Gaza seit der „Waffenruhe“

Kein Frieden im Kapitalismus

Seit dem Inkrafttreten der Waffenruhe hat Israel diese 393-mal gebrochen und 312 Palästinenser*innen getötet, sowie mehr als 700 verletzt. Der Winterbeginn bedeutet Stürme und Überschwemmungen. Noch immer ist die humanitäre Lage für die Überlebenden in den Zeltstädten katastrophal. Währenddessen will Deutschland wieder Waffen an Israel liefern.

Von Jens Jaschik, Dortmund

Nach einer Erhebung des Max-Planck-Instituts sind im Laufe des Krieges gegen Gaza 126.000 Menschen getötet worden, doppelt so viele wie das Ministerium für Gesundheit in Gaza angibt. Das Ministerium zählt nur die Toten, für die es einen offiziellen Totenschein ausstellen konnte. Die Lebenserwartung von Männern ist dadurch auf 36 Jahre gefallen und von Frauen auf 46 Jahre.

In Bezug auf Trumps 20-Punkte-Plan, wurde bisher nur die Freilassung von Gefangenen, Geiseln und die Übergabe von Toten und ein Teilrückzug der israelischen Armee, die aber weiterhin über die Hälfte Gazas besetzt hält, umgesetzt. Im Zuge ihrer Freilassung aus den israelischen Gefängnissen berichteten palästinensische Gefangene von Folter und Misshandlungen. An die Palästinenser*innen übergeben wurden auch über 200 Leichen. Nach Ermittlungen des Guardian weisen mehr als die Hälfte von ihnen Zeichen von Folter oder Merkmale einer Hinrichtung auf. Gleichzeitig wurden Gefangene, wie Marwan Barghouti, der seit zwanzig Jahren in Isolationshaft sitzt und als „palästinensischer Mandela“ gilt, kurzfristig die Freilassung verweigert. Andere Gefangene wurden in Ägypten ausgesetzt und ihnen die Rückkehr in ihre Heimat verweigert.

Perspektiven

Die Entwicklungen machen deutlich, dass es keinen wirklichen Frieden innerhalb des Kapitalismus gibt. Das Morden in Gaza (und im Westjordanland) geht weiter, wenn auch langsamer. Die Unterdrückung der Palästinenser*innen wurde nicht beendet.

Es ist nicht zu erwarten, ob die in Teilen rechtsextreme Netanjahu-Regierung Trumps„Friedensplan“ bis zum Ende verfolgen wird. Immer wieder hat sie deutlich gemacht, dass sie keinen unabhängigen palästinensischen Staat akzeptieren wird. Doch auch ein undemokratisches, technokratisches Regime, das von den Vereinten Nationen installiert wird, ist keine „glaubwürdige Selbstbestimmung und Staatlichkeit“ wie der 20-Punkte-Plan vorgibt. UN-Sonderberichterstatter Balakrishan Rajagopal bezeichnet den Plan als „koloniale Phantasie“ und medico international spricht von einem Unrechtsplan.

Die scheinbar aussichtslose Situation der Palästinenser*innen wird kurz- oder langfristig zu neuem Widerstand gegen das israelische Terror-Regime führen. Damit der Kampf für Befreiung erfolgreich sein kann, muss dieser auf dem Boden des Klassenkampfs und mit einer sozialistischen Perspektive stattfinden. Die jetzige, wenn auch brüchige, Waffenruhe bietet zumindest die Möglichkeit, neue Organisationen und Formen des Widerstands und des Klassenkampfs zu entwickeln, sowohl in Palästina, als auch in Israel. Solange die Interessen der israelischen Kapitalist*innen und der imperialistischen Mächte, sowie der verräterischen arabischen Führungen die Politik im Nahen Osten bestimmen, wird es
keinen dauerhaften Frieden und kein Selbstbestimmungsrecht für die Palästinenser*innen geben. Die Unterdrückung und Ermordung der Palästinenser*innen wird weitergehen, und Israel wird
weiter eine – in den Worten Trotzkis – blutige Falle für Jüdinnen und Juden sein. Nur der Aufbau
demokratischer Massenorganisation – Gewerkschaften und einer Arbeiter*innenpartei – in Palästina, die sich der Unterdrückung und Unterwerfung entgegenstellen, sowie solcher Organisation in Israel, die sich der Regierung und ihren kapitalistischen Unterstützer*innen entgegenstellen und sich gegen die Besatzung aussprechen, können wirklichen Frieden und Befreiung erkämpfen. Wenn die einfachen Menschen – die Arbeiter*innen, die Jugend und die Armen – in Palästina, in Israel und in den umliegenden arabischen Ländern selbst über ihr Schicksal entscheiden, ist es möglich die grausame Spirale von Krieg und Gewalt zu beenden, und die Region auf sozialistischer Basis neu zu konstituieren.