
Wie gegen den Sozialabbau kämpfen?
Die deutsche Wirtschaft erlebt derzeit das dritte Krisenjahr – Folge des Kapitalismus. Die Arbeitslosigkeit steigt, Steuereinnahmen sinken. Auch global verliert das deutsche Kapital an Boden. Die Regierung aus CDU/CSU und SPD reagiert darauf mit Kürzungen bei Sozialausgaben und massiven Angriffen auf die Arbeitsbedingungen, um „wieder wettbewerbsfähig“ zu werden. Die Unternehmensgewinne betrugen im zweiten Quartal 2025 (also in drei Monaten) trotzdem 211 Milliarden Euro. Anstatt endlich die Profite der Superreichen zu besteuern und den ungeheuren Reichtum von oben nach unten zu verteilen, sollen wir mehr und länger arbeiten und die Lohnkosten gesenkt, also die Ausbeutung verschärft, werden.
Von Dorit Hollasky, Dresden
Zudem wurde eine seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht vorstellbare Aufrüstung beschlossen, um im weltweiten Kampf um Einflusssphären und Absatzmärkte mitzumischen.
Das dafür beschlossene „Sondervermögen“ von 500 Milliarden Euro ist kein Vermögen, sondern Schulden. Während auf der einen Seite angeblich kein Geld da ist, kann es bei Militär und Aufrüstung nicht genug sein. Dafür wurde sogar die Schuldenbremse ausgesetzt. Schon 2025 wurde fast ein Drittel mehr als im Vorjahr für die Bundeswehr ausgeben, insgesamt 86 Milliarden Euro. Beim Erreichen des Fünf-Prozent-Zieles 2029 in Höhe von 215 Milliarden Euro werden die Ausgaben dann fast die Hälfte des gesamten Bundeshaushaltes ausmachen.
Wer soll das bezahlen?
Wir alle sollen mit mehr und längeren Arbeitszeiten, geringeren Löhnen, weniger Rente, weniger Wohngeld, weniger Bürgergeld bezahlen. Beim Bürgergeld sieht Merz ein Einsparpotential von fünf Milliarden Euro im nächsten Jahr. Was für ein lächerlich geringer Betrag im Vergleich zu den Verteidigungsausgaben, für die Betroffenen jedoch eine Existenzfrage. 2026 ist eine zweite Nullrunde geplant. Der Regelsatz liegt also das dritte Jahr in Folge bei 563 Euro für eine alleinstehende Person.
Mit unverfänglichen Worten wie „Reformen“ oder „Konsolidierung“ soll verharmlost werden, was auf uns zukommt. Dass es den Regierenden klar ist, was sie da vorhaben, zeigt sich an Äußerungen wie von Friedrich Merz: „Ich werde mich durch Worte wie Sozialabbau und Kahlschlag, und was da alles kommt, nicht irritieren lassen.“ Eine „Sozialstaatskommission“ soll alle Sozialleistungen unter die Lupe nehmen, sprich kürzen: Bürgergeld, Wohngeld, Kinderzuschlag etc.
SPD-Vorsitzender und Finanzminister Klingbeil verteidigt die geplanten Reformen. Es gehe vor allem darum, Menschen in Arbeit zu versetzen. Wie eine Nullrunde beim Bürgergeld oder die Abschaffung des Achtstundentages dabei helfen sollen, erläutert er nicht. Eine Rentenkommission soll prüfen, wie die steigenden Ausgaben zu bezahlen sind – natürlich nur von den Rentner*innen und Beschäftigten. Auch die Anhebung des Renteneintrittsalters ist nicht vom Tisch, und der Vorsitzende des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) fordert gar ein Pflichtjahr für Rentner*innen bzw. dass diese für die Bundeswehr tätig werden.
Linke-Fraktionschefin Heidi Reichinnek warnte vor einem »Herbst der sozialen Grausamkeiten«. Einen richtigen Plan, um gegen die Reformen aktiv zu werden, gibt es aber in der Linken nicht. Ähnlich sieht es beim DGB aus. Bis auf eine Website, die Argumente gegen die Aufweichung des Acht-Stunden Tages auflistet, ist bislang wenig zu hören gewesen seitens der DGB Führung. Entschlossener Kampf sieht anders aus. Dabei wären es gerade die Gewerkschaften, die in der Pflicht wären alle Verschlechterungen für die Arbeiter*innenklasse zu verhindern.
Was ist nötig, um den Herbst der Grausamkeiten zu verhindern?
Ein Herbst der Grausamkeiten kann verhindert werden, doch dafür ist ein massenhafter Widerstand nötig. Dazu müssen aber jetzt die Hebel in Bewegunmg gesetzt werden, um diesen zu organisieren. Der DGB, mit seinen fast sechs Millionen Mitgliedern, hätte dafür die Ressourcen. Es muss sofort eine über alle Branchen angelegte Kampagne organisiert werden, in der wir jegliche Angriffe auf das Arbeitsrecht und die sozialen Sicherungssysteme abwehren und uns zusammenschließen, um bessere Arbeitsbedingungen für alle erkämpfen zu können. Statt sich auf verlängerte Arbeitszeiten einzulassen, muss in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und immer höherer Arbeitsproduktivität der Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf der Tagesordnung stehen. Tarifrunden sollten mit aller Konsequenz geführt werden, ohne sich auf die Argumentation einzulassen, dass kein Geld da wäre und müssten mit politischer Argumentation und Aufklärungsmaterial begleitet werden.
Die Partei Die Linke könnte eine solche Kampagne politisch mit einer Aufklärungskampagne flankieren – mit dem Inhalt, dass genug Geld da ist und nicht gekürzt werden muss, dass die unvorstellbaren Summen für Aufrüstung und Militär nicht helfen, einen Krieg zu verhindern, dass wir diese Ausgaben deshalb ablehnen und das Geld für Soziales, für Wohnungsbau, Bildung, Gesundheit, Klimaschutz und Öffentlichen Nahverkehr brauchen. Es könnten bundesweite Flyer und Plakate hergestellt und verbreitet werden. Lokale Veranstaltungen können durchgeführt werden. Gegen alle geplanten Kürzungen auf kommunaler und Länderebene sollten Proteste organisiert werden, in denen darauf Wert gelegt wird, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen und Umverteilung von oben nach unten zu fordern.
Erste Schritte könnten Konferenzen auf regionaler Ebene sein, organisiert von DGB, der Partei Die Linke und sozialen Bewegungen und Initiativen, mit dem klaren Ziel der Aktionsplanung und Vernetzung. Regelmäßige Kundgebungen gegen Aufrüstung, gegen Kürzungen oder Sozialabbau vor Ort können einen guten Anlaufpunkt bieten für Menschen, die sich politisieren. Schlussendlich wird jedoch nur massenhafter Widerstand Merz aufhalten können. Bundesweite Demonstrationen und vor allem Streiks werden dafür nötig sein.
Die derzeitige Zurückhaltung wird sonst den Boden für die Umsetzung der Reformen bereiten und der AfD Zulauf bescheren.