EU-„Wiederaufbauplan“: Befreiungsschlag, Trostpflaster oder weiterer Sargnagel?

Was ist von dem von Ursula von der Leyen angekündigten Wiederaufbauplan „Next generation EU“ zu halten?

In der Coronakrise triumphierte in der EU – und allen voran in Deutschland – zunächst der nationale Egoismus: Grenzschließungen, Beschaffung von medizinischen Gütern im nationalen Alleingang und sogar Exportverbote in andere Länder. Zum Beispiel Italien musste erleben, dass es von China oder Kuba mehr Hilfe bekam als aus anderen EU-Ländern. Kein Wunder, dass in Meinungsumfragen in Italien die Ablehnung gegen die EU drastisch zunahm. Und Italien ist kein kleines Land am Rande der EU, sondern spielt eine wichtige Rolle als Finanzplatz und in Lieferketten. Um eine gefährliche Kettenreaktion zu vermeiden, musste Italien besänftigt werden. Schon im April entschuldigte sich von der Leyen, dass „zu viele nicht rechtzeitig da waren“, als Italien Hilfe brauchte. Angesichts der realen materiellen Probleme reichen Worte jedoch nicht. Aber wie weit reichen die Geldmittel, die jetzt versprochen werden?

Von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

Am 27. Mai verkündete von der Leyen ihren „Wiederaufbauplan“. Er beinhaltet 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden als Kredite, die in den nächsten Jahren an Mitgliedsstaaten verteilt werden sollen. Dafür will die EU Schulden machen, die von 2028 bis 2058 zurückgezahlt werden sollen.

Wofür soll das Geld eingesetzt werden?

Diese Frage spielt in der Debatte, auch von linker Seite, eine viel zu geringe Rolle. 310 Milliarden Euro sollen dazu dienen, die EU „moderner“, „grüner“ und „wettbewerbsfähiger“ zu machen. Dazu soll ein ganzes Paket von Maßnahmen dienen. Eine Säule ist die Förderung von Elektroautos durch die Schaffung von Millionen Ladestationen und Kaufprämien für „saubere“ Fahrzeuge. Wie Verkehrsexperten wie Winfried Wolf – und die Sol – wiederholt erklärt haben, sind Elektroautos keineswegs eine umweltfreundliche Alternative. Diese Maßnahme ist also kein Beitrag zum Umweltschutz, sondern dient dazu, die Umstellung des Verkehrs und der Autoindustrie auf wirklich umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel für eine ganze Generation zu blockieren … mit verheerenden ökologischen Folgen. Ähnliches gilt für die vorgesehene Förderung der Renovierung von Gebäuden. Während zum Beispiel Solardächer besonders in Südeuropa sinnvoll sein mögen, dürfte es sich bei der Wärmedämmung vor allem um die in Deutschland verbreitete Fassadendämmung mit Styropor handeln. Sie ist wenig wirksam und im buchstäblichen Sinne brandgefährlich. Sie ist vor allem ein Geschäft für die Hersteller, die Bauwirtschaft und für Vermieter*innen, die dafür die Mieten erhöhen können.

Eine weitere Säule neben dem angeblichen Umweltschutz ist die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere durch ein Vorantreiben der Digitalisierung. Es geht also um die Wettbewerbsfähigkeit der EU gegenüber den USA, gegenüber China und anderen Weltregionen. Daran arbeitet die EU schon seit Jahrzehnten (nur dass vor zwanzig Jahren noch von Japan statt von China die Rede war). Wie wird im Kapitalismus Wettbewerb hergestellt? Durch niedrigere Löhne, längere Arbeitszeit, größere Arbeitshetze, Sozialabbau, den Abbau von Umwelt- und Verbraucher*innenschutz. Wenn die propagierte Digitalisierung funktioniert, bedeutet sie das staatlich geförderte Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen. Exportüberschüsse, wie sie Deutschland seit Jahrzehnten eingefahren hat, bedeuten den Export von Arbeitslosigkeit in andere Länder.

Zur Finanzierung sollen auch neue Einnahmequellen geschaffen werden. Genannt werden eine Ausweitung des Emissionshandels auf den See- und Luftverkehr, eine Grenzsteuer auf CO2-intensive Importwaren, eine Plastikabgabe und eine Digitalsteuer. Dahinter steckt offensichtlich die Ideologie, die Umwelt mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu retten. Diese Illusion haben wir immer bekämpft und in der Coronakrise haben sich Millionen überzeugen können, wie „der Markt“ nicht zu einer sinnvollen Verteilung von Produkten, sondern zur Abzocke führt. Oder, wie es in einem Aufruf des DGB Nordwürttemberg zu einer Kundgebung zum 23. Mai 2020 hieß: „ Die aktuelle Situation hat uns deutlich vor Augen geführt: Die Marktwirtschaft ist ungeeignet, in Krisensituationen angemessen zu reagieren und Gerechtigkeit zu schaffen. “ Wir lehnen die Belastung der Verbraucher*innen unter dem Etikett des Umweltschutzes ab.

Der Hauptteil der vergebenen Zuschüsse soll aber nicht durch neue Finanzmittel aufgebracht werden, sondern von 2028 bis 2058 aus dem normalen EU-Haushalt zurückgezahlt werden. Das setzt offenbar voraus, dass es von jetzt an der Weltwirtschaft und der EU so gut gehen wird, dass in den kommenden Jahrzehnten keine neuen Rettungspakete aufgelegt werden müssen. Diese Vorstellung braucht man nicht zu widerlegen. Man kann gleich über sie lachen. Oder weinen?

Wer soll das Geld bekommen?

Das Geld soll nach einem Schlüssel aufgeteilt werden, der sich nach Bevölkerungszahl, Wirtschaftsleistung und Arbeitslosenzahl richtet. Dabei gelten für die Zuschüsse und die Kredite andere Kriterien. So soll Italien 82 Milliarden Euro Zuschüsse und 91 Milliarden Kredite (zusammen 173 Milliarden) bekommen, Spanien 77 Milliarden Zuschüsse und 63 Milliarden Kredite (zusammen 140 Milliarden), die BRD 29 Milliarden Zuschüsse und keine zusätzlichen Kredite. Diese Zahlen sind Obergrenzen und die Gelder sind auf verschiedene Töpfe verteilt. Wenn eine Regierung der Ansicht ist, dass zwar Solardächer eine gute Sache sind, aber Ladestationen für E-Autos nicht, dann kann sie die Gelder nicht dahin umleiten. Wenn sie endlich Krankenschwestern menschenwürdig bezahlen und die Kürzungen im Gesundheitswesen vergangener Jahre rückgängig machen will – in der Bundestagsdebatte über die Kommissionsvorschläge hat der LINKE-Abgeordnete de Masi daran erinnert dass die EU-Kommission seit 2011 63 mal Mitgliedsländer zu Kürzungen der Gesundheitsausgaben aufgefordert hat –, dann kann sich nicht Geld dahin umleiten, das für die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen mittels Digitalisierung bestimmt ist.

Welche weiteren Maßnahmen gab es?

Die EZB begann im März ihr „Pandemie-Notfallkaufprogramm“ (PEPP). Bis zum 31. 12. wollte sie für 750 Milliarden Euro Wertpapiere aufkaufen, um die Aktien- und Anleihenmärkte in der Eurozone zu stützen. Am 4. Juni beschloss die EZB, das Programm um ein halbes Jahr und 600 Milliarden Euro auszuweiten. Das summiert sich auf 1,35 Billionen Euro in weniger als anderthalb Jahren. Zum Vergleich; Am 5. Mai erklärte das Deutsche Bundesverfassungsgericht die Wertpapierkäufe in der Summe von 2,4 Billionen Euro für eine Kompetenzüberschreitung und forderte einen Nachweis der Verhältnismäßigkeit ein.

Am 13. April hatte die EU eine kurzfristige Nothilfe in Höhe von 540 Milliarden Euro beschlossen. Sie bestand ausschließlich aus Krediten und bestand aus drei „Töpfen“. Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM stellt 240 Milliarden Euro Kredite für Länder der Eurozone zur Verfügung, die anders als die berüchtigten „Rettungspakete“ in der Schuldenkrise ab 2012 nicht mit drakonischen Auflagen verbunden sein sollten. Ein zentraler Teil der damaligen Auflagen waren regelmäßig massive Kürzungen im Gesundheitswesen, die in der aktuellen Krise buchstäblich tödliche Folgen hatten. Jetzt wurde beschlossen, dass die Gelder nur für Ausgaben verwendet werden dürfen, die direkt oder indirekt im Gesundheitswesen entstehen. Weitere 100 Milliarden Euro stellt die EU-Kommission für die Finanzierung von Kurzarbeitergeld zur Verfügung, weitere 200 Milliarden die EZB für Unternehmenskredite. Die beiden letzteren Beträge gelten also für alle EU-Länder, nicht nur die Eurozone.

Da es sich bei allen diesen Beträgen um Kredite handelt, müssen sie also früher oder später zurückgezahlt werden und erhöhen bis dahin die Schuldenlast der betroffenen Länder, die meistens davor schon über den Vorgaben der Maastricht-Kriterien von sechzig Prozent lag. Italien hat eine Staatsschuldenquote von 135 Prozent, Spanien von 97 Prozent. Wenn sie also nicht direkt mit Verpflichtungen zum Sozialkahlschlag verbunden sind … was kann man anderes von kapitalistischen Regierungen erwarten, um sie zurückzuzahlen?

Selbstverständlich werden die Beträge nicht reichen. Aber die Europäische Investitionsbank rechnet bei ihren Mitteln auf die Hebelwirkung. Das heißt: ihre Mittel sollen mit den Mitteln von nationalen Förderbanken, Beteiligungsfonds etc. kombiniert werden. Soweit es sich dabei um nationalstaatliche Mittel handelt, sind wir wieder auf die Frage der finanziellen Möglichkeiten der Nationalstaaten zurückgeworfen. Soweit es sich um private Mittel handelt, wird es stark vom Krisenverlauf abhängen, ob die Mittel fließen. Wenn es tatsächlich einen V-förmigen Verlauf gäbe, also eine schnelle und heftige Erholung nach einer tiefen, aber kurzen Krise, mag das funktionieren. Aber bei einer langen Krise? Welcher private Investor wird sein Geld in ein Fass ohne Boden werfen, nur weil die Europäische Investitionsbank zehn Prozent drauflegt?

Parallel wird die EU-Haushaltsplanung für die sieben Jahre 2021 bis 2027 verhandelt – und damit die Zahlen beeindruckender sind, werden diese Haushaltszahlen einfach auch als Coronamaßnahmen deklariert, obwohl der größte Teil der Ausgaben natürlich ohnehin erfolgt wäre und Umschichtungen von Mitteln bedeuten, dass das Geld an anderer Stelle fehlt. Abgesehen davon: Der Haushaltsrahmen war im Februar, vor der Coronakrise bereits diskutiert worden, aber die Verhandlungen waren ergebnislos abgebrochen worden. Jetzt legt die Kommission den damals nicht konsensfähigen Kompromissvorschlag erneut vor und deklariert ihn als Maßnahme gegen Corona.

Vor allem aber zeigen die Zahlen, mit denen die EU-Kommission jetzt hausieren geht, wie geringe Mittel sie tatsächlich hat: der Haushaltsrahmen für die sieben Jahre beträgt 1,1 Billionen Euro, etwa 150 Milliarden pro Jahr, Mit anderen Worten: der Haushalt der großen EU ist nicht einmal doppelt so groß wie der Landeshaushalt von Nordrhein-Westfalen.

Wird der Plan angenommen werden?

Da die Mitgliedsstaaten der EU für die Schulden gerade stehen müssen, die die EU-Kommission jetzt aufnehmen will, kann der „Wiederaufbauplan“ nicht per Mehrheitsbeschluss angenommen werden. Nicht nur alle 27 EU-Regierungen und das EU-Parlament, sondern auch alle 27 nationalen Parlamente müssen zustimmen. Am 19. Juni wird es ein Treffen der EU-Regierungen geben. Es wäre aber überraschend, wenn es da schon eine Einigung gäbe. Wir können mit einem monatelangen Gefeilsche rechnen, das die am 1. Juli beginnende deutsche EU-Präsidentschaft überschatten kann (es sei denn, es wird von noch größeren Problemen in den Hintergrund gedrängt).

In den letzten Wochen sind die Sparsamen oder Geizigen Vier (Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden) als Bremser aufgetreten. Sie haben Zuschüsse generell abgelehnt und sind nur mit Krediten – an bereits hoch verschuldete Staaten – einverstanden, verbunden mit einem „starkes Bekenntnis zu Reformen“. Mit anderen Worten, fordern sie eine Wiederholung der verheerenden Maßnahmen in der „Schuldenkrise“ ab 2012. Auf der anderen Seite hatte das Europäische Parlament zwei Billionen Euro gefordert und soll sich jetzt mit weniger als vierzig Prozent davon zufrieden geben.

Die EU-Kommission rechnet offiziell nur mit „leichten Korrekturen“ in den Verhandlungen, aber das ist natürlich Verhandlungstaktik.

Ein weiterer Streitpunkt dürfte das Kriterium der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit sein, das die EU-Kommission zu einer Voraussetzung für die Vergabe der Mittel macht. Das ist auf Länder wie Ungarn und Polen gemünzt, die eine entsprechende Einschränkung auch ablehnen. Aber wenn die EU auf diese Vorgabe verzichten würde, um die Zustimmung von Polen und Ungarn zu bekommen, würde es dagegen Opposition in anderen Ländern und dem EU-Parlament geben.

Die Merkel-Regierung und der „Wiederaufbauplan“

Wenige Tage vor der Verkündung des Plans der EU-Kommission waren Merkel und der französische Präsident Macron mit einem Vorschlag von 500 Milliarden Euro Zuschüssen aufgetreten, der dem sehr ähnelte, was dann von der Leyen verkündete. In der deutschen Politik gab es abgesehen von der AfD viel Zustimmung. Auch ein neoliberaler Hardliner wie Friedrich Merz erklärte: „Hätten wir normale Zeiten, hätte ich gesagt, das geht nicht. Aber eine so außergewöhnliche Situation, in der wir jetzt in Europa sind, erfordert auch außergewöhnliche Maßnahmen.”

In den letzten Jahren waren deutsche Regierungen bei Hilfen für Südeuropa Bremser. In der Schuldenkrise ab 2012 traten Merkel und der damalige Finanzminister Schäuble wie Kredithaie auf, die säumigen Schuldnern die Knochen brechen lassen, um ihre „Zahlungsmoral“ zu erhöhen. In den letzten Jahren und Monaten waren sie entschiedene Gegner von Eurobonds/Coronabonds, weil die eine Vergemeinschaftung von Schulden bedeuten würden. Jetzt befürworten sie plötzlich die Vergemeinschaftung von Schulden in einer etwas anderen Form. Was ist geschehen?

Zunächst einmal sind die EU und auch der Euro im Interesse des deutschen Kapitals. Im 19. Jahrhundert war die Überwindung der Kleinstaaterei und die Schaffung großer Nationalstaaten im Interesse des Kapitals notwendig. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden auch diese Nationalstaaten zu eng für die kapitalistische Entwicklung, zu Fesseln der Produktivkräfte. Zwei Weltkriege waren Ausdruck davon und insbesondere Versuche, deutsche Steinkohle und französisches Eisenerz zusammenzubringen. Es war kein Zufall, dass die erste Vorstufe der EU nach dem Zweiten Weltkrieg gerade die Montanunion war, die Deutschland, Frankreich, die Benelux-Staaten und Italien gerade im Kohle-und-Stahl-Bereich zusammenbrachte. Jetzt sollte mit friedlichen Mitteln erreicht werden, was mit kriegerischen Mitteln so verheerende Folgen hatte. Das „Wirtschaftswunder“ in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg hing auch damit zusammen, dass die Fesseln des Nationalstaats zwar nicht überwunden, aber doch ein ganzes Stück gelockert werden konnten. Nach der Montanunion folgten weitere Einigungsschritte und die Ausweitung von sechs auf 28 (und seit dem Austritt Großbritanniens dann wieder 27) Staaten. Es war aber nie eine reine Erfolgsgeschichte. Zum Beispiel in den 1980er Jahren waren die damalige Europäische Gemeinschaft (EG) vor allem als zerstrittener Haufen im Bewusstsein der (west-)deutschen Öffentlichkeit, Medien schrieben über Eurosklerose. Ende der 1980er Jahre begann dann sozusagen eine Flucht nach vorne.

Dabei bekam die inzwischen in Europäische Union umbenannte Europäische Gemeinschaft eine neue Rolle. Hatten ihre Regelungen vorher eher den kleinsten gemeinsamen Nenner der EG gebildet, so änderte sich jetzt die Lage. Die kapitalistischen Staaten gingen zunehmend an die Zerstörung der in den vorherigen Jahrzehnten mühsam erkämpften sozialen Verbesserungen. Bei dieser Zerstörungsarbeit diente die EU als willkommener Rammbock. Die Regierungen einigten sich auf neoliberale Kürzungsmaßnahmen und drückten sie dann mit der Begründung durch: das sind Vorgaben aus Brüssel, da können wir nichts machen.

Nicht nur die EU, sondern auch der Euro ist im Interesse des deutschen Kapitals. Er erleichtert nicht nur die deutschen Exporte (und Exportüberschüsse) in den Rest der Eurozone. Der Wechselkurs des Euro wird durch die Stellung der Eurozone insgesamt im kapitalistischen Wettbewerb bestimmt. Da andere Euro-Länder da schlechter dastehen als die BRD, ist der Wechselkurs des Euro wesentlich niedriger als es der Wechselkurs einer nationalen Währung der Bundesrepublik wäre. Die Folge: deutsche Exporte in Länder außerhalb der Eurozone sind billiger, Importe von dort teurer. Dadurch sind die Exportüberschüsse Deutschlands auch nach außerhalb der Eurozone durch den Euro massiv begünstigt.

In den letzten acht Jahren stehen wieder Krisen und Konflikte im Vordergrund: insbesondere die „Staatsschuldenkrise“ mehrerer europäischer Länder ab 2012, dann 2015 die so genannte „Flüchtlingskrise“, in der sich die EU als unfähig erwies, mit Geflüchteten menschlich umzugehen, deren Anzahl im Vergleich zur Gesamtbevölkerung der EU im Promille-Bereich lag.

Dann folgte das Brexit-Referendum in Großbritannien und die langjährigen Verhandlungen über einen britischen EU-Austritt.

Und schließlich kam die Coronakrise, in der, wie zu Beginn des Artikels beschrieben, in der EU zunächst der nationale Egoismus triumphierte, bis die Herrschenden auch in Deutschland erkannten, dass sie dringend gegensteuern müssen. Jetzt gibt es gerade bei ihnen den Konsens, dass etwas getan werden muss, der in Merz’ Worten zum Ausdruck kommt, dass außergewöhnliche Zeiten außergewöhnliche Maßnahmen erfordern würden. Und ein anderer Kandidat für den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen (zugleich Chef des Auswärtigen Ausschusses) warnte gegenüber „Zeit Online”: Würden sich Italien und Spanien nach „Jahren der Austerität” von den anderen Europäern im Stich gelassen fühlen, „wären wir dem Scheitern der EU ganz nah”. Angesichts dieser Lage gibt es in der deutschen Politik breiteste Zustimmung zu Maßnahmen, die wenige Monate vorher noch als Teufelszeug gegolten hätten.

Ob damit die EU ihr Image kurzfristig aufpäppeln kann, wird vom Verlauf der Verhandlungen in den nächsten Wochen und Monaten abhängen. Die realen Entwicklungen der kommenden Monate werden vor allem von der Entwicklung der Corona-Krise (kann eine zweite Infektionswelle vermieden werden etc.) und der Weltwirtschaft abhängen. Um sie grundlegend zu beeinflussen, sind die EU-Maßnahmen zu wenig bzw. greifen zu spät (über mehrere Jahre verteilt). Sicher ist aber, dass die Maßnahmen die grundlegenden Widersprüche nicht überwinden können.

Der Kapitalismus kann den Nationalstaat nicht überwinden

Die anfängliche Reaktion der EU zu Beginn der Krise hat deutlich gezeigt, dass die EU ein Zusammenschluss von Nationalstaaten ist, die egoistisch handeln, wenn es ernst wird. Wenige Zahlen mögen den Unterschied zwischen der EU- und der Nationalstaats-Ebene verdeutlichen. Wie erwähnt beträgt der EU-Haushalt etwa 150 Milliarden Euro, pro Kopf der Bevölkerung sind das 344 Euro. Der Haushalt der BRD umfasst fast 500 Milliarden Euro, pro Kopf der Bevölkerung 5837 Euro, also fast das 17-fache pro Einwohner*in.

Zum Politikum wurde der Zustand, dass die EU weiterhin nicht mehr als ein Zusammenschluss von Nationalstaaten ist, als am 5. Mai das deutsche Bundesverfassungsgericht nicht nur urteilte, dass die Wertpapierkäufe der EZB während der letzten Jahre eine Kompetenzüberschreitung gewesen seien, sondern dasselbe auch dem Europäischen Gerichtshof ins Stammbuch schrieb, der das Vorgehen der EZB abgesegnet hatte. Die unmittelbaren Folgen dürften gering sein: Der Bundesregierung wurde nur die Hausaufgabe erteilt, die Verhältnismäßigkeit der Wertpapierkäufe zu begründen. Aber dass das höchste deutsche Gericht sich für zuständig erklärt, über die Kompetenzgrenzen des EuGH zu urteilen, ist viel gravierender. Dass ein deutsches Landesverfassungsgericht ein ähnliches Urteil in Bezug auf das Bundesverfassungsgericht fällen würde, wäre undenkbar.

Die Aufgabe von Sozialist*innen ist es aber nicht, für einen der Konfliktbeteiligten Partei zu ergreifen, sondern zu erklären, dass der Konflikt Ausdruck davon ist, dass der Kapitalismus den Nationalstaat nicht überwunden hat. Und wir sollten auch daran erinnern, dass EU-Institutionen seit Jahrzehnten gegen sozialstaatliche Errungenschaften der Mitgliedsstaaten gekämpft haben und die EuGH-Rechtssprechung ein wichtiger Bestandteil dieser Offensive war, aber das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen niemals geurteilt hat, dass dies eine Kompetenzüberschreitung sei, die zum Beispiel mit dem „Sozialstaatsgebot“ des deutschen Grundgesetzes unvereinbar sei.

Aber muss es so bleiben? Wenn im 19. Jahrhundert, als die Überwindung der Kleinstaaterei notwendig war, die Schaffung von Nationalstaaten in Deutschland und Italien möglich war, warum soll sich das nicht auf einer höheren Ebene wiederholen lassen?

Zunächst einmal waren diese Einigungen keine friedlichen Entwicklungen. Bismarck brauchte drei Kriege (gegen Dänemark 1864, gegen Österreich 1866/67 und gegen Frankreich 1870/71) für die Schaffung seines Nationalstaats. Um diese Einigung abzusichern folgten dann zwei „Kriege“ gegen „Feinde“ im Innern, gegen Minderheiten, um die Mehrheitsgesellschaft zusammenzuschweißen, erst der „Kulturkampf“ gegen die katholische Minderheit, dann das „Sozialistengesetz“ gegen die Arbeiter*innenbewegung. Und auch danach war das Deutsche Reich gegenüber den Einzelstaaten noch viel schwächer, als es heute der Bund gegenüber den Bundesländern ist. Dabei wurde die ganze Entwicklung noch durch die Dominanz des bestehenden preußischen Staats im neu gegründeten deutschen Reich erleichtert. In einem vereinigten Europa würde keiner der vorherigen Staaten an Fläche, Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft so dominieren, wie es Preußen nach 1871 in Deutschland tat.

Es gibt aber tiefgreifendere Gründe, warum eine Wiederholung von 1871 auf höherer Ebene unmöglich ist. Im 19. Jahrhundert war die Kleinstaaterei eine Fessel der wirtschaftlichen Entwicklung, aber der Kapitalismus noch nicht. Die Kapitalisten waren noch damit beschäftigt, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft von feudalem Schutt zu säubern, allerdings höchst bedächtig und sorgfältig prüfend, welche Teile dieses Schutts ihnen als Hilfe bei der Ausbeutung der Arbeiter*innen und als Waffen gegen die Arbeiter*innenbewegung nützlich waren. Also mussten sie sich den Staatsapparat ohnehin zu einem zuverlässiges Werkzeug umschmieden und die einzelstaatlichen Staatsapparate hatten in dieser Hinsicht gegenüber dem neuen Staatsapparat wenig Vorzüge. Dazu kam, dass die Rolle des Staats in der Wirtschaft begrenzt war. Seit dem 20. Jahrhundert ist der Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium eingetreten. Das heißt, dass nicht nur der Nationalstaat, sondern auch die kapitalistischen Produktionsverhältnisse Fesseln für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung sind, dass die Rolle des Staats in der Wirtschaft viel größer ist und die Verflechtung zwischen Staatsapparaten und Wirtschaft ebenfalls. Es gab zwar in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang mit der Globalisierung Gerede über transnationale Konzerne, aber auch wenn Konzerne global operieren (wir sprechen deshalb von multinationalen Konzernen), so haben doch fast alle von ihnen weiterhin eine klare nationale Basis. Man braucht nur den Umgang mit dem Dieselgate in den USA und in der BRD zu vergleichen, um zu sehen, dass es für alle Beteiligten selbstverständlich war, dass es deutsche und US-Autokonzerne gibt, aber keine transnationalen. Und auch wenn deutsche Bundeskanzler*innen auf Staatsbesuch gehen und dabei Wirtschaftsdelegationen mitnehmen, nehmen sie natürlich Vertreter*innen von deutschen und nicht von französischen oder schwedischen Konzernen mit. Es gibt also weiterhin nationale Konzerne und nationale Staaten, die deren Interessen vertreten und diese Konzernvertreter*innen denken gar nicht daran, die Katze im Sack zu kaufen und ihren Nationalstaat durch einen neuen EU-Staat zu ersetzen, von dem sie nicht wissen können, welche Rolle ihre Interessen in ihm spielen würden.

Dazu kommt, dass die BRD – wie so gut wie alle Staaten auf der Erde – ein kapitalistischer Staat ist, also die kapitalistischen Interessen, die Interessen einer kleinen Minderheit vertritt. So etwas kann nur funktionieren, wenn der Staat weit über diese kleine Minderheit hinaus Unterstützung in der Gesellschaft hat. Selbst eine Diktatur könnte sich mit reiner Unterdrückung nicht lange halten und bürgerliche Demokratien brauchen erst recht Massenunterstützung oder zumindest Massenakzeptanz, um zu funktionieren. Dies kann natürlich auf realem Schutz, realen Verbesserungen beruhen, aber je krisenhafter der Kapitalismus wird, desto schwerer ist das zu bewerkstelligen. Je weniger sich die Herrschenden auf reale Interessen stützen können, desto mehr müssen sie sich auf dumpfe Vorurteile stützen, und da nimmt der Nationalismus und „Patriotismus“ eine zentrale Rolle ein. Solche Vorstellungen wurden in Jahrzehnten und Jahrhunderten geschaffen und können nicht einfach wie ein Wasserhahn zugedreht oder zum Beispiel durch einen Euro-Nationalismus oder Euro-Patriotismus ersetzt werden, falls der einmal nützlicher sein sollte.

Das kann für kapitalistische Politiker*innen ganz konkret zu dem Dilemma führen, dass bestimmte Maßnahmen, die sie im Interesse des Kapitals wollen, sie Stimmen kosten können.

Das ist nicht nur ein Hindernis bei einer Überwindung der Nationalstaaten zugunsten einer wirklichen Vereinigung Europas, die das Kapital selber nicht will, sondern auch bei solchen Schritten in diese Richtung, die aus kapitalistischer Sicht wünschenswert oder notwendig sind. Die Folge sind faule Kompromisse (und werden es auch in Zukunft sein). Das Ergebnis ist eine EU, die zwischen allen Stühlen sitzt.

Polarisierungen in der EU

Aber Europa steht nicht still und die Welt auch nicht. Der Kapitalismus hat die historische Tendenz, Widersprüche und Gegensätze zuzuspitzen, nicht nur zwischen den Gesellschaftsklassen, sondern auch zwischen Regionen. Deswegen sind kapitalistische Nationalstaaten gezwungen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um das Maß an gesellschaftlichem Zusammenhalt sicherzustellen, das für eine funktionierende Produktion und damit auch für die kapitalistische Ausbeutung notwendig ist. Dazu soll zwischen den Klassen der „Sozialstaat“ dienen, zwischen Regionen Einrichtungen wie der Länderfinanzausgleich. Das funktioniert schlecht genug, siehe Ostdeutschland, siehe das Ruhrgebiet, aber die Idee eines Länderfinanzausgleich stellt kaum jemand in Frage. Ähnliche Ideen auf EU-Ebene werden dagegen seit Jahren als „Transferunion“ verteufelt, dabei wirkt die Polarisierung zwischen den Regionen und Nationalstaaten in der EU noch stärker … und mit der Einführung des Euro wurde sie in der Eurozone künstlich vorangetrieben.

Der Euro senkte in südeuropäischen Ländern zuerst die Zinsen (da quasi der Zinszuschlag zur Absicherung gegen Währungsabwertungen wegfiel). Die Folge war eine Zunahme der privaten Verschuldung und die Verstärkung des Immobilienbooms zum Beispiel in Spanien. Das führte zu höherem Konsum, der die Wirtschaft ankurbelte, nicht zuletzt Importe aus der BRD. Aber das böse Erwachen kam bald in Form der Finanzkrise 2007 bis 2009. Die Wirtschaft brach ein, die Spekulationsblasen platzten, die Staaten gab Milliarden aus, um trudelnde Banken zu stützen, ab 2012 folgte die „Staatsschuldenkrise“ auf die Finanzkrise. Und wir sollten nie vergessen, dass die Staatsschulden nicht wegen irgendwelcher Sozialausgaben an die Masse der Bevölkerung explodierten, sondern wegen den Rettungspaketen für die Kapitalisten, insbesondere für die Banken! Die Folgen waren die brutalen Kürzungspakete der folgenden Jahre.

Eine weitere Folge war eine weitere regionale Polarisierung in der EU: zwischen hoch verschuldeten Ländern vor allem in Südeuropa, in denen die Staaten Staatsanleihen nur mit hohen Risikozuschlägen auf dem Markt platzieren konnten und Ländern wie der BRD, deren Staatsanleihen als sichere Anlage galten und deren Zinsen daher gegen Null gingen. Die Folge war der drastische Rückgang der Kosten für Zinszahlungen für deutsche Staatsschulden, ein wichtiger Grund für die „Gesundung“ der deutschen Staatsfinanzen in den letzten Jahren, für die sich die Politiker*innen so gerne auf die Schulter klopfen.

Das war auch der Hintergrund dafür, dass die Forderung nach Euro-Bonds (oder in den letzten Monaten: Corona-Bonds) in südeuropäischen Ländern erhoben wurde. Damit sollte die Kluft zwischen hohen und niedrigen Zinsen für Staatsschulden überbrückt werden. Das wurde jetzt erst mal abgeblockt und der „Wiederaufbauplan“ soll dafür als Trostpflaster kommen. Wir werden sehen, ob sich die EU-Staaten auf einen solchen Plan einigen werden und wie sehr das Endergebnis einem Trostpflaster oder einem gerupften Huhn ähnlich sehen wird. Aber eines ist sicher: die historische Tendenz des Kapitalismus zur Erzeugung von polaren Gegensätzen zwischen den Regionen wird weitergehen und damit wird auch der Druck zu Gegenmaßnahmen in Form eines europäischen Länderfinanzausgleichs aka Transferunion und zu gemeinsamen Staatsanleihen auf Eurozonen oder EU-Ebene zunehmen. Auf der anderen Seite wird es auf kapitalistischer Grundlage unmöglich bleiben, den gordischen Knoten zu durchhauen und den Nationalstaat zu überwinden. Die Gesetzmäßigkeiten, Widersprüche und Gegensätze des Kapitalismus führen unweigerlich zu immer neuen politischen Widersprüchen, Konflikten und Krisen.

Polarisierung global

Aber nicht nur innerhalb der EU steht die Welt nicht still. Zwar wurde China als erstes von der Corona-Krise betroffen, aber es scheint sich auch als erstes zu erholen. Auch wenn wir nicht vorhersehen können, ob uns noch zweite und dritte Wellen von Corona bevorstehen, ist es gut möglich, dass China auch damit besser klarkommen würde. Eine andere Frage ist, welche Folgen die Weltwirtschaftskrise auf die stark exportorientierte chinesische Wirtschaft haben wird und wie die immer neuen Wirtschaftskriegsmaßnahmen der USA sich auswirken werden. Aber insgesamt sieht es danach aus, dass die Krise den Niedergang der USA und den Aufstieg Chinas verstärkt.

Aber welche Rolle spielt die EU dabei? Die Rolle der EU als globaler Player spielt immer eine zentrale Rolle in den Plänen der Herrschenden. Dass sich Italien und andere Länder mehr auf China orientieren könnten, ist eine Angstvorstellung der Herrschenden in der BRD und ein wichtiger Grund, warum sie aktuell zu begrenzten Zugeständnissen an Italien & Co bereit sind. Aber wenn auf der einen Seite ein US-Nationalstaat steht und auf der anderen Seite ein chinesischer Nationalstaat und die EU eben kein europäischer Nationalstaat ist, dann können solche begrenzten Zugeständnisse die Fliehkräfte in der EU nicht dauerhaft überwinden.

In der Corona-Krise sind zum Teil Kriegs-Metaphern beliebt gewesen. In linken Krisen wurden Parallelen zur Burgfriedenspolitik im Ersten Weltkrieg gezogen. Natürlich hinken solche Vergleiche stark. Ein anderer Vergleich, der natürlich auch etwas hinkt, scheint mir trotzdem nicht unnütz. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es verschiedene internationale Krisen: die Marokkokrisen von 1905 und 1911, die Balkankrisen von 1908 und 1912 … und jedes Mal gelang es, einen großen Krieg zu vermeiden. Damals zogen auch viele Linke die Schlussfolgerung, es werde jedes Mal so glimpflich abgehen, was den Kampf gegen Imperialismus und Kriegsgefahr abstumpfte – bis es 1914 doch zur Kriegs-Katastrophe kam. Bei Corona war es ein bisschen ähnlich. Es gab immer wieder große Medienberichte über Krankheitserreger SARS 2002, Schweinegrippe 2003, Vogelgrippe 2009, MERS 2012 etc. Jedes Mal kam es dann nicht so schlimm. Viel Lärm um (fast) nichts? Und dann kam Corona … und diesmal ist es richtig schlimm geworden, trotz der drastischen Lockdown-Maßnahmen. Und bei der EU? Sie taumelt von Krise zu Krise und hat es jedes Mal geschafft, die Krise zu überwinden; und bis zum Brexit ging die Tendenz sogar immer nur in eine Richtung: immer mehr Länder und immer größere Verflechtung. Aber so wie die politischen und wirtschaftlichen Widersprüche des Imperialismus früher oder später zum Ersten Weltkrieg führen mussten, so wie es früher oder später zu einem stark ansteckenden Virus mit vielen tödlichen Verläufen kommen musste, so müssen sich die politischen und wirtschaftlichen Widersprüche der EU weiter zuspitzen. Der Erste Weltkrieg hätte sich nur durch den Sturz des Kapitalismus verhindern lassen. Ebenso ist auf kapitalistischer Grundlage der Fortbestand der EU keineswegs auf unbeschränkte Zeit möglich.

Aber wenn der Kapitalismus zu einer echten Vereinigung Europas unfähig ist, ist das kein Argument gegen eine solche Vereinigung, sondern ein weiteres Argument gegen den Kapitalismus. Deshalb treten wir für eine sozialistische Konföderation Europas ein.

Ein sozialistisches Europa würde die Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung überführen – bzw. die Länder, in denen solche Maßnahmen erfolgreich durchgeführt werden, würden sich schnellstmöglich zu einem sozialistischen Europa zusammenschließen, egal, ob sie heute zur EU gehören oder nicht (denn es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass solche Maßnahmen in der heutigen EU zeitgleich erkämpft werden würden und alle anderen europäischen Länder später folgen würden). Statt Konkurrenz und Produktion für den Profit wäre dann eine demokratische und nachhaltige gesamtgesellschaftliche Wirtschaftsplanung entsprechend der Bedürfnisse von Mensch und Umwelt möglich. Dann könnte Europa einen kräftigen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel zu leisten. Gleichzeitig würde das soziale Gefälle innerhalb Europas abgebaut, Nationalismus, Rassismus, Sexismus, Homophobie und spalterische Ideologien würden entschlossen bekämpft werden und nach und nach verschwinden.

Aber während alle Schritte zu einer kapitalistischen europäischen Vereinigung immer auch gegen andere Länder und Regionen gerichtet sind, ist ein sozialistisches Europa nicht gegen andere Länder und Kontinente gerichtet, sondern nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zu einer sozialistischen Welt. Und da sowohl die Klimakatastrophe als auch die Coronakrise zeigen, dass nicht nur der Nationalstaat, sondern auch Europa schon viel zu klein geworden sind für die Lösung der wirklichen Menschheitsprobleme, sollten wir nicht nur darauf hinarbeiten, dass diese Zwischenstufe bald kommt, sondern auch, dass sie möglichst kurz wird.

Print Friendly, PDF & Email