Kürzungsorgie und Werksschließungen bei Continental

Konzern will zehntausende Stellen streichen – erster Protest in Aachen

Wenn man sich ein wenig mit Wirtschaft beschäftigt, bekommt man schnell was vom „unternehmerischen Risiko“ zu hören. Mit diesem Begriff versuchen „Wirtschaftsexpert*innen“ und bürgerliche Politiker*innen schönzureden, dass manche Vorstände hundert mal mehr (oder sogar noch mehr) als normale Arbeiter*innen verdienen oder Aktionäre immer reicher werden, während Forderungen nach mäßigen Lohnsteigerungen angeblich „dreist“ oder „unrealistisch“ seien. Gegenbeweise gibt es zuhauf. Jetzt ist mit Continental wieder einer dazugekommen.

Von Christian Walter, Aachen

Der Autozulieferer aus Hannover steckt in der Krise. Um wieder profitabler zu werden, jagt ein Kürzungsprogramm das nächste. Jährlich sollen damit eine Milliarde Euro eingespart werden. Das geht natürlich nicht mit Hokuspokus. Das geht aber auch nicht zulasten der Aktionäre oder der üppigen Vorstandsgehälter. Stattdessen zahlen – welch Überraschung – die Arbeitenden die Zeche. Sie tragen in Wahrheit das unternehmerische Risiko – wenn‘s mit dem Unternehmen mal nicht super läuft sind sie die ersten, die einstecken müssen. Oder sogar ihre Jobs verlieren.

Zehntausende Jobs bedroht

Continental ist in fast sechzig Ländern aktiv. Überall drohen jetzt Kürzungen. Weltweit sollen 30.000 Stellen abgebaut werden (insgesamt arbeiten nach eigenen Angaben derzeit etwa 241.000 Menschen bei Continental). In Deutschland sind 13.000 Stellen (von etwa 60.000) auf der Abschussliste, ganze Werke sollen geschlossen werden. Der bisher größte Kürzungshammer ist in Aachen geplant: Das Reifenwerk soll dicht gemacht werden, 1800 Menschen sind dort bisher beschäftigt. Neben ihren Jobs sind viele weitere bei Zulieferern bedroht. Aber auch in anderen Regionen sieht es düster aus: So soll das Werk im hessischen Karben mit 1100 Beschäftigten bis 2023 dicht gemacht werden. Schon bis Ende 2022 trifft es die 150 Kolleg*innen im Werk Mühlhausen (Thüringen), bis 2024 über 500 Beschäftigte im bayrischen Roding. Auch in weiteren Werken sollen Kolleg*innen gehen.

Kürzungen retten keine Jobs

In den vergangenen Jahren gab es bereits einige Versuche, auf dem Rücken der Beschäftigten die Profite zu heben. So wurden beispielsweise unbezahlte Überstunden gemacht und Flexibilisierungsmaßnahmen eingeführt. Trotzdem soll jetzt weiter gekürzt werden. Selbst wenn ein Werk hochprofitabel ist, wie das Aachener Reifenwerk, ist es nicht sicher: Mit der Schließung soll die Produktion in nicht voll ausgelasteten Werken in Osteuropa hochgefahren werden – dort kann man zusätzlich noch an Löhnen und Umweltauflagen sparen. Das zeigt: Zugeständnisse an Konzerne retten keine Arbeitsplätze. Stattdessen muss man kämpfen!

Proteste in Aachen

Am Mittwoch, am Tag nach der Schließungsnachricht, fand am Aachener Werk eine erste Protest-Kundgebung statt. Es sprachen drei Vertreter der Gewerkschaft IG BCE sowie der Aachener Oberbürgermeister Philipp (CDU) und der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Laumann (ebenfalls CDU). In den Reden war viel von Standortsicherung die Rede – unter den Rednern gab es viel Empörung darüber, dass ein profitabler Standort geschlossen werden solle. Ein Redner von der IG BCE, Betriebsratsmitglied an einem anderen Standort, betonte korrekterweise aber auch, dass sich alle bundesweit 60.000 Continental-Beschäftigten vor der Kürzungspolitik der Konzernleitung fürchten müssen. Arbeitsminister Laumann war sichtlich empört, dass die Landesregierung nicht vorab von Continental informiert wurde. Er sagte „Wir pflegen eine Kultur der Sozialpartnerschaft, nicht kapitalistische Rambo-Methoden.“ Die Landesregierung setze sich für die Standortsicherung ein, weil NRW ein Industrieland sei. Doch es war auch viel von Strukturwandel die Rede. Heißt: Die Landesregierung möchte natürlich viele Arbeitsplätze und wenig Arbeitslosigkeit. Aber sie ist auch damit einverstanden, wenn ein anderes Unternehmen dort angesiedelt wird, das ganz andere Qualifikationen braucht. Ihr geht es nicht um die Existenzsicherung der derzeit Beschäftigten. Das machte auch der Oberbürgermeister klar, der als Positivbeispiele ebensolche Fälle hervorhob.

Am meisten Applaus bekamen Aufrufe des Moderators, in den nächsten Wochen wieder raus zukommen, wenn es nötig sei. Offen wurde gelassen, ob es dabei um Unterschriftensammlungen, Demonstrationen oder sogar Streiks geht.

