Real: Kampf gegen drohende Massenentlassungen organisieren

10.000 Arbeitsplätze in Gefahr – Gegenwehr muss unmittelbar organisiert werden

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 14. Januar 2020 ein Interview mit dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates real, Werner Klockhaus, indem er zu den aktuellen Verkaufsplänen befragt wurde. Nachdem verschiedene Bieter ihre Angebote für die Übernahme eines Teils der real-Handelskette zurückzogen, verkündete der Chef des Mutterkonzerns Metro AG, Olaf Koch, nun den Verkauf aller 277 Filialen an den Immobilienfonds x-bricks. Dieser plant, das Unternehmen zu zerschlagen, Teile davon weiter zu verkaufen und einen Teil der Märkte nach der Gewinnoptimierung zu Lasten der Beschäftigten selbst weiter zu führen.

Von René Arnsburg, Berlin

Seit der Flucht der real GmbH aus dem Flächentarifvertrag des Einzelhandels vor fast fünf Jahren verdienen die 34.000 Beschäftigte nun mittlerweile bis zu 25 Prozent weniger pro Monat. Dieser Lohnverzicht wurde im Austausch für eine vermeintliche Beschäftigungssicherung durchgeführt. Die Gewerkschaft ver.di wurde als Verhandlungspartnerin erst durch die unternehmernahe DHV ersetzt, die den Absenkungstarif gern unterschrieb, obwohl ver.di mehr Kolleg*innen organisierte.

Der Einkommensverlust ist nicht das einzige, was die Beschäftigten der Unternehmenspolitik opfern mussten. Über mehrere Jahre hinweg herrschte Unsicherheit und Angst vor, wie es mit den Märkten weitergeht. Das intransparente Verkaufstheater, das die Metro AG über mehrere Jahre hinweg aufführte, ließ die Beschäftigten und ihre Familien deutlich spüren, was sie sind: Spielfiguren reicher Herren nach Regeln, über die sie selbst keinerlei Mitbestimmung haben. Nur wenige dürften ein ruhiges Weihnachtsfest verbracht haben, während sie sich nicht sicher sein konnten, ob ihr Arbeitsplatz und damit ihre Einkommensquelle in wenigen Wochen noch existieren wird.

Höchste Zeit zu kämpfen

Zu lange mussten die Kolleg*innen zusehen, wie sie und ihr Leben zum Spekulationsobjekt wurden, zu wenig kam von der Seite der ver.di-Führung im Fachbereich Handel. Wie der Kollege Danny Albrecht kürzlich in einem Interview mit solidaritaet.info sagte: „Mitarbeiter spielen da keine Rolle“ und „Flugblätter hatten wir genügend.“ Damit ist gemeint, dass ver.di in Aktion treten muss, statt nur zu informieren.

Leider haben die Verantwortlichen in der Bundesebene beim letzten Kampf der Beschäftigten von Karstadt Kaufhof im Dezember und beim Streik des Einzelhandels im Juli bewiesen, dass sie keine Vorstellung davon geben können und wollen, wie Streiks mit voller Kraft durchgeführt werden können. Das vorhandene Potenzial blieb ungenutzt und die in Streikwesten wartenden Kolleg*innen wurden mit schlechten Kompromissen oder gar Verschlechterungen wieder an die Arbeit geschickt. Immer wieder ließ man die Möglichkeit verstreichen, Kämpfe auf andere Betriebe oder ganze Ketten auszuweiten, wo die Bereitschaft bestanden hätte. Hinterher wird den Kolleg*innen selbst die Schuld gegeben, weil sie angeblich zu schlecht organisiert gewesen wären. Dabei zeigt die Erfahrung, dass die Mobilisierungsfähigkeit und Mitgliederzuwachs vor allem dann zunehmen, wenn ein reales Kampfangebot geschaffen wird.

Entsprechend verringert sich das Vertrauen von Kolleg*innen in eine Fachbereichsführung, die immer wieder Kämpfe und Kritik an ihrem Vorgehen unterbunden hat. Kolleg*innen bei real sollten deshalb unmittelbar Treffen von Kolleg*innen in den Filialen organisieren, sich untereinander vernetzen und Filial-übergreifende Treffen organisieren, ihre Forderungen diskutieren und ver.di auffordern, sie konsequent mit der Organisierung von Kampfmaßnahmen zum Erhalt der Arbeitsplätze zu unterstützen . Genauso sollte ver.di eine öffentliche Solidaritätskampagne auflegen, die über den Betrieb, die Branche und die Gewerkschaft hinaus in den DGB geht.

Was gegen die drohenden Entlassungen tun?

Die letzten Jahre haben gezeigt: Verzicht führt nur zu weiteren Verschlechterungen. So etwas wie sozialverträgliche Kündigungen gibt es nicht, denn Kündigungen sind immer unsozial für die, die gekündigt werden. Auf die, die bleiben wird damit nur noch größerer Druck ausgeübt. Der Keil sollte nicht in die Belegschaft getrieben werden, indem um die verbleibenden Arbeitsplätze Konkurrenz geschaffen wird. Genauso wenig sollte man sich mit vorauseilenden Kompromissen zufrieden geben. Das beste Ergebnis, egal, wie es am Ende aussieht, wird nur selbst erkämpft und nicht im Hinterzimmer verhandelt.

  • Gegen jeden Stellenabbau – Für den Erhalt aller Arbeitsplätze!
  • Ein Angriff auf Eine*n ist ein Angriff auf alle – für eine Solidaritätskampagne von ver.di und die Gründung örtlicher Solidaritätskomitees, um Kämpfe zu unterstützen
  • Sofortige Einberufung nicht zeitlich begrenzter Betriebsversammlungen, um über den Stand des Verkaufs und mögliche Aktionen dagegen zu beraten
  • Vernetzung von Kolleg*innen einzelner Filialen mit anderen auf örtlicher, regionaler und bundesweiter Ebene zur Koordinierung gemeinsamer Aktionen
  • Einberufung einer bundesweiten Delegiertenkonferenz, um ein gemeinsames Aktionskomitee zu wählen und ein Aktionsprogramm aufzulegen
  • unmittelbare Vorbereitung auf bundesweite und unbefristete Streiks bei der Verkündung von Stellenabbau oder Kündigungen, bzw. Filialschließungen durch die ver.di-Betriebsgruppen und Einbeziehung und Organisierung von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern
  • Aufbau von Verbindungen und Unterstützung in anderen Einzelhandelsbetrieben
  • Für Demokratie im Kampf und in der Gewerkschaften: Jederzeitige Rechenschaftspflicht, Wähl- und Abwählbarkeit von Funktionsträger*innen, durchschnittlicher Facharbeiter*innenlohn für Funktionär*innen
  • Gläserne Verhandlungen: Kein Abschluss und keine Kommunikation an die Öffentlichkeit über den Stand von Verhandlungen ohne vorherige Diskussion und Entscheidung durch die betroffenen Beschäftigten
  • Keine Zerschlagung des Betriebs
  • Rücknahme des Absenkungstarifs und Übergang in den Flächentarif des Einzelhandels für alle real-Beschäftigten
  • Für die Verstaatlichung der Handelskette und demokratische Kontrolle und Verwaltung durch demokratisch gewählte Komitees der Belegschaften und arbeitenden Bevölkerung (eine genauere Ausführung dieses Programmpunktes findet sich hier: Solidarität mit den Kolleg*innen bei real)

Kämpfe Vernetzen – Kommt zur Strategiekonferenz für kämpferische Gewerkschaften!

Am 25. und 26. Januar 2020 findet in Frankfurt am Main eine Konferenz kämpferischer Kolleg*innen aus verschiedenen Branchen und DGB-Gewerkschaften statt. Gemeinsam diskutieren und planen sie, wie sie in ihrer Gewerkschaft für einen konsequenten Kurs im Interesse der Beschäftigten eintreten können. Der Kampf gegen Lohndrückerei und prekäre Arbeitsbedingungen spielt dabei genauso eine Rolle wie die Frage, wie die Gewerkschaften demokratischer werden können (z.B. AG 2 Mehr Demokratie in Arbeitskämpfen und Gewerkschaften). Meldet Euch jetzt an unter: http://www.vernetzung.org/