Neuerscheinung: Kapitalismus und Sklaverei

Manifest Verlag veröffentlicht deutsche Erstübersetzung von Eric Williams’ Klassiker

Vor über achtzig Jahren erschien die Studie des karibischen Historikers und späteren Staatschefs von Trinidad und Tobago. Das Thema “Sklaverei in der Moderne” blieb lange in der deutschsprachigen Auseinandersetzung unterbelichtet. Der Manifest Verlag legt mit der ersten deutschen Ausgabe das Buch mit ergänzenden Beiträgen unter anderem von Bafta Sarbo vor, um dazu beizutragen, diese Lücke zu schließen.

von René Arnsburg, Berlin

Dabei ist das Interesse an dem Thema nicht rein historisch motiviert. Den Kern der kapitalistischen Produktionsweise bildet zwar die Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital. Umgekehrt bedeutet das aber nicht, dass sogenannte unfreie Ausbeutungsverhältnisse mit der Entstehung des Kapitalismus verschwunden wären. Noch heute arbeiten viele Millionen Menschen unter Zwang bis hin zu Verhältnissen, die der kolonialen Plantagensklaverei in Brutalität in nichts nachstehen. Laut dem “Global Slavery Index” waren das im Jahr 2021 schätzungsweise fünfzig Millionen Menschen.

Gegen neue koloniale Mythenbildung

Damit wäre schon der Mythos widerlegt, dass es sich beim heutigen Kapitalismus um das vernünftigere oder humanere System handeln würde. Gerade in der Geschichtsschreibung der größten Kolonialmacht Britannien und des ehemaligen Sklavenstaats USA spielt die Abschaffung der Sklaverei eine große Rolle im eigenen imperialen Selbstverständnis.

Dieser Annahme versetzte Williams schon damals einen vernichtenden Stoß. Er wies nach, dass die Entstehung des industriellen Kapitalismus in Europa von der vorhergehenden Ausbeutung von Sklav*innenarbeit auf den Plantagen in den Kolonien und den USA nicht zu trennen war. Noch heute existieren zahlreiche Firmen, die ihren Ursprung im atlantischen Sklavenhandel und den Produkten der Sklav*innenarbeit haben. Williams macht das am Fallbeispiel Britannien fest, spricht aber eindeutig davon, dass das auf die gesamte Entwicklung des Kapitalismus zutrifft.

Die Abschaffung der Sklaverei im Britischen Empire hatte nichts damit zu tun, dass sich englische Gentlemen mit einer moralischeren Haltung durchgesetzt hätten. Die Bedeutung der Plantagenkolonien, deren Böden sich zunehmend erschöpften, nahm gegenüber dem Industriekapital in Europa ab. Koloniale Kriege um die ertragreichsten Kolonien wie Saint Domingue (heute Haiti), die Britannien verlor, sowie der Verlust der nordamerikanischen Kolonien waren zudem Faktoren, die neben den fortwährenden Kämpfen der Sklav*innen auf den Plantagen selbst, zu einer Einschränkung des Sklav*innenhandels und später der Abschaffung der Sklaverei führten. In ihren eigenen Kolonien ersetzten sie die Sklaverei durch andere Formen unfreier Arbeit und verschleppten Abertausende aus Süd- und Südostasien auf die Plantagen.

Kapitalismus und Rassismus

Eine wichtige Erkenntnis, die im Buch dargelegt wird, ist, dass der noch heute existierende antischwarze Rassismus nicht die Ursache der Sklaverei war. Zu Beginn des Kolonialismus wurden Menschen aus allen Regionen, mit allen Hautfarben auf den Plantagen ausgebeutet. Mit der Durchsetzung der Ausbeutung rein afrikanischer Sklav*innen brauchte man eine Rechtfertigung. Dies bildete den Ursprung kultureller und biologistischer Annahmen über die angebliche Minderwertigkeit schwarzer Menschen.

Dass dieser Rassismus nicht verschwunden ist, kann man gerade in Zeiten wie heute, bei denen die imperialistischen Weltmächte wieder vermehrt um die Kontrolle des Globus kämpfen, wahrnehmen. Allein die Annahme, dass afrikanische Länder sich wegen bestimmter interner Faktoren und nicht etwa wegen der – trotz politisch formaler Unabhängigkeit – fortgesetzten Dominanz des ausländischen Kapitals nicht entwickeln würden, knüpft an der Argumentation an, mit der einst die koloniale Beherrschung dieser Regionen gerechtfertigt wurde. Williams’ Buch zeigt nicht nur auf, wie die Entwicklung des Kapitalismus in Europa untrennbar mit der Sklaverei verbunden war, sondern legt damit auch die Grundlage für ein Verständnis einer weltweiten Herrschaftsstruktur, die bis heute existiert und nur durch einen radikalen Bruch mit dem Kapitalismus überwunden werden kann.

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