Solidarität

Nötig ist ein entschlossener Kampf um jeden Arbeitsplatz. Sol-Mitglieder waren bei der Kundgebung und haben gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der linksjugend [‘solid] eine Solidaritätserklärung mit politischen Vorschlägen verteilt. Darin werden drei zentrale Vorschläge gemacht: Die Offenlegung der Geschäftsbücher, der Erhalt aller Arbeitsplätze und die Enteignung von Continental, um es dann demokratisch kontrolliert durch die Beschäftigten fortzuführen. Es ist wichtig, sich nicht als Standorte gegeneinander ausspielen zu lassen oder Entlassungen von Teilen der Belegschaft hinzunehmen: Stattdessen kann der entschlossene, solidarische Kampf aller Beschäftigten die geplanten Schließungen, Stellenvernichtungen und andere Kürzungsmaßnahmen verhindern!

Dokumentiert: Solidaritätserklärung der linksjugend [‘solid] Aachen

Stoppt die Arbeitsplatzvernichtung bei Continental!

Alle Arbeitsplätze erhalten!

Solidaritätserklärung der linksjugend [‘solid] Aachen mit den Beschäftigten bei Continental Aachen

Nachdem Zehntausende Continental-Beschäftigte in den letzten Monaten in Kurzarbeit waren und damit teils heftige Lohneinbußen hinnehmen mussten, wurde jetzt der nächste Hammer bekannt: In den nächsten Jahren will Continental weltweit 30.000 Arbeitsplätze in unterschiedlichen Konzernsparten vernichten. In Deutschland sollen dafür mehrere Werke komplett geschlossen werden. Auch das Aachener Reifenwerk steht auf der Abschussliste, es soll komplett dichtgemacht werden. Für 1800 Beschäftigte (plus zahlreiche, die bei Zulieferern beschäftigt sind) hieße das: Jobverlust, Arbeitslosigkeit.

Damit versucht der Konzern auf Kosten der Belegschaft bessere Bilanzen zu erreichen. Gleichzeitig schüttet er weiter fette Dividenden für Aktionäre aus – allein dieses Jahr über 600 Millionen Euro. Und auch die Chefetage muss sich keine Geldsorgen machen: Vorstandmitglieder bekommen Millionengehälter. Der Vorstandsvorsitzende Degenhart verdient laut finanzen.net mit rund 6,5 Millionen Euro jährlich das 114-fache eines durchschnittlichen Beschäftigten.

Die Schließung muss (und kann!) verhindert werden! Nicht die Kolleginnen und Kollegen sollen die Krise bezahlen, sondern die Großaktionäre und andere Profiteure. Für den Kampf darum möchten wir drei Vorschläge einbringen:

1. Die Geschäftsbücher müssen offengelegt werden. Ist die Krise überhaupt so schlimm, wie die Führungsetage behauptet? Oder ist sie ein Vorwand, um die Produktion in Gegenden zu verlagern, wo an Löhnen und Umweltauflagen gespart werden kann? Woher kommt die Krise? Wie viel Geld kann an anderen Stellen, wie z. B. an Dividenden, Vorstandsgehältern, fetten Boni und unnötigem Sponsoring eingespart werden?

2. Alle Arbeitsplätze müssen erhalten bleiben! Wenn man sich jetzt auf halbe Kürzungen einlässt, wird in ein paar Jahren die andere Hälfte weggekürzt. Deswegen ist jetzt der Zeitpunkt entschlossene Gegenwehr zu organisieren. Es sind die Beschäftigten, die das Unternehmen aufgebaut haben, nicht die Bosse. Und weil die Bosse keine andere Sprache verstehen heißt das: Streik!

3. Continental enteignen: Immer wieder hat der Staat eingegriffen, wenn es darum ging Profite zu retten. Jetzt geht es darum Arbeitsplätze zu retten. Wenn der Konzern bei seinen Kürzungsplänen bleibt, muss der Staat eingreifen und Continental enteignen, um dann selbst für den Erhalt aller Arbeitsplätze zu sorgen. Dann wäre auch eine umfassende Demokratisierung nötig, um zu verhindern, dass eine anonyme Vorstandsebene den Laden erneut vor die Wand fährt. Deswegen sind wir für eine umfassende Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten selbst.

Nur gemeinsam sind wir stark! Deswegen müssen wir um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Effektiver wird dieser Kampf, wenn wir solidarisch zusammenstehen.

Deswegen ist eine Vernetzung mit anderen von den Kürzungsplänen betroffenen Standorten nötig und ebenso mit Kolleginnen und Kollegen in anderen Unternehmen, die um ihre Arbeitsplätze kämpfen müssen wie bei Thyssen-Krupp, Bayer oder Galeria Karstadt Kaufhof. Die Wirtschaft ist in einer tiefen Krise. In der nächsten Zeit müssen wir mit noch viel mehr Nachrichten wie der Schließungsankündigung bei Continental rechnen. Allein kann man schnell untergehen, zusammen ist man stärker.

Die Gewerkschaften sind da gefordert, um in jedem einzelnen Fall klarzumachen: Wenn ein Konzern Stress sucht, bekommt er Stress. Kürzungen und Stellenabbau dürfen keine Schule machen und müssen deshalb mit aller Kraft verhindert werden. Neben entschiedenen lokalen Kämpfen bis hin zu Streiks und Kampagnen für Enteignungen, sollte auch eine bundesweite Demonstration organisiert werden, um denen da oben zu zeigen: Wir zahlen eure Krise nicht!

Wir wünschen euch viel Kraft, Ausdauer und Erfolg!

Wir werden euren Kampf natürlich solidarisch begleiten und euch dabei unterstützen!

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