
Zusteller*innen bei der Post arbeiten vielfach unter krankmachenden Bedingungen
In jedem Bericht der Bundesnetzagentur gibt es Beschwerden über die Post. Auch Erfahrungsberichte von Kund*innen bezeugen, dass die Zustellqualität nachlässt und manche Haushalte teilweise wochenlang keine Post bekommen. Aber wie ergeht es eigentlich den Beschäftigten bei der Post?
von Mario Hütte, Herford
Der Postkonzern will mehr Kapital im Ausland einsetzen und Arbeitsplätze im Inland abbauen, um die Renditeziele aus Bonn zu erreichen.
Nach dem Tarifabschluss im Frühjahr hat der Konzern bekannt gegeben, bis Jahresende 8000 Stellen zu streichen. Das sollte sozialverträglich über „natürliche Fluktuation“ erfolgen. In der Realität wurden auch Verträge von befristet angestellte Kolleg*innen nicht verlängert, die eigentlich gebraucht werden. Auch ver.di hat mitgeteilt, dass bei Gesprächen mit Betriebsrät*innen klar wurde, dass der Rotstift dort angesetzt wurde, wo gerade Verträge auslaufen oder Beschäftigte in Rente gehen. Gegen den Stellenabbau hatte ver.di 35.000 Unterschriften von Kolleg*innen gesammelt. Allerdings wurde bei der Übergabe durch die Konzernseite bekannt gegeben, dass der Abbau aus ihrer Sicht bereits abgeschlossen sei.
Wachsende Belastung
Dass überhaupt keine Rücksicht auf die Beschäftigten genommen wird, wurde während der Verbundausweitung und der Einführung der Zustellwand klar. Die Zusteller*innen bekommen nicht nur immer mehr Volumen, was weggebracht werden muss, sondern müssen sich auch auf täglich anders zugeschnittene Bezirke einstellen, da der Konzern durch die Zustellwand flexibel einstellen kann, wie viel Personal jeden Tag gespart werden soll. Dabei geraten die Beschäftigten, durch Personalmangel, jährlich größere Bezirke und immer mehr schwere Pakete von einer Überlastungsphase in die nächste, was zur Folge hat, dass während der Einführungsphase der Zustellwand einige Kolleg*innen einfach weinend zusammengebrochen sind und nicht mehr weiter wussten.
Um damit klarzukommen, fangen mittlerweile viele Kolleg*innen früher an oder arbeiten länger, ohne das bezahlt zu bekommen. Andere halten sich auf Zustellung nicht an die Vorgaben, was Zeit spart, aber auf Kosten des Service für die Kund*innen geht und für den Zusteller bzw. die Zustellerin Regressforderungen und bei Zustell-Urkunden noch schlimmere Konsequenzen haben kann.
Druck auf Kolleg*innen
Teilweise wird vom höheren Führungspersonal zugegeben, dass man Fehler gemacht hat und behauptet, jetzt werde alles besser. Allerdings werden Kolleg*innen, die sich an Vorgaben und Arbeitszeiten halten und dann die Zustellung korrekt abbrechen, anschließend zu Personalgesprächen eingeladen, um den Druck zu erhöhen.
Die Auswirkungen auf die Gesundheit kann man in den jährlichen Gesundheitsberichten der Betriebskrankenkassen lesen. Dort sind die Beschäftigten der Postdienste schon seit Längerem an der Spitze verschiedener Kategorien wie Fehltage, Muskel-Skelett-Erkrankungen, Arzneimittelverordnungen und Verletzungen bzw. Vergiftungen.
Was müsste geschehen?
Für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, aber auch des Service, bräuchte es eine rück-verstaatlichte Post, die nicht profitorientiert ist und unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung steht. Um das zu erreichen, ist notwendig, dass ver.di aus der defensiven Haltung rauskommt und seiner Aufgabe als Kampforganisation der Arbeiter*innen gerecht wird. Da das nicht von alleine passieren wird, müssen sich unzufriedene und kämpferische Kolleg*innen vernetzen und aktiv in den ver.di-Strukturen einbringen.
Mario Hütte (Name geändert) ist Post-Beschäftigter und aktiv in der Gewerkschaft ver.di.