und Petro hatte gedroht, die Reform durch ein Volksreferendum am Senat vorbei zu beschließen. Die Zuspitzung des politischen Kampfes sollte dafür genutzt werden, die kurzfristige Mobilisierung der Massen in die langfristige Organisierung der Klasse zu transformieren. Die Gewerkschaften und linken Teile von Petros Wahlbündnis progressiver Organisationen – dem Pacto Historico (Historischer Pakt) – müssen die Initiative für den Aufbau einer Arbeiter*innenpartei ergreifen. Eine solche Partei kann bei den kommenden Wahlen das Ruder herumreißen.

Lehren ziehen

In einer solchen Partei könnten Aktivist*innen, Gewerkschafter*innen, Arbeiter*innen und Jugendliche ihre Erfahrungen austauschen, sich koordinieren und die nächsten Schritte im Kampf für soziale Gerechtigkeit und Gleichheit planen. Dazu gehört auch, eine Bilanz der letzten Jahre zu ziehen. Petros Regierung zeigt nicht nur die Grenzen einer Politik, die sich auf eine Person als Heilsbringer konzentriert, sondern die Bedingungen für tiefgreifende Veränderungen sind innerhalb des Kapitalismus nicht gegeben. Die Erfahrungen von linken Regierungen in Ländern wie Venezuela, Bolivien, Ecuador oder Peru in der Vergangenheit zeigen, dass ohne einen Bruch mit dem Kapitalismus die Lebensverhältnisse der Massen nicht grundlegend verbessert werden können. Das gilt auch für Kolumbien..

Die herrschende Klasse und ihre politischen Helfershelfer*innen haben gezeigt, dass sie sich mit Händen und Füßen gegen jede noch so kleine Reform im Sinne der Mehrheit der Menschen stellen werden und in der Geschichte Kolumbiens auch, dass sie bereit sind, über Leichen zu gehen. Um das bisher Erkämpfte zu verteidigen und die Macht der Oligarchie zu brechen, muss man ihnen den Boden unter den Füßen nehmen.

Sozialismus

Der Kampf für demokratische Reformen muss mit dem Kampf für sozialistische Veränderungen verbunden werden: ein Programm zur Verstaatlichung der Banken und Konzerne unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung sowie der Neuverteilung des Landes an die armen Bauern und Bäuerinnen. Nur ein solches sozialistisches Programm kann die Basis bieten, die große Mehrheit der Arbeiter*innen und Armen in einer Partei zu vereinigen, und die Umsetzung dieses Programms ist der einzige Ausgangspunkt für die Entwicklung Kolumbiens